Gattin, die er sich nur im Tragstuhl vorstellen konnte. Ein großer Stein wäre ihm vom
Herzen gefallen, als meine Frau hoch zu Roß inmitten einer dichten Staubwolke auf dem
Wege von Dompu erschienen sei.
In Kempong kamen die Tage des W e i h n a c h t s f e s t e s , zu dem jedoch Gründler
trotz der Verabredung nicht erschien, da er nämlich, wie sich später herausstellte, in der
Saleh-Bai mit seinem Schiff in eine Windhose geraten war, die das Hauptsegel zerrissen hatte.
Dieser kleine Unfall zwang zugleich die Expedition zu einer unfreiwilligen Ruhepause. Um
so ungestörter konnten wir uns der Festesfreude hingeben:
Im Wald wurde ein schön pyramidaler Weihnachtsbaum in Gestalt einer wilden
Nangka geholt. Meine Frau hatte für diesen großen Tag vorgesorgt und in einem Blechkasten
eingelötet kleine Figuren-Cakes, sowie Wachskerzen mitgebracht. Aus rosa und
weißem, zum Trocknen der Pflanzen dienendem Papier schnitt sie zierliche Ketten und
Körbchen; Bananen dienten statt Tannenzapfen. Alle Gegenstände wurden mit buntem
Garn, die Kerzen mit Rottan festgebunden, sodaß wir einen prächtigen, fast europäisch
aussehenden Christbaum besaßen. Die Soldaten holten junge, schöne Bäumchen aus den
Wäldern und verzierten die Umgebung. Zum Überfluß ließ der Reichskanzler, Rato Parinta,
der hier seinen Wohnsitz und von dem großen Fest der Europäer gehört hatte, zu unserer
Überraschung und zur Freude der Soldaten einen Büffel schlachten.
Als dann am heiligen Abend der Baum mit 24 Lichtern erstrahlte (Taf. XII, Fig. 1),
die sich in den glänzenden Blättern widerspiegelten, und wir, meine Gattin, der Sergeant
und ich „Stille Nacht, heilige Nacht“ anstimmten, ergriff uns alle die rechte Weihnachtsund
Heimatstimmung. Meinem rauhen Kriegsmann, der seit 14 Jahren keinen Christbaum
gesehen, wurden vor Rührung die Augen feucht. Von meinen Leuten, die, auf dem Bauche
liegend, voll Bewunderung in die vielen Lichter starrten, tat einer sogar die bedeutsame
Frage: „Herr, verehren die Weißen ihren Gott immer auf diese schöne Weise?“ Dieses
Weihnachtsfest auf tropischem Boden wird uns allen eine schöne Erinnerung bleiben.
Am Festesmorgen kamen von allen Seiten die Eingeborenen, um zu gratulieren.
Jeder brachte Früchte, Hühner, Eier, Fische oder sogar Ziegen mit, und meine Leute selbst
erschienen mit geschossenen Enten und Schnepfen. Alles schwelgte ob der vielen Speisen,
und mein bezopfter Koch ersann die verschiedensten Gänge und Zuspeisen, zu denen wir
unsere letzte Flasche St. Julien leerten.
Zwei Tage nach Weihnachten hatten wir noch eine besondere Überraschung. Ein
Bote des Civiel-Gezaghebbers brachte uns ein mit der Europa-Post in Bima angekommenes
Weihnachts-Paket von der Mutter meiner Frau, und beim Oeffnen kam ein künstlicher
Tannenbaum, Süßigkeiten und rotbackige Apfel, die man hier mehr als die vielen tropischen
Früchte schätzt, zum Vorschein.
Da Gründler am 28. Dezember noch immer nicht erschien, ließ ich aus den Bugis
und Badjo-Dörfern der Umgegend 30 Ruderboote zusammenlesen, um in der nächsten Nacht -#S
denn am Tage war der Seegang zu heftig — über die Saleh-Bai nach Kowanko zu setzen.
Ein Teil unseres Gepäcks ging bereits einen Tag vorher mit 6 Soldaten nach Ampang
hinüber, wohin die Expedition erst später gelangte, da wir selbst über die Berge zu marschieren
gedachten. Gegen Abend sichteten meine Lotsen vom Kesi-Kap jedoch noch unsere „Sari
Bima,“ die sich vergeblich bemühte, bei dem widrigen Winde zu uns heran zu kommen.
Ich ließ daher meinen Assistenten durch ein entgegengeschicktes Boot abholen und den
Segler direkt nach Kowanko richten.
Gründler war es auf der langen Seefahrt ziemlich schlecht ergangen, denn Symptome
von Beri-Beri zeigten sich, sodaß ich ihm sofort die nötigen Katjang hidju-Bohnen
(Bim.: kabu, Phaseolus radiatus L.) zu einer Heilkur kaufen ließ. Noch einmal wurde an
diesem Abend zum brennenden Weihnachtsbaum unter Begleitung einer Ziehharmonika gesungen.
Um ß 1!^: Uhr Nachts befand sich unsere Fischer-Flotille bereits auf spiegelglatter
See. Die lautlose Stille wurde nur durch das taktmäßige Geräusch der Ruderschläge
unterbrochen. Das aufgewühlte Wasser glitzerte dann für Momente in silbernem
Lichte, ausgehend von den in ihrer Ruhe gestörten Meeres-Infusorien. Ohne Ende schien die
Kette der Fahrzeuge, die nur an dem Aufleuchten des zerfurchten Spiegels sichtbar wurden.
Vorher der strahlende Weihnachtsbaum und die Heimatmelodien und nun die geheimnisvolle
Fahrt erzeugten Stimmungen, die sich nicht durch Worte ausdrücken lassen.
Kurz vor Sonnenaufgang kam ein leichter Wind auf, unsere Auslegerboote setzten
kleine Segel, wir passierten Inselchen und Korallenwiesen und erreichten nach Durchwaten der
uns endlos vorkommenden Strecke von knietiefem Morast des Strandes um 7 Uhr Kowanko,
das erste Dorf im Sultanat Sumbawa. Von einem arabischen Kaufmann war zuvorkommenderweise
für ein opulentes, indisches Frühstück und für Träger zum Weitermarsch gesorgt. Nachdem
ich dann Gründler mit der „Sari Bima“ nach Sumbawa geschickt und die Gesandtschaft
des Sultans von Dompu, die uns bis hierher begleitete, verabschiedet hatte, bestiegen wir
schnell die bereitgestellten Pferde.