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 auch  zum  Photographieren,  indem  sie  sich  bei  der  Ausführung  wie  schützend  unter  sie  
 stellte.  Die  Krieger  ließen  von  ihr  ohne  Scheu  ihre Waffen  und  Amulette  untersuchen  und  
 gaben  ihr,  wahrscheinlich  an  die  weibliche  Neugier  gewöhnt,  über  alles  Auskunft.  Als  sie  
 unter  anderem  ein  an  einem  Klewang  hängendes  Paketchen  aus  rotem  Stoff  befühlte,  zeigte  
 der  Besitzer  ihr  stolz  diese  Jagdtrophäe,  eine  getrocknete  Menschenzunge,  ferner  alle  
 anderen  als  Schmuck  und  Schutz  dienenden  Dinge,  Amulette  für  glückliche  Schweinejagd  
 („hahi  ai“,  Fig.  151),  Kriegsbüchsen  mit  getrockneten  Stücken  vom  menschlichen  Herz,  
 Leber,  Stirnhaut,  heiligen  Hölzern  (ai  amut  aswai)  u.  a.,  sowie  an  den  Haumessern  die  
 Streifen  Skalp.  Da  letztere  noch  ziemlich  frisch  waren,  fragte  meine Gattin  auch  nach  den  
 jüngsten  Kriegszügen  und  erfuhr,  daß  die  Leute  gerade  in  Lihutau  an  der  Nordküste  etwa  
 20  Menschen,  die  durch  widrigen  Wind  von  Kisar  mit  ihrem  Boot  dorthin  verschlagen 
 Fig.  146  Fig.  147.  Fig  148. 
 We ta re sische   Flechtwerke  m it  T ie r-  u n d   Menschenornamenten. 
 waren,  gemordet  und  geköpft  hatten.  Als  größte  Heldentat  aber  schilderten  sie  eiaen  
 Kriegszug  vor  3  Jahren.  Auf  diesem  überfielen  sie  das  Dorf  Perupu  östlich  von  Lihutau,  
 töteten  die  30—40  Einwohner  und  nahmen  deren  Köpfe  mit. 
 Eines  Tages  wünschte  ich  einen  Büffel  zu  kaufen.  Mit  40  Mann  waren  die  Tobu  
 Tihu  ausgezogen,  hatten  ein  junges  Tier durch viele  Lanzenstiche  niedergelegt  und  brachten  
 uns  die  einzelnen  Stücke.  Da  Tücher  und  Werkzeuge  bereits  verausgabt,  bot  ich  ihnen  
 als  Zahlung  eine  Handvoll  ganz  neuer,  glänzender  Siiberstücke,  erst  kleine  25  Cent,  dann  
 große  Taler.  Sie  lehnten  jedoch  beides  verächtlich  ab  und  wiesen  auch  die  sonstigen,  
 zusammengelegten  Gegenstände  als  ungenügend  zurück.  Zufällig  kam  meine  Frau  auf den  
 Gedanken,  auch  noch  Kupfergeld  hervorzusuchen.  Sie  putzte  zwei  große  Stücke  sorgfältig  
 blank,  und  als  die  Leute  diese  erblickten,  strahlten  sie  vor  Freude  und  riefen:  „Ja,  das  ist  
 Gold,  das  ist  altes  GoldI“  und  verschwanden  hochbefriedigt. 
 Da  wir  aber  keinen weiteren Vorrat  von  diesem, hier  allgemein  als  kostbar geltenden  
 Metall  besaßen,  ließ  die  Kauflust  bald  nach.  Nur  eins,  so  versicherte  mir  ganz  schüchtern  
 der  alte  Ma-Rate,  würde  er  wohl  gern  noch  kaufen:  „Deine  Tochter“,  für  welche  er  
 nämlich  meine  Frau  hielt.  Er  bot  mir  zwei  von  den  seinigen  und  ein  dickes  Stück  Wachs  
 dafür.  Glücklicherweise  herrschen  bei  den  Tobu  Tihu  strenge  Auffassungen  über  die  Ehe,  
 sodaß  ich  beim  Häuptling,  nachdem  ich  ihn  über  seinen  Irrtum  aufgeklärt  hatte,  volles  
 Verständnis  fand. 
 Die  Urgeschichte  der  Bewohner Wetars. 
 Während  unseres  Aufenthaltes  in  Aüwa  beobachteten  die  Tobu  Tihu  unsere  Wege  
 mit  ständigem  Argwohn.  Die  Ältesten  erklärten  mir  bald  diesen  Ort  oder  Felsen,  bald  
 jenen  Baum  oder  Vogel  als  „Iuli“,  verboten,  und  verhinderten  mich,  in  die Nähe  des  ihnen  
 heiligen  Tihu-Sees  zu  gehen.  Machte  ich  dennoch  Anstalten,  zu  diesem  zu  gelangen,  so  
 waren  sie  anfangs  ganz  bestürzt  und  späterhin  sahen  sie  mich  lauernd  und  drohend  an.  
