Ebenso interessant ist die Frage nach der Bedeutung des Apparates von Basalplatte,
Basalfasern, Zwischenzone und Lamellen, in welchen derjenige Teil des Zellleibes differenziert
ist, der innerhalb (proximal) der Wimperbüschel liegt. Was bezvrecken insbesondere die
Lamellen ? Ein kontinuierlicher Zusammenhang zwischen ihnen und den Prototrochmuskel- oder
Nervenfasern besteht sicherlich nicht. Es liegt eher ein Vergleich mit den intracellularen
Differenzierungen in Muskelfasern, elektrischen Organen und dergleichen nahe, welche ebenso
selbständig, d. h. unabhängig von extracellularen Geweben sind. Auch Kl einen berg (1. c.)
drängte sich bei der Lopadorhynchuslarve dieser Vergleich auf, wenngleich er sagt, dass das
Plasma der Wimperzellen nicht, wie es ihm m an chm a l s c h e in t, durch „dünne Platten“
„in schmale Fächer zerlegt“ sei (pag. 38), sondern aus „wirklich fadenförmigen Säulen dichten
Protoplasmas, die in weniger stark lichtstrahlendem Pr. eingebettet liegen“, bestehe. Ich vermute,
dass in diesem Falle der S c h e in recht hatte, meine Präparate von Lopadorhynchus-
larven zeigen mir zwar, da die Larven nicht für diesen Zweck konserviert waren, die Lamellen
noch nicht genügend deutlich. Ich sah aber deutliche Basalfasern mit Zwischenzone, wo
K le in e n b e rg „auch mit den vollkommensten Immersionssystemen keine Spur von Differenzierung“
sah, es ist daher zu hoffen, dass die heutige Technik auch über die wahre Struktur
der „Plasmasäulen“ wird Aufschluss geben können.
Noch erwähnen möchte ich den Befund E is ig s (1. c. pag. 66) bei Capitellalarven:
„Die die Cilien tragenden distalen Partien dieser Trochwimperzellen stellen jetzt überaus
regelmässig geformte, homogene Prismen von rhombischem Querschnitt dar, welche den
anscheinend nackten Kernen aufsitzen; letztere gehen in v e r zw e ig te A u s lä u f e r ü b e r ,
d ie i h r e r s e i t s s ic h in e in em dem T ro c h e c o n fo rm v e r la u f e n d e n L a r v e n m
u s k e l v e r l i e r e n . “ Ob diese Ausläufer mit den beschriebenen Lamellen etwas zu
thun haben und etwa nur scheinbar mit dem Ringmuskel verschmelzen, ist noch nicht zu
sagen.
Es ist überhaupt sehr schwer, die beschriebenen Strukturen auf die von so vielen
Autoren geschilderte Histologie anderer Wimperorgane zurückzuführen. Ohne auf die sehr
umfängliche Litteratur der Wimperzellen hier weiter eingehen zu wollen, sei doch einiges
hervorgehoben: erstens der ausserordentlich scharfe histologische und strukturelle Unterschied
der B a sa lfa se rn und der als Lam ellen beschriebenen Differenzierung der proximalen Hälfte
des Zellleibes. Beide Strukturen sind durch undifferenziertes Plasma getrennt. Ferner sind
wir seit E n g e lm an n gewohnt, innerhalb der Flimmerzellen einen Faserapparat zu finden,
der typischer Weise aus von den Basalkörperchen der Cilien nach der Zellbasis konvergierenden
Binnenfasern besteht. (Ausserdem sind jedoch, z. B. im Darmepithel von Helix,
auch parallel verlaufende Fasern u. a. von H e id e n h a in beschrieben worden.) Nun bietet
auch ein in der Ebene der Cilien geführter Schnitt durch die Polygordius-Wimperzellen ein
a u f fa lle n d k la r e s Bild von paralleler „Faserung“. (Taf. IV, 10.) Auf Eisenhämatoxylin-
Präparaten besonders heben sich die schwarzen Linien ausserordentlich scharf heraus. Es
erscheint daher wünschenswert zu prüfen, ob solche Bilder nicht auch sonst schon Fasern vorgetäuscht
haben mögen, wo Lamellen des Zellleibes vorhanden waren. Dass daneben echte
Fasern und Faserkegel (z. B. H e id e nh.ain, Anatom. Anzeiger 1899, p. 98 ff.) Vorkommen
können, braucht wohl nicht besonders betont werden.
Noch nie hat man einen Zusammenhang zwischen diesen Binnenstrukturen und nervösen
Gebilden nächweisen können, auch Apäthy*), obwohl es ihm gelang, in Anodonta-Darmzelleft
die „Fibrillenpinsel“ zu vergolden, sah keinen Zusammenhang zwischen diesen und den Neurofibrillen
der Umgebung.
