Als der junge Leki-Lätik einmal am Meere saß und angelte, ergriff ihn die Strömung
(Öle) und trug ihn über die Meeresstraße nach Timor zum Orte We-mäsin. Hier heiratete
er Dau-Luk, die Tochter von Ma-Mfsa. Von diesem aufgefordert, reisten die beiden später
nach Wetar, um die Eltern in Hatmodo aufzusuchen. Als nach vielen Jahren die Familie
zahlreicher wurde, wanderte Leki-Lätik mit den Alten nach Huru und die Hälfte von ihnen
später weiter nach dem Osten. Auf diese Weise gelangten sie nach Masapun, wo sie blieben
und die Stammeltern der heutigen Bewohner wurden.
Die Bergmenschen nördlich Mahuan, die T e p u t i (auch „tu-putih“, die weißen
Menschen, Hautkranken) so erfuhr ich von demselben Häuptling, glauben aus einer Melone
hervorgegangen zu sein und, da diese Stacheln hatte, so bekamen die Nachkommen Schuppen
auf die Körperhaut.
Ein alter Greis von Ilmedo berichtete ferner Folgendes: „Die Leute von P e r a i
waren die ersten Bewohner Wetars (wang tani). Sie kamen von Iimano in Portugiesisch-
Timor, gegenüber Dekuan an der Südküste, unter ihrem Häuptling Simlai und ließen sich
in Huru nieder. In späterer Zeit erschienen nacheinander Leute von Timor und führten
gegen die Bewohner Krieg, sodaß diese in das Gebirge und immer weiter östlich flüchteten.
Zuerst landeten Timoresen von Rentau unter Loi'-garu in Iliwaki, dann die von Lalda unter
Mau-iak und schließlich der große Häuptling Leki-Lätik von We-mäsin in Sao. Er drängte
die Peraier weiter nach dem Osten, dem Orte Mapun, und ebenso die später in Ilmedo
erscheinenden We-mäsin-Leute unter Ma-Lait-kai und Ma-Lait-modo nach Mahuan, sodaß
sie ihre Zuflucht zu den Bergen von Ilporo nahmen. Hier blieben sie bis zum heutigen
Tag und gründeten die Dörfer We-siri, Kopa, Hau-ani, Suti-ralang.“
Die alte Feindschaft loderte von Zeit zu Zeit immer wieder auf, und Raub- und
Kriegszüge von beiden Seiten waren an der Tagesordnung. Im Jahre 1900, so berichteten
mir einige Augenzeugen, schlossen sich die Bewohner von Sao, Ilmedo, Mahuan und
Tumliapat zu einem Überfall des Perai-Dorfes Hau-ani zusammen. Sie erreichten es nach
fünftägiger Wanderung und forderten die Leute heraus. Diese saßen auf dem Bambuszaun,
der eine zweireihige, über 2 m hohe, feste Umwallung bildete, und mit zugespitzten Bambuslanzen
gespickt war, und fragten nach ihrem Begehr. „Den Kriegl“ rief ihnen der Anführer
Mau-balek, das Haupt von Mahuan, entgegen. Magono von Ilmedo gab den ersten
Schuß auf ein mit Leuten gefülltes Haus ab, und man umzingelte das Dorf. Bei der Belagerung
gerieten einige Menschen in Wolfsgruben (sulak) und wurden von den in ihnen
aufgepflanzten Bambuslanzen aufgespießt. Um endlich an den Wall heranzukommen, bauten
die Krieger aus Bambus einen gewaltigen Schild. Sie schoben diesen immer näher heran
und legten Feuer an den Zaun. Als schließlich das ganze Dorf brannte, kamen die Bewohner
herausgelaufen, und es entspann sich ein Kampf Mann gegen Mann, bei welchem 5 eigene
Leute, aber etwa 20 Gegner fielen. Nach dem Siege feierte man fünf Tage lang, schmückte
die Klewangs mit Skalpstücken und opferte Zungen und Augen dem Ma-Lihi und Melo-kai.
Von den erbeuteten Köpfen wurden auch zwei auf dem Loi-gäsu Kap, der Schädelstätte
Ma-Koli-gareng (Taf. XXIX, Fig. 1) bei Ilmedo aufgepflanzt, die den Peraiern Ma-Heo
(Fig. 153) und Ma-LTs angehörten.
Religiöse Vorstellungen der Wetaresen.
