Die vorstehenden Studien über die Körperbeschaffenheit der Bewohner von Celebes
und seinen Inseltrabanten dürften Sarasins grundlegende Untersuchungen ihres prächtigen,
zweibändigen Werkes: „Versuch einer Anthropologie der Insel Celebes“ vervollständigen.
Die beiden verdienstvollen Forscher haben in den Toalas von Südwest-Celebes einen Rest
der Urmalayen gefunden und stellen auch die Mie Muna, von denen sie einige Leute als
Sklaven in Kölaka gesehen, zur Toal a-Schicht . Nach meinen Vergleichen besteht dieser
Volksstamm nicht aus einem einheitlichen, in sich abgeschlossenen Menschentypus, sondern
er enthält — gerade wie die Kubus nach Hagen — ein anthropologisch höherstehendes
Element, die Vertreter der Toradja-Schicht. Aus dieser müssen jedoch die Bugis, Makassaren,
Mandaresen und Gowaresen als ein mehr entwickelter Bestandteil, die Bugis-Schicht,
ausscheiden.
Die Auffindung eines Volksstammes mit arischen Zügen in Rumbia, Poleang und
Kabaena dürfte nun den Schlüssel zur Lösung des celebensischen Rassenproblems liefern:
D ie Ma r o n e n e , ein Re s t der Hi n d u s
aus d e r Zei t de r A u s b r e i t u n g de r
J a v a -Re i ch e n a c h Ce l e b e s e twa im
5.— 10. J a h r h u n d e r t n. Chr., e r h i e l t e n
s ich i nf ol ge g e r i n g e r V e r m i s c h u n g
mi t den Urmalayen. A u s i hn en und
de r V o r g e f u n d e n e n Bevölke rung e nt s
t anden die St ämme der Toradja-Schicht,
v e r s c h i e d e n nach der Menge des auf gen
omme n e n Hi n d u -Bl u t e s . So t r i t t
z um Be i s pi e l bei den To Memb ul u,
To Me n g k o k a u n d To b a d a die n eue
K o m p o n e n t e mi t g r ö ß e r e r o d e r wie
bei den Tokul awi , Pal oppo-Tor adj a s
und Topebat os mi t ge r i nge r e r D eu t l
i chkei t hervor . Die s p ä t e r mi t dem
I s l am e i n t r e f f e n d e j u n g m a l a y i s c h e
Kul t urwe l l e ve r ände r t e haupt s ächl i ch
die Me n s c h e n de r s ü d w e s t l i c h e n
Ha l b i n s e l u n d s chuf da s a n t h r o p
Fig. 1^ Mann und F rau au s Membulu.
o l o g i s c h u n d k ul t ur e l l am h ö c h s t e n s t e h e n d e E l eme n t , die Bugis-Schicht.
Zwi s c h e n d i e s e r und de r T o r a d j a - S c h i c h t v e r mi t t e l n die Mi ano Bi n o n g k o
Bu t o n s u n d de r T u k a n g - b e s i - E i l and e , und z wi s c h e n de r l e t z t e n u n d de r
To a l a - S c h i c h t , we l c h e r die To a l a u nd Mie Muna , l e t z t e r e we n i g s t e n s zum
Tei l , a n g e h ö r e n , s t e h e n die Be w o h n e r d e s I n n e r n von But on, die Mi ano
Limb o n a , u n d die To k e a der L a n d s c h a f t Kendar i .
Fig. 14. Ein g e s tick te s O rnam ent an einem Scha l d e r B a io-Mädchen Kabaenas.
Die Kunst bei den Maronene und ihren Nachbarstämmen.
Im ersten Bande dieses Werkes (S. 46) wurden die Ornamente der Sasaker Lomboks
und ihre Entstehung aus pflanzlichen und tierischen Vorbildern, welche mir die eingeborenen
Künstler direkt als solche bezeichneten, behandelt. Die urmalayische Kunst der einfachen
Strich-, Punkt- und Kreuzblütenmuster tritt dort hinter, den höheren Formen ganz zurück.
Auf Celebes aber beherrscht sie die ganze Insel, und man kann auch ihre weiteren Entwicklungsstadien
bis zur Spiralornamentik verfolgen. Neben diesen alten Elementen kommen
hier noch jüngere, hinduische vor, und als letzte Erscheinung und höchste Stufe die
jungmalayische Kunst, z. B. bei Bugis und Makassaren, welche herrliche Werke in Gold
und Silber schafft.
Die Maronene der südöstlichen Halbinsel und Kabaena sind besonders geschickte
Künstler. Sie haben nicht nur die urmalayische Kunst weiter ausgestaltet, sondern auch
die von den Hindus stammende kommt in ihren Motiven zum Ausdruck. Die Erzeugnisse
und ihr ornamentaler Schmuck werden in den verschiedensten Zweigen der Technik immer
sehr sauber und sorgfältig ausgeführt und stellen bei' gleichzeitiger Kleinheit der Gegenstände
in ihrer Art Kunstwerke dar.
Die Fl e c h t e r e i kennt, wie hier überall, Taft-, Köper- und Atlas-Geflechte.in ver-
schiedenbindigen Streifen mit übergeflochtenen Mustern. Die auf Buton (s. Bd. I, S. 215,
Fig. 111) allgemein übliche Methode des Zusammenbindens von Reifen mit Hilfe spiraliger
Umwicklung oder außerdem gleichzeitiger Verknüpfung, das sogenannte Spiralwutstengeflecht
(in Lehmannscher') GeflechtsformetH Bb «, v, X) tritt bei den Maronene fast ganz zurück und
wird nur zur Versteifung von Rändern, besonders der Tragkörbe (kompe) angewandt, ln
den Rumbia und Poleang benachbarten Landschaften Membulu und Mengkoka hingegen,
sowie bei den munanesischen Wäsindöli-Leuten Kabaenas und zum Teil auch schon in der
Landschaft Balo begegnet man ihr bereits häufiger.
Die bei primitiven Binnenlandstämmen nicht Vorkommende schwierige Art, welche
die Malayen „anyart gila“ = das v e r r ü c k t e Ge f l e c h t (nach der Lehmannschen Geflechtsformel
mit IV Ab bezeichnet) nennen, ist bei den Maronene allgemein in Gebrauch (Fig. 23).
Lehmann2) bezeichnet es als Würfelmustergeflecht, „da das Geflechtslinienmuster stufenförmig
übereinander geschichteten Würfeln ähnelt“ oder Rhombengeflecht, „da es aus Rhomben
zusammengesetzt scheint“ oder endlich Hexagongeflecht, „da die Streifenbänder neben den
Rhomben auch große und kleine Hexagone bilden“. Meine Gattin erwähnt es von den
Butonesen und Bugis (Bd. 1, S. 216) nach dem zum Vorschein kommenden Ornament unter
*) Lehmann: „Flechtwerke aus dem malayischen Archipel“. (Veröffentlich, aus dem Städt. Völkermuseum,
Frankfurt a. M. 1912, Verl. Baer & Co.)
*) a. a. O. S. 23.