 Immer  wieder  suchte  ich,  ihnen  dann  klar  zu  machen,  doch  gar  nicht  zu  wissen,  daß  man  
 und  warum  man  jene  Plätze  nicht  betreten  dürfe,  sowie  meinen  guten  Willen  zu  zeigen,  
 ihren  höheren  Wesen  alle  Achtung  und  die  geforderten  Verehrungen  entgegenzubringen;  
 denn mein Glaube ähnele denen der Galigau, unseren Freunden und ihren Verwandten von Alor. 
 Der  verständigste  der  Leute,  der  alte  Ma-Rate,  welcher  verschiedentlich  schon  
 die  Küste  besucht  hatte,  redete  lange  mit  den  anderen,  dann  eröffnete  er  mir  Folgendes:  
 „Ma-Ate  wird  Dir  die  Geschichte  des  heiligen  Sees  erzählen,  damit unser  Vetter  Galigau  
 nicht  gegen  die  Verbote  der  Ahnen  verstoße  und  ihn  nicht  der  Tod  in  Tihu  ereile.“  Mit  
 tiefem  Ernste  und  sich  häufig  wiederholend  setzte  uns  der  weise  Mann  auseinander,  was  
 für  eine  Bewandtnis  es  mit  dem  Tihu-See  habe.  Am  Abend  beim  Fortgehen  empfing  
 dann  unser  unermüdlicher Lehrmeister  immer  ein  Geschenk  von  mir  und  stellte  sich  jeden  
 Morgen  in  der  Frühe  pünktlich  wieder  ein.  Wollte  ich  nähere Auskunft  über  eine  von  ihm  
 absichtlich  kurz  behandelte  Sache  erhalten,  so  gab  ich  vor,  etwas  nicht  verstanden  zu  haben  
 und  bat  ihn,  dasselbe  noch  einmal  zu  sagen.  Infolgedessen  vermag  ich  über  die  G e s 
 c h i c h t e   d e s   h e i l i g e n   T ih u - S e e s   folgenden  Bericht  zu  geben: 
 Zur  Zeit,  als  noch  das  Land  unbewohnt  war,  ließ  Paipei  we-waki,  der  große  Geist  
 in  der  Sonne,  einen  Stern  vom  Himmel  fallen,  der  sich  in  den  ersten  Menschen,  Pi-Löuk,  
 eine  Frau,  verwandelte.  Diese  begegnete  eines Tages  am  Lerkana,  dem  rechten  Nebenarm  
 des  Tihu-Flusses,  der  damals  die  Stelle  des  Sees  einnahm  Ma-Köa,  dem  ersten  Manne,  
 welcher  aus  dem  großen  Berge  gleichen  Namens  an  der  Nordwest-Küste  des  heutigen  
 Sees  hervorging. 
 Beide  wurden  die  Stammeltern  der  Menschen  von  Wetar.  Sie  legten  einen  Acker  
 an  und  nach  zwei  Jahren  ward  ihnen  ein  Sohn  geboren,  den  sie  Pu'ik-lalang  nannten.  Nun  
 vergrößerten  sie  ihr  Land,  indem  sie  Wald  urbar  machten  und  nach  weiteren  zwei  Jahren  
 erschien  der  zweite  Sohn,  Mau-lalang.  Schon  ein  Jahr  später  aber  kam  das  erste Mädchen,  
 Pi-Pahi,  nach  zwei  Jahren  das  nächste,  Pi-Säu  und  nach  vier  Jahren  das  dritte,  Pi-K6o.  
 Nach  der  Geburt  des  letzten  Kindes  siedelte  die  Familie  in  die  Gebirge  Ula-Gais,  auf  der  
 Ostseite  des  Tihu-Flusses  über. 
 Als  die  schweren  Regen,  mit  denen  sie  dort  eintraf,  vorüber  waren,  erschien  eines  
 Morgens  eine  Riesin,  Pi-Pair,  das  Haupt  der  Puk-Nitun.  Auf  Ma-Köas  Frage,  was  sie  hier  
 wolle,  erhielt  dieser  die  Antwort:  „Ich  will  meine  Enkel  besuchen  und  wenn  Ihr  vielleicht  
 von  mir  Essen  wünscht,  so  könnt  Ihr  alles  aus  meinem  Garten  erhalten.  Gebt  mir  
 nur  eins  von  Euren  Kindern  mit.“  Pi-Säu,  die  eine  Tochter,  begleitete  daher  Pi-Pair,  und  
 im  Fortgehen  versicherte  die  Riesin  dem  Vater  noch  einmal,  daß  das  Kind  am  anderen  
 Morgen  wieder  zurück  sein  werde.  Anstatt  das  Mädchen  aber  mit  ins  Feld  zu  nehmen,  
 führte  sie  es  zur  Höhle  der  Puk-Nitun,  genannt  Lian-Öen.  Vor  einer  hohen  Felswand  
 angekommen,  rief  sie  diese  an:  „Lian  no-pöka“,  d.  h.  „Höhle  öffne  dichl“  und  siehe  da,  
 die  Felswand  tat  sich  auf.  Die  beiden  standen  vor  einer  weiten,  dunklen  Höhle  und,  als  
 sie  hineingegangen  waren,  rief  die  Riesin wieder:  „Lian  no-säuk“,  d.  h.  „Felsentor falle  zu“.