Vielfach hat sich Sumbawa im Wechselspiel der aufbauenden und zerstörenden
Kräfte der Erde verändert. Heute repräsentiert es ein kompliziertes, zerfetztes Landgebilde.
Seine Vulkanriesen schlummern, erschlafft von der anstrengenden Tätigkeit, aber ständig,
fast unmerkbar langsam arbeiten die Weltzerstörer, die Wasser der Luft und des Meeres,
an der vielgliedrigen Landmasse.
Berg um Berg, jeder ein Denkstein aus der Geschichte der Erde, zieht an uns vorüber,
es folgen die ganz aus Korallenkalk aufgebaute, in schönen Terrassen ansteigende Insel Mojo,
ferner der große, sargähnliche Tambora mit seinem zerschnittenen alten Fuß, seiner jungen
Haube und den niedlichen, parasitären Kegeln auf den Abhängen, die Insel Satonda, die
Spitze eines unterseeischen Vulkanes, dann die Bima-Bai mit dem Napfkuchen-ähnlichen
Soromandi, das Kolo- und Ro-Gebirge, das so vielfach zertrümmert ist und kaum noch
eine Ähnlichkeit mit einem Feuerberge aufweist, schließlich die gewaltigen Steilwände der
Sapeh-Straße, die uns von den mächtigen Landeinbrüchen und der Auflösung des alten
Festlandes beredtes Zeugnis ablegen.
Als die „Zeemeeuw“ sich aber Sangeang, an Bimas Nordost-Ecke, jener unvermittelt
aus dem Meere aufsteigenden Vulkaninsel, welche ich auf dem Wege nach Wetar besuchen
wollte, näherte, erlitt unser Schiff an der Maschine einen Kondensor-Defekt, sodaß es den
schützenden Hafen von Bima aufsuchen mußte. Diese Havarie war nach dem Kesselbruch
kurz vor Sumbawa die zweite auf dieser Fahrt.
Nach glücklicher Passierung der stromreichen Straße zwischen Bima und Sangeang,
sowie Flores, hatte die „Zeemeeuw“ — wegen ihrer schlingernden Bewegungen von den
N. I. Beamten scherzhafterweise „das Aquarium von Ende“ genannt — bereits einen großen
Zeitverlust, sodaß sich in Höhe von Ende unser Kohlenvorrat bereits faßt erschöpfte und
an eine sofortige Weiterreise bis Wetar nicht zu denken war. Auf diese Weise kam die
Expedition zu einem unfreiwilligen Besuch der Insel Flores, durch deren mittleren Teil
mehrere kürzere Reisen unternommen wurden.
Dem flüchtigen Beobachter scheint Flores ganz aus Vulkanen zu bestehen, doch
zwischen diesen hindurch windet sich ein Rücken, das Grenzgebirge, welches die Insel etwa
in der Mitte der Länge nach von West nach Ost durchzieht. Wegen seiner schroffen Bergformen
gehört sie zu den unzugänglichsten Teilen des Archipels. Infolge seiner verhältnismäßig
großen Höhe und der gleichzeitigen Schmalheit stürzen sich die Regenwässer mit
großer Heftigkeit die Gehänge hinab, sodaß die erodierenden Kräfte der Flüsse bedeutende
Stärke erreichen. Die Abhänge der Nordküste sind im Gegensatz zur schroff und stufenförmig
abfallenden Südküste flach und weisen deshalb auch größere Flüsse, u. a. den Lowo
Dondo und Lowo Ria auf, welch letzter in seinem Mündungsgebiete, wie auch der Koro
Dondo und Ai Wora fieberschwangere Sümpfe mit Malaria und Elephantiasis beherbergen.
P o l i t i s c h besteht Mittel-Flores aus einer Reihe kleiner selbständiger Staaten: Ende,
Rea, Ndona, Wolo Djita, Ngela, Nbuli, Lise, Dondo und Pu. In Pu ist erst im Januar/März
1909 mit Waffengewalt Ruhe und Ordnung geschaffen, sowie in Rea im Mai desselben
Jahres ein Aufstand niedergeworfen worden; selbst die Hauptstadt Ende, Garnison und Sitz
der holländischen Beamten, wurde vor einigen Jahren zweimal von den Bergbewohnern
überfallen und zuletzt ganz niedergebrannt.
