K a k id u p a , mit seinen grauen Haaren noch kraftvoll und frisch, war eine stattliche
Erscheinung mit einem sympathischen und klugen Gesicht. Meinem Vorhaben begegnete
er mit großem Verständnis und versprach, mich begleiten zu wollen, damit mir nichts
Unangenehmes widerführe.
Dieses Entgegenkommen verdankte ich gewiß zum Teil meinem redegewandten
kleinen Dolmetscher Mohamed Ali, dem Haupt von Ende. Dieser umsichtige und auch
einflußreiche Mann, der immer treu zur N. I. Regierung gehalten hat, verstand seinem Genossen
die ihm von Herrn Leutnant de Vries mit vielem Geschick zum Verständnis gebrachte
Aufgabe so sehr ans Herz zu . legen,
daß er sich zur Ausführung sozusagen
direkt verpflichtet fühlte als ein Zeichen
der Ergebenheit für das Gouvernement
und als eine Genugtuung für den früheren
Aufstand.
Kakidupa gilt als reich und gestattet
sich den Luxus von 19 Frauen, deren
älteste und schönste mit ihm nebenstehendes
Bild zeigt (Fig 123). Er gehört
zum muhamedanischen K ü s t e n s
tam m d e r E n d e n e s e n , welche
hauptsächlich aus einer Vermischung
von Makassaren und Bugis mit der einheimischen
Bevölkerung hervorgegangen
sind. Diese Leute bewohnen nicht allein
die Ende-Bucht, sondern ihre Niederlassungen
gehen bis zu fernen Gestaden,
z. B. selbst nach Lombok (Bd. I, S. 92).
Sie unterscheiden sich durch die hellere
Hautfarbe, das langwellig bis schlichte
Haar, den größeren Wuchs, aber weniger
kräftigen Bau von den Bewohnern des
Inneren. Anthropologisch sind sie ein
Mischvolk und rechnen zur Bugis-
Fig. 123. Kakidupa. F ü h re r d e r Aufständischen von Rea, m it s e ine r ä lte s ten p ■ - i , c j i i -
u n d s e in e r s ch ö n s ten Frau. . ochicht. Die Endenesen nehmen für
das östliche Gebiet dieselbe Stellung
ein wie die Butonesen für das westliche bezw* nördliche. Von ihrer Ähnlichkeit mit
Bugis und Makassaren berichtet bereits H. ten Kate1) und bezeichnet sie dem Charakter
nach als falsch und hebt wie Wichmann2) den unangenehmen Eindruck hervor, den
die schmutzigen Leute auf ihn — und ich kann hinzufügen auch auf mich -jglgemacht haben.
Von unserem Ausgangspunkte Nanga Pandan führte der Oto-Weka-Fluß in Nordost-
Richtung bis zum Grenzgebirge beim Geli Watu Manu (auch: Keli, d. i. Berg), wo die
Berge weniger steil sein sollten; dort lag unser Ziel. Das untere breite Talstück erfüllten
J) Verslag eener Reis in de Timorgroep efi Polynesie (Tijdschr. v. h. Kon. Nederl. Aardrijksk.-
Genootsch. 2. Ser. Deel XI. Leiden 1894), p. 204.
*) Bericht über eine im Jahre 1888—89 im Aufträge der Niederl. Geogr. Gesellsch. ausgef. Reise
n. d. Ind. Arch. (Tijdschr. v. h. K. Aardrijksk.-Genootsch. 2. Ser. Deel VIII), Leiden 1891. S. 218.
Gärten und ausgedehnte gute Kokospilanzungen. Weiter oberhalb nach einer Gabelung in
Ai Rombo und den von Geni kommenden Ai Naku-badju, stiegen wir die Abhänge des
Woro Nangge, eines zwischen beiden Flüssen auslaufenden langen, vom Geli Manu kommenden
Rücken hinauf. Beständig wechselten Steilhänge mit fast ebenen Flächen bis zur Höhe.
