sein. Damit verschwindet dann aber auch vielfach der bei den Scolopendern noch so scharf
ausgeprägte Unterschied zwischen dem Mesoderm der Metameren und demjenigen des Acrons
und Telsons.
Die einfache Entwicklungsweise der Mesodermschicht zeigt sich auch weiterhin bei Sco-
lopendra recht deutlich in dem Auftreten von ganz bestimmten Abschnitten an den Urseg-
menten, die sich in sehr gleichartiger und gesetzmässiger Weise an dem Aufbau der mesodermalen
Gewebe und Organe beteiligen. Hierbei ist besonders noch ein Umstand zu beachten,
nämlich die Thatsache, dass die Mesodermentwicklung, wenn man von den Genitalorganen
absieht, an der dorsalen und ventralen Seite sehr ähnlich, zum Teil sogar ganz entsprechend
verläuft. In der übereinstimmenden Bildungsweise der dorsalen und ventralen Körperhälfte
äussert sich wahrscheinlich ein Verhalten, das dem ursprünglich wohl für alle Arthropoden
gültigen Grundtypus entspricht.
Bei anderen Myriopoden ist die Entwicklungsgeschichte des Mesoderms noch nicht ausreichend
bekannt. Man wird indessen annehmen dürfen, dass wenigstens bei den übrigen
Chilopoden sich die Dinge ähnlich verhalten werden, wie ich dies für Scolopendra beschrieben
habe, wenn auch natürlich gelegentlich geringfügige Unterschiede Vorkommen mögen. In dieser
Hinsicht ist z. B. von Zograf (1883) mitgeteilt worden, dass bei Geophilus die anfänglich einschichtige
Mesodermlage dadurch zweischichtig wird, dass ihre lateralen Ränder sich umbiegen,
und dass es erst hierauf zur Bildung des Cöloms kommt.
Die b is h e r ig e n E r g e b n is s e an M y rio p o d e n u n d d en h in s ic h tlic h d e r Meso-
dermentw’ick lu n g g e ra d e am g e n au e s ten u n te rsu c h te n n ied e ren In s e k te n (O rth o p te
r e n u. a.) h a b e n a b e r d o ch j e d e n f a lls sc h o n s äm tlic h zu dem u n zw e if e lh a f te n
R e su lta t g e fü h rt, dass die Cö lomsäckchen in allen F ä lle n d u rch ein e b e stim m te
G ru p p ie ru n g d e r Z e lle n in n e rh a lb de r Mesod e rm sch ich t se lb s t zu Stande kommen,
d ass dag eg en die Cö lomsäckchen d e r g e n an n ten T ie re n iem a ls a ls D i v e r t i k e |
e in e s e n to d e rm a le n U rd a rm s a n g e le g t w e rd en . Diese charakteristische Entstehungsweise
des Cöloms bei Insekten und Myriopoden wird namentlich deswegen mit Notwendigkeit bedingt,
weil, wie ich oben in dem Abschnitt über die Keimblätterbildung dargelegt habe, ein weiter
Urdarm bei den betreffenden Arthropoden eben überhaupt gar nicht existiert, sondern durch
die centrale Dottermasse nebst den darin enthaltenen Dotterzellen oder Entodermzellen ersetzt
wird. Die Bildung mesodermaler Divertikel von der entodermalen Dottermasse aus,
würde aber natürlich ein Unding sein.