Der Führer der Aufständischen von Rea, Kakidupa, war seiner Zeit gefangen
genommen und nach Timor-Kupang vor den Residenten geführt worden. Dieser lernte in
ihm nicht nur den einflußreichsten Menschen seines Landes, sondern auch einen äußerst
intelligenten Mann kennen. Er begnadigte ihn zu einer hohen Geldstrafe, setzte ihn auf
freien Fuß und bestätigte neuerdings seine Stellung als Haupt von Rea. Diese Art, durch
Verleihung einer Machtstellung den Widerstand tüchtiger eingeborener Herrscher zu brechen,
haben die Holländer schon oft (z. B. auf Sumatra) mit Erfolg angewandt und dadurch das
aufsässige Land zur völligen Pazifikation gebracht.
Als ich die Vertreter der holländischen Regierung in Ende um eine militärische
Bedeckung bat, konnten mir nur einige Soldaten zur Verfügung gestellt werden, da sich
die Kolonialtruppe gerade nach dem Osten der Insel zur Unterdrückung eines neuen Aufstandes
begeben hatte. Meinen Plan, die Landschaft Rea und das Grenzgebirge zu besuchen,
führte ich darum ohne Militär aus, mußte aber dem Civiel-Gezaghebber wegen der Gefahren
versprechen, nicht bis zur Nordküste durchzugehen. — Der Kommandierende, Herr Oberst
Spruit, den ich später in Kupang traf, erklärte mir nachträglich, die Ausführung verhindert
zu haben, falls mein Plan ihm bekannt geworden wäre.jjjp||g
Durch die Aufklärungen des Herrn Leutnant ? de Vries, des derzeitigen Civiel-Gezag-
hebbers, verfiel ich nun auf die Idee, mich der Freundschaft des berüchtigten Kakidupa zu
vergewissern, um mit seiner Hilfe die Insel zu bereisen. In einigen Stunden brachte uns
die „Zeemeeuw“ zu dessen Wohnorte Nanga Pandan an der Ende-Bucht. Trotzdem nur
ein leichter Nordwest wehte, stand in der Bai eine starke Dünung, und die hohe Brandung
ließ eine Ausbootung etwas gewagt erscheinen. Die Matrosen-versuchten vergebens, das
Ufer zu erreichen, und die Schaluppen mußten in einiger Entfernung Anker werfen. Nach
langem Abmühen gelang es den Bewohnern der Küste, mit ihren Einbaumbooten durch
die Brandung zu uns heran zu kommen.
Da immer 5 Wellen dicht hintereinander folgten, und dann eine kleine Pause eintrat,
so lag die ganze Kunst einer glatten Landung nach Aussage der Matrosen darin, mit der
vorletzten das Rudern zu beginnen, sich von der. letzten heben zu lassen und nach ihrem
Aufschlag, aber vor Eintritt der neuen Sturzwellenserie den Strand zu erreichen.
Mit den wichtigsten Instrumenten bestiegen meine Frau und ich den Einbaum.
Lange beobachteten unsere beiden Ruderer das Spiel der See, während welcher Zeit wir
hin und her geschleudert und schon gut durchnäßt wurden. Plötzlich, als der geeignete
Augenblick gekommen, schoß das Boot unter kräftigen Rudersehlägen gegen die schäumenden
Wasserberge. Schon war eine Woge passiert, als ein Ruder zerbrach, sodaß die nachfolgende
das Boot querlegte, in sich hineinrollte und umkippte. Glücklicherweise holte sie
uns nicht wieder zurück ins Meer. Die Eingeborenen am Strand hatten den Vorgang verfolgt
und stürmten zur'. Hilfeleistung herbei. Sie ergriffen uns an Händen und Füßen, zogen
uns jeder nach einer anderen Richtung, sodaß die Zeit verstrich und eine neue Brandungswelle
uns alle erfaßte und auf den Strand* warf. Bevor uns aber ein neuer Brecher erreichte,
waren meine Frau und ich schon auf den Beinen und auis Trockene gelaufen.
Noch einem zweiten Boot erging es schlecht, Kisten wurden zerschlagen und eine
große Menge Expeditionsgüter auf den Strand geschleudert. Böse zugerichtet waren die
Instrumente, zerbrochen und voll Wasser gelaufen; nur ein Aneroid1 funktionierte noch bis
zum Abend. Zu den geretteten zählte jedoch der photographische Apparat, und zwar durch
die Umsicht meines Dieners, welcher, selbst bald umgeworfen, die Kiste noch über Wasser
hielt. Nur ein Transportblech, das die Kleider enthielt, blieb unversehrt und trocken. Im
Hause des berüchtigten Kakidupa wechselten wir unsere Anzüge. Trotz Abschluß des
Schlafraumes durch Vorhänge, lugten überall die schwarzen Augen der vielen Frauen, die
der große Mann sein Eigen nannte, voll Neugierde auf uns weiße Menschen.