Einstweilen gehört der Apparat der Wimperzellen wie zu den kompliziertesten so auch
sicherlich zu den dunkelsten Phänomenen der Zelle.**)
G. Das Nephridialsystem der Trochophora.
Neben den zahlreichen oben geschilderten Excretionszellen der Troche und der Larvenhaut
findet sich die von H a ts c h e k bei der Triester Larve entdeckte „Kopfniere“ oder
besser: Trochophora-Niere in hoher Ausbildung, jedoch in von den grundlegenden Befunden
dieses Autors abweichender Organisation. Während die „Kopfniere“ der Mittelmeerlarve aus
einem zweischenkligen Kanal und zwei Endgruppen von je zwei bis drei e in z e llig e n Köpfchen
besteht, von denen die eine Gruppe dem Retraktor, die andere dem oberen Rande der
Mesodermstreifen anliegt, besteht das Nephridialsystem der Helgoländer Trochophora aus zwei
ganz ungleichen-und voneinander, wie es scheint, unabhängigen Teilen. Die H a u p tn e p h r id ie n
sind zwei dem ventralen Hyposphärenepithel angeschmiegte mehrzellige Köpfchen mit je einem
einzelligen Ausführgang. Die „ S e ite n n e p h r id ie n “ sind zwei vielzellige Kanäle, die jeder-
seits der umgeschlagenen Seitenfalte der Rumpfanlage folgen, und ebenso wie jene zwei
Köpfchen mit „N e p h r id ia ltu b e n “ besetzt sind.
H a u p tn e p h r id ie n . (Taf. II, 1, 3—8.)
Jedes Köpfchen (Nephridialkörper) ist eiförmig gestaltet und mit dem spitzen Ende
an der Larvenwand befestigt, während das stumpfere Ende ins Blastocöl hineinragt. Jedoch
ist die Form ausserordentlich variabel, die Köpfchen können schlank
spindelförmig oder breit an das Hyposphärenepithel gedrückt erscheinen
— letzteres besonders bei reifen Larven —, auch kann ihr proximales
tubentragendes Ende in zwei Teile zerlegt sein. Dieses ist meistens mehr
oder weniger deutlich von dem distalen Abschnitt, welcher Exkret-
köriichen, Vakuolen und blaues Pigment enthält, durch eine Ringfurclie
getrennt, ,sein Plasma erscheint hell , die Kerne springen als Buckeln
zwischen den Tuben vor. Letztere sind das Interessanteste an dem
Hauptne- Ausiniindimgs- Anus
phriaium stelle larvae
Gebilde,, das einzige auch, was diesen Nephridien und denen der
Fig. 6. L a g e d e r v e n t
Mittelmeerlarve gemeinsam ist. Nur gehören dort mehrere Tuben einer
r a l e n N e p h r i d ie n z u r
R u m p f a n l a g e .
Zelle, dem Köpfchen, an, w’ährend hier eine jede mit ihrem Sockel ein e
(D iese sag ittal gesch n itten ,
Zelle repräsentiert, denn die Zahl der Kerne (7—9, später 13—15) entspricht
w obei eins d es H . N . längs
getroffen.)
derjenigen der Tuben, zwischen denen sie liegen. Der distale Abschnitt
des. Köpfchens stellt ebenfalls eine Zelle dar, sein rundlicher, heller Kern unterscheidet sich
' *) M itteilungen N eapl. S ta tio n 1897.
**) F ü r d ie im A n sch lu ss a n m eine B efu nde geäusserte. V erm utun g, d ass L am ellenb ild u n g in W im p erzellen au ch
b e i a n d e re n O b jek te n vo rk äm e u n d stellenw eise m it F ase rb ild u n g v erw ech selt sein kön ne, finde ich n ach A bsch lu ss dieses
K ap itels ein e B estätig u n g bei. E l l e r m a n n (A n at. A n zeig er X V I, pag . 590), E r k o n sta tie rte a u f Q u ersch n itten von H elix-
D arm zellen, d ass d ie a u f L än g ssch n itten v o rgetäu sch ten F a se rn in W irk lich k eit L e i s t e n sind, die ,jdurch ein e F a ltu n g d e r
Z elloberfläch e n a c h d e r L än g sach se“ g eb ild et w erd en. S ie sind viel niederer, als d ie V ertikalk ü lissen d e r Po l.-L arv e u n d
gleichen d e r am d istalen E n d e ih re r T ro ch w im p erzellen b esch rieb en en Z äh nelung.
Zoologica. Heit 34. 5