Ich würde es gar nicht für notwendig halten, auf diesen Punkt ausdrücklich hinzuweisen,
wenn nicht von Seiten namhafter Embryologen schon wiederholt und selbst noch neuerdings
der Versuch gemacht wäre, die Insekten zu Enterocöliern zu . stempeln und ihre Ursegmente
ähnlich wie bei den Chätognathen von einem sogenannten entodermalen Urdarm herzuleiten,
wobei man dann in irrtümlicher Weise die Mesodermrinne der Insekten für ein Urdarmrohr
gehalten hat. Scolopendra als Repräsentant der den Insektenvorfahren doch gewiss bis zu
einem gewissen Grade recht nahe stehenden Gruppe der Myriopoden, kann als Beleg dafür dienen,
wie wenig die Entwicklung der Chätognathen sich als Schema für die Insektenentwicklung verwerten
lässt, ganz abgesehen davon, dass die tief greifenden anatomischen und morphologischen Differenzen
zwischen Sagitta und den Insekten einen solchen Vergleich auch in ontogenetischer Hinsicht
nicht gerade als sehr glücklich gewählt erscheinen lassen. Ich brauche ferner wohl kaum
darauf hinzuweisen, dass auch sämtliche übrige Arthropoden (Arachnoidea, Crustácea, Xiphosura)
ebensowenig wie die Myriopoden Euterocölier sind und dass das gleiche auch für die mit den
Arthropoden nächstverwandten Coelomatier, die Anneliden und Onychophoren, zutreffend ist. Bei
allen diesen Tieren entsteht das Cölom nie durch Divertikelbildung von einem gemeinsamen
Hohlraum, sondern es wird stets durch Spaltung innerhalb der Mesodermschicht selbst gebildet.
N ic h t d ie m in d e s te n A n h a lts p u n k te sin d a lso d a f ü r v o rh a n d e n , d a s s in
d e r V o r f a h r e n r e ih e d e r In s e k te n o d e r a n d e r e r A r th ro p o d e n ü b e rh a u p t j e mals
e n te ro eö le F o rm e n g ew e s e n se ien . Wenn nun nach einigen Autoren die Mesodermentwicklung
bei gewissen Insekten in ganz entsprechender Weise wie bei enterocölen
Tieren erfolgen soll, so liegt die Unwahrscheinlichkeit einer solchen Deutung wohl ohne
weiteres auf der Hand. Abgesehen davon, dass die Mesodermrinne eben kein Urdarm (En-
teron) ist, so deutet auch die Entwicklung verwandter Formen darauf hin, dass es sich nicht
um Enterocölie handeln kann, sondern um Vorgänge die erst sekundär bei einigen holome-
tabolen Insekten erworben wurden und die höchstens nur eine gewisse oberflächliche Analogie
mit den Entwicklungserscheinungen typischer enterocöler Tiere darbieten.
2. Über die Gliederung des Cöloms.
Nach diesen allgemeinen Erörterungen mag ein spezieller Vergleich versucht werden
zwischen den verschiedenen Teilen, die sich an einem typischen Cölomsäckchen bei Scolopendra
unterscheiden lassen und denjenigen Cölomabschnitten, die bei Peripatus und bei den
Insekten beschrieben worden sind.
Wie ich schon oben ausgeführt
habe, sind bei Scolopendra
(vergl. Fig. XV) in der Regel vorhanden:
1 ) ein lateraler oder pe-
daler, teilweise in der Extremität
gelegener Cölomabschnitt (usl),
2) ein dorsaler (usd) und 3) ein
ventraler Abschnitt (usm). Die
beiden letzteren Abschnitte rücken
im Laufe der Entwicklung nach
der dorsalen bezw. ventralen Mittellinie
hin.
Sedgwick (1887) giebt an,
m e s u s]m
Fig. XV. Schematischer 'Transversalschnitt durch den Embryo von Scolopendra.
dass bei Peripatus capensis die Ur-
mes = Mesoderm, usd = dorsaler Ursegmentteil, usl = lateraler
segmenthöhle in zwei Abschnitte
Ursegmentteil, usm — ventraler Ursegmentteil.
zerfällt, in einen „dorsal part“ und in einen „ventral (appendicular) part“. Vergleicht man dies mit
dem Verhalten bei Scolopendra, so kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der erstere Teil
(Fig. XVI usd) dem dorsalen, der letztere Teil (Fig. XVI usl) dagegen nicht dem ventralen,
sondern dem lateralen Ursegmentabschnitt des Scolopenders vollkommen entspricht. Bei Peripatus
und Scolopendra liefert nämlich der dorsale (auch „dorsomedialer“ Abschnitt genannte)
Teil das Genitalcölom und gelangt hierbei an die Rückenfläche des Körpers, während der laterale
(oder pedale) Teil sich bei beiden Formen anfangs in die Extremitätenhöhle hinein erstreckt.
Zoologica. Heft SS. . 1 2