
Hieran ändert auch nichts der Umstand, dass bereits in frühen Entwicklungsstadien Zellen unter
das eigentliche Retinaepithel in die Tiefe sinken, und dass deren zugehörige Kerne noch im
ausgebildeten Auge ausserhalb der Netzhaut anzutreffen sind, Diese Zellen bezw. ihre Kerne
(Fig. 67 n. opt1) gehören bereits dem Nervus opticus an, dessen Ursprung vom Sinnesepithel
und dessen centripetales Wachstum bereits: oben von mir beschrieben ist.
Die rö h ren fö rm ig en oder g en au e r a u sg e d rü c k t h a ä rk eg e lfö rm ig en Stäb ch en
d e r R e tin a z e lle n la s s e n sich nach meinen E rg eb n iss en am eh e s ten in die R ubrik
d e r C u tic u la rb ild u n g en im w e ite ren Sinne e in re ih en , sie e n ts te h e n du rch eine Verl
d ickung de r Z e llcu tic u la und b ild e n sich mithin wohl zweifellos du rch Umwandlung
de r p e rip h e re n P la sm a p a rtie n de r Zelle. In dieser Beziehung gleichen die Stäbchen
des Scolopenderauges denjenigen in den Ocellen der Dytiscuslarve, welche nach der Beschreibung
von Grenacher (1879) ebenfalls als röhrenförmige Cuticularbildungen aufgefasst
werden können.
Die Elemente der noch sehr einfachen und unvollkommenen Sehorgane, wie sie bei
d enpreben genannten Tracheaten Vorkommen, erinnern damit in ihrem morphologischen Bau
an diejenigen anderer Sinnesorgane wie der Tastorgane, der chemischen Skincsdrgnne u. s. w.
Auch die Tastzellen, Riechzellen und viele andere Sinneszellen der Arthropoden stellen nichts
anderes als mit Nerven verbundene Zellen dar, welche einen haarförmigen oder kegelförmigen
mit Plasma erfüllten cuticularen Fortsatz tragen. Diese Sinnesförtsätze stehen entweder frei
an der Körperoberfläche vor, vielfach sind sie aber auch, gerade wie dies bei den Lichtsinneszellen
des Auges mit ihren „Stäbchen“ der Fall ist, bereits in. die Tiefe eingesunken, um
dort eine geschützte L a g e rn d vor allem Unabhängigkeit von den periodischen Häutungsvorgängen
zu gewinnen. Vielleicht kann man annehmen, dass selche Haarzellen läjfer Brichöjjiii
gebilde überhaupt die für die Arthropoden charakteristischen Formen der Sinneselemente sind.
Wie weit letzteres nun auch für die stäbchentragenden Retinazellen zutrifft, werden freilich
weitere Untersuchungen noch entscheiden müssen. Jedenfalls; dürfte aber feststehen, dass bei
den Arthropoden in sehr vielen Fällen die ursprünglich einfache Plasmafortsätze sensibler Zellen
darstellenden Sinneselemente eine -mehr oder minder weitgehende Cuticularisierung erfahren
haben.
Auf die physiologisch geringe Leistungsfähigkeit des Scolopenderauges ist schon von
Grenacher (1880) aufmerksam gemacht worden. Da die Sehstäbchen nicht dur.ch Pigmentscheiden
isoliert sind, und sie infolge ihrer eigenartigen Lagerung auch stets gleichzeitig in
grösserer Zahl von den einfallenden Lichtstrahlen erregt werden müssen, so ist ein scharfes
Sehen absolut unmöglich, übrigens bei der nächtlichen Lebensweise der Tiere auch nicht
erforderlich.
Beim Aufsuchen der Beute lassen sich nach meinen Beobachtungen die Scolopender
vorzugsweise durch den chemischen Sinn (Geruchsorgane) leiten, der seinen Sitz namentlich
in den Antennen hat. Durch zitternde und tastende Bewegungen der Antennen vermögen
sie jedenfalls ohne grosse Schwierigkeit unbeweglich liegende oder getötete Beuteobjekte aufzuspüren.