Die mitgeteilten Mythen über die Bewohner Wetars gewähren auch einen Einblick
in die religiösen Vorstellungen der Leute. Durch den Fluch des Ahnherrn Mai-Fai ist es
den Tobu Tihu verboten (luli), im See und dessen Nähe Fische zu fangen, Vogel zu schießen,
gewisse Bäume am Ufer zu fällen,', verboten zu baden, die Tiefe des Wassers zu messen,
in dem die Stammeltern bei der gleichen Handlung ertranken, ferner den Namen „Krokodil
auszusprechen; keinem Fremden aber ist es gestattet, die heiligen Felsen am Ufer oder gar
die Insel Elusa, sowie die Berge, welche an der Nordseite den See abschheßen, überhaupt
seine nähere Umgebung zu betreten und ihn sogar zu sehen. Darum heißt es: „Tötet sie
alle, welche es wagen, diese Gebote nicht zu beachten.®?
„Alle Jahr aber“, so fährt unser alter Lehrmeister fort, „feiern die Tobu Tihu die
Versöhnung des heiligen Sees und das P f l a n z f e s t (tina wäu), zur Zeit, wenn die
Früchte des Feldes dem Schöße der Erde entsprießen. Die Ältesten begeben sich an
die heiligen Felsvorsprünge und rufen laut die Stammutter Pi-Löuk und ihre Heldensöhne
Ma-Fai und Sa-Lowe (die aus der Vereinigung von Himmel und Erde hervorgegangen) an.
Sie bitten den Tihu-See, alle Verstöße gegen die Gebote zu verzeihen und murmeln: „Küen
mata sina, tear nanai modi pau modi möle.“ Diese mir nicht ganz verständlichen Worte
bedeuten vielleicht: „Dir bringe ich Kokosnuß, ein Stück Zinn und Eisen, Herz und Leber,
schicke uns kein Ungemach.“ Darauf legt man einige Stücke von dem Fleisch des zu
diesem Zwecke geschlachteten Schweines nieder.“
Vor Beginn des Festes treiben die Tobu Tihu ihre Büffelherden zusammen, um für
sie Fruchtbarkeit zu erflehen. Diese soll nämlich dadurch gesteigert werden, daß man die
Tiere wieder zähmt und daher heißt der Vorgang: „nüna rindin karbau“, d. h. „Die Büffel
kalt (zahm) machen“. Von einem zu diesem Zweck geschlachteten Schwein wird das Blut,
nachdem es mit Kokoswasser von nur zweidrittel geöffneten Nüssen vermischt ist, von
jungen Müttern gehalten. Eine von diesen ruft aus den im Kre;ise ringsherum stehenden
Männern einen Angesehenen heraus. Dieser bietet das Opfer dem PaipdT we-waki1), dem Gott
der Sonne und des Mondes (lelo-hulan) mit den Worten an:
P a ip ii we-waki karak 'JjfPaipeT we-waki, wenn Du es willst,
Lass’ sie doch gut werfen,
Gib den Büffeln viele Junge.
Lass’ sie Wasser saufen,
Lass’ sie gesundes Wasser saufen.
Lass’ sie alles auffressen aus Tihus Wald,
Lass’ sie das gesegnete Wasser Tihus trinken,
Mache ihren Körper kalt,
Mache ihren Leib zahm,
Lass’ sie erstarken durch die Amutwurzel.
Etan nok suri lelalang,
Mai karbau dna nok wai.
Nok ninu we,
Nok ninu metan we,
Nok naan séru éon tihu
Ninu metan we tihu.
Isin nok namadin,
Isin nok kapdris,
Putar n i dmut, dulas ni léan.
Die Büffel werden nach Ansicht der Tobu Tihu vom reichlichen Wassergenuß,
besonders aus dem Tihu-See, viele Junge bekommen. Um ihre^ Fruchtbarkeit noch zu
erhöhen und ihnen Stärke zu verleihen, umkreisen die Leute mit einer Amutwurzel in der
»TNach Riedel, S. 463 bedeutet das Wort: Der große Geist, der große oder alte Herr da oben
in der Sonne oder Himmelsgewölbe; nach van HoSvell S. 136. — „Der Alte, der dort oben wohnt“,
an der Südküste und in Welemur genannt: Pai-be, bei Hoevell: Balbe, Jocobsen: Pai bal wa-waki, sowie
Riedel auch: wawahaki.