Noch einmal durchnäßt, aber diesmal vom Regenwasser, erreichten wir gegen Abend
P u u m e r e -w aw o (Karte No. 5, auch Pau mere-wawo) bei ca. 360 m auf dem hier sich
stark verschmälernden Rücken. Dieses Dörfchen glich durch seine Lage fast einer Festung,
welche auch in dem genannten letzten Aufstande nicht eingenommen wurde. Nach 12-
stündigem Hungern sehnten wir uns nach einem kräftigen Essen. Da die Hühner schon auf
den Hausdächern schliefen, so schossen die Leute, durch Kakidupa aufgefordert, sofort einige
mit Bambuspfeilen vom Dache herunter (Taf. XXI, Fig. 2).
Zum ersten Mal auf der Expedition trafen wir B o g e n u n d Knochen- wie Eisen-
besetzte P f e ile . Die Floresen "sind als gute Schützen und als gewandte Krieger bekannt.
Sie tragen ein ganz anderes Wesen zur Schau als alle früher beschriebenen Völker des
ostmalayischen Archipels. Verglichen mit den Kopfjägern von Celebes, vor allem den friedlich
dreinschauenden Maronene, machen sie direkt einen wilden Eindruck. Sie haben einen
scharfen, trotzigen Gesichtszug, und die stechenden, dunkeln Augen können unheimlich
funkeln. Gewohnt, in den schluchtenreichen Bergen herumzuklettern und ihre, selbst an
Steilhängen liegenden Mais- und Hirsefelder zu bestellen, besitzen sie einen sehnigen, muskulösen
Bau, aber nur geringe, bis mittelmäßige Körperlänge.
A n t h r o p o l o g i s c h lassen sich zwei Haüpttypen unterscheiden, von denen je ein
Vertreter auf Tafel XXIV abgebildetlist: 1. Leute mit länglichem groben (Fig. 2) und
2. andere mit breitem feineren Gesicht (Fig. 1).
D em ilS r s te r e n , n i e d r i g e n T y p u s begegnet man am häufigsten; er läßt sich
kurz folgendermaßen charakterisieren:
Die kräftige Nase ist nach vorn bald mehr, bald weniger stark verbreitert, infolgedessen
erscheinen die Löcher, in die man yon vorn und von der Seite hineinschauen kann,
stark Seitlich gerückt. Ihr gerader oder konvexer Rücken verläuft bis zur Wurzel erhöht
und zeigt eine leicht abgestumpfte Spitze. Die Stirn wölbt sich stark vor mit kugeliger
Mittelpartie, schrägt sich aber zur Oberseite meist" gleichmäßig ab. Der große Mund ragt
mit seinen ziemlich kräftigen Lippen deutlich kegelartig vor und das Kinn weicht etwas
zurück. Der Unterkiefer ist kräftig, eckig und hoch, bisweilen sehr massiv und die Supra-
OTbital-Wülste treten stark hervor.
Der z w e i t e , h ö h e r e T y p u s unterscheidet sich vom ersten durch das breitere
Gesicht, die steile, auffallend weibliche Stirn sowie durch das Fehlen der Prognathie, den
kleinen Mund mit schmalen Lippen, die schlankere Nase mit scharf abgesetzten Flügeln,
schwaches Hervortreten des Augenrandes und starke Augenbrauen, vor allem durch eine
schönere Profillinie (Taf. XXIV, Fig. 1), welche auf die Maronene hindeutet. Er verdankt
höchstwahrscheinlich einer h i n d u i s e h e n B l u tm i s c h u n g seine Eigenart.
Die Frauen (Taf. XXIII, Fig. 1) kommen im allgemeinen mehr auf den ersten Typus,
selbst die mit runden Gesichtern (Taf. XXII, Fig. 1). Ihre breiten Nasen hängen nicht selten
nach vorn etwas über, und die Lippen, besonders die obere, sehen wie aufgeklappt und
unschön aus. Die Brüste, welche sich verhältnismäßig spät zu entwickeln scheinen, sind
flaschenförmig und meist hängend. Neben Gestalten, die an die Munanesen erinnern, herrschen
die auf den Osten hinweisenden.