Zum Erkennen der Bewegungen grösserer Beutetiere mögen ausserdem auch die
Augen benützt werden.
Gegen die Einwirkung von Licht zeigen sich die Scolopender ausserordentlich empfindlich.
Tiere, die in der Nacht künstlichem Licht ausgesetzt werden, flüchten in der Regel sehr
bald in ihre Verstecke zurück und tragen, sofern sie beim Fressen durch Licht gestört werden,
nicht selten kleine Beutestücke, wie ich vielfach beobachtet habe, mit in die dunklen Schlupfwinkel
hinein, um sie dort ungestört verspeisen zu können. Dass aber der Lichtsinn jedenfalls
nicht ausschliesslich in den Augen seinen Sitz haben kann, geht wohl zur Genüge aus
den bekannten Versuchen von Plateau (1887) an blinden Myriopoden hervor, welche sich
geradeso lichtempfindlich zeigten, wie ihre mit Augen versehenen Verwandten.
G. Dorsalorgan.
1. Untersuchungen an Scolopendra.
Obwohl fast die gesamte ektodermal#| ¡Zellenschicht, welche nach der. Ablösung des
Mesoderms und anderer innerer Organanlagen noch an der Oberfläche des Embryos zurückgeblieben
ist, zur Bildung der Körperhaut Verwendung findet, so gilt dies doch nicht durchweg.
Eine ganz- bestimmte Partie des embryonalen Ektoderms, welche hier noch näher beschrieben
werden soll, macht in dieser Hinsicht eine Ausnahme.
Während der Keimstreif in das Stadium der dorsalen Krümmung übergeht, erscheint
vor seinem Kopfende in dem embryonalen bezw. dorsalen Bezirk des Eies ein eigentümliches
Gebilde. Dasselbe, welches Dorsalorgan heissen mag, besitzt wie Fig. 22 (dorg) zeigt, ungefähr
die Gestalt eines Halbmondes, dessen konkave Seite stets dem Kopf zugewendet ist.
Das Dorsalorgan wird von den Zellen der Membrana dorsalis gebildet, die wie oben erwähnt
wurde eine dünne serosaähnliche Ektodermschicht darstellt. Zwischen der Membrana dorsalis
und dem Keimstreifektoderm ist keine scharfe Grenze zu ziehen, beide gehen ineinander über
und erstere kann von dem letzteren nur topographisch aber kaum morphologisch unterschieden
werden, da beide Abschnitte sich später an der Bildung der Tergite beteiligen.
Infolge dieses innigen Zusammenhanges zwischen Keimstreifektoderm und Dorsalhaut
ist es nun leicht erklärlich, dass die letztere bei den Lageveränderungen des Keimstreifs,
welche zu seiner ventralen Einkrümmung führen, ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen werden
muss. Wenn die Seitenhälften des Keimstreifs auseinander weichen und eine Verkürzung der
Längsachse desselben eintritt, wird natürlich zugleich auch eine Zugwirkung auf die vorn und
hinten mit dem Keimstreif im Zusammenhang stehenden Teile der Dorsalhaut ausgeübt werden.
Offenbar steht es mit letzteren Vorgängen in Verbindung, dass gerade in dieser Zeit eigentümliche
faltenartige Verdickungen in der Dorsalhaut erscheinen. Stets sind diese Verdickungen
halbkreisförmig gestaltet und umgeben konzentrisch sowohl das Vorder- wie das Hinterende
des Körpers. Besonders deutlich pflegen sie aber an dem ersteren sich auszubilden,
und zwar erscheint regelmässig in einiger Entfernung vor dem Kopf eine breite halbmondförmige
Verdickung, die das oben erwähnte Dorsalorgan darstellt.
Während die übrigen Verdickungen der Dorsalhaut sich bald wieder ausgleichen oder
doch jedenfalls im weiteren Entwicklungsverlaufe keine nachweisbare Rolle mehr spielen, so
handelt es sich bei dem Dorsalorgan um ein ganz konstant auftretendes Gebilde, welches auch