man von diesem Gesichtspunkt aus den bei dem genannten Myriopoden sich noch vorfindenden
zweiten Akt d e r. Differenzierung der beiden primären Keimblätter von einander, die circum-
polare Sonderung, auffassen soll. Die Erklärung scheint mir nahe zu liegen, denn auch bei
der Gastrulation epibbler Annelideneier sind bekanntlich genau genommen zwei Phasen zu
unterscheiden, die natürlich unmittelbar miteinander Zusammenhängen, einmal der eigentliche Um-
wachsungsvorgang (Epibolie) der .dotterhaltigen Macromeren von den Micromeren, und zweitens
sich daran anschliessend dielnvagination des.Entoderms am vegetativen Pol. Der letztere Vorgang,
der mit der circumpolaren Einwanderung von Scolopendra verglichen, werden kann, findet sich
jedenfalls bei vielen Anneliden, er ist dort schon seit längerer Zeit bekannt und ist' in neuerer Zeit
namentlich von .Mead (1897) bei Amphitrite und einigen anderen Polychäten genauer beschrieben
worden. . '
. Am vegetativen Eipol, an der Stelle wo der Blastoporus auftritt, pflegt bei den Anneliden
eine sog. Entodermplatte vorhanden zu sein, an deren Bildung ausser den Überresten der vier
Macromeren auch noch eine variierende Zahl von Entodermzellen beteiligt sein kann. Nach
Beendigung der Epibolie treten alsdann die. entodermalen Blastomeren in das Innere des Eies,
um dort zusammen mit den vier primären Macromeren bezw. deren Teilprodukten den Mitteldarm
zu bilden. Bei der Furchung, der Annelideneier werden also am vegetativen Pol von
den Macromeren Entodermzellen abgetrennt, welche anfangs noch oberflächlich liegen und
erst bei dem Gastrulatiohsakt in die Tiefe rücken.
.Obwohl bei den Anneliden die erwähnten Entodermzellen immer nur in geringer Anzahl
an der Eioberfläche vorhanden sind, so liegt es doch nahe, sie mit denjenigen Entodermzellen
zu vergleichen, die bei Scolopendra auch noch ausser
den Macromeren Vorkommen und erst während der
circumpolaren Immigration in die Tiefe wandern.
Das bei Würmern und Myriopoden im Prinzip
jedenfalls recht ähnliche Verhalten habe ich in den
beistehenden beiden schematischen Figuren zu veranschaulichen
versucht. Fig. IV zeigt das Ei eines
annelidenartigen Tieres imGastrulastadium. Im Innern
befindet sich eine Furchungshöhle, welche bei manchen
Anneliden bekanntlich sehr gross sein kann, während
sie anderen gänzlich fehlt. Am vegetativen Eipol erkennt
man einmal eine Einstülpung der dotterreichen
entodermalen Macromeren, und ferner geht daselbst
auch noch eine Einwanderung einer Anzahl kleiner
Entodermzellen (enc) vor sich, die von der Oberfläche
aus in das Innere des Eies eindringen, resp. durch
Umwachsung seitens der ektodermalen. Micromeren
in die Tiefe gedrängt werden.
Fig. IV.
Schematische Darstellung von der Sonderung
der beiden primären. Keimblätter bei einem
Anneliden, ek g=Sektodermale Micromeren,
dp = entodermale Macromeren, enc — ento-
dermale Micromeren, fh = Furchungshöhle.
Fig. V giebt. ein schematisches Bild von dem entsprechenden Stadium eines Scolopendereies,
welches zeigt, dass hier keine Furchungshöhle mehr vorkommt. Die dotterreichen entodermalen
Macromeren füllen in diesem Falle den ganzen Hohlraum des Eies aus, an dessen vegetativer
Seite aus der oberflächlichen Schicht sich gleichfalls kleinere Entodermzellen (enc) ablösen, um
in die Tiefe einzuwandern und hiermit an der Bildung des inneren Keimblatts teilzunehmen.
Bei der circumpolaren Immigration von Scolopendra handelt es sich also meiner Auffassung
nach um eine Phase der Gastrulation, bei der allerdings die Zellen des inneren Blatts
nicht allein unmittelbar am vegetativen Pole (Blastoporus, Keimstelle) wie bei den Würmern
abgetr.ennt werden, sondern bei welcher diese Abtrennung von Entodermzellen bereits über
einen etwas grösseren Abschnitt der vegetativen Ei-
Oberfläche sich ausdehnt. Die ursprünglich wohl nur
auf den Pol beschränkte Immigration der Entoderm- / \< y - ' • • ■ V
zellen ist hiermit also beim Scöiöpender zu einer im [*/■'' X \. ■ ' • • ■ A r \
wesentlichen circumpolaren Immigration geworden. cu O j ^ ^
Abgesehen von dieser Abweichung, die |'°j./ .'--r-. 1 ’•; .
zweifellos nur eine graduelle ist, ergiebt sich nun Wv - ' • ’/ A ' X - A A g n f
aber noch ein zweiter Unterschied, der zwar mehr W ’s '' . X • • Tvy
auf physiologischem als auf morphologischem Ge- I ; ’
biete sich befindet, aber dennoch Interesse bean- cnc
sprachen dürfte. Bei den Anneliden nehmen am —
Aufbau des Körpers nicht nur die Entodermzellen, Fi&-vj
i v j ,, i i .. t\ t i Schematische sondern auch die dotterhaltigen Macromeren oder , • „D arstevll u•n gs:§ vlo®n de-ru S•o nod eriu ng djer & beiden primären Keimblätter bei Scolopendra.
doch deren direkte Abkömmlinge Anteil. Bei: ek = ektodermale Micromeren (Blastodermzellen),
Scolopendra dagegen gehen, wie ich vorausschicken dp = entodermaleMacromeren(Dotterpyramiden),
. enc = entodermale Micromeren. will und unten in dem Abschnitt über die Darmentwicklung
noch genauer darlegen werde, , nicht nur die Dotterpyramiden (Macromeren) mit
ihren centralen Dotterkernen zu Grunde, sondern auch ein Teil der bei *der circumpolaren
Immigration entstehenden Zellen wandelt sich gleich anfangs zu später ebenfalls zerfallenden
Dotterzellen um, und nur der noch übrige Rest der bei der in Rede stehenden Einwanderung
ins Innere gelangenden Zellen liefert definitives Entoderm. Im „Laufe der Ontogenie von
Scolopendra wird also ein erheblicher Teil des Entoderms zur Bewältigung der umfangreichen
Dottermasse aufgebraucht, während dies bei den Anneliden, den bisherigen Beobachtungen
nach zu urteilen, nicht der Fall ist.
Bei Scolopendra findet in Verbindung mit der circumpolaren Einwanderung von Dotterzellen
und Entodermzellen auch die Immigration einzelner isolierter Mesenchymzellen statt,
deren Ablösung aus dem Ektoderm (Blastoderm) aber nicht nur an der vegetativen Hälfte des
Eies, sondern auch an allen übrigen (animalen und dorsalen) Bezirken desselben vor sich geht.
Es ist nicht schwer, auch hierfür bei niederen Tieren ein Analogon zu finden; ich erinnere
an das weit verbreitete Vorkommen von Mesenchymelementen in der Trochophoralarve, die sich
wahrscheinlich auch zum grossen Teile direkt aus der Ektodermschicht herleiten.
F a s s t man d a s R e s u l ta t d e r v o r s te h e n d e n E r ö r te r u n g e n zu sam m en , so
e rg ie b t s ic h , d a s s d ie F u r c h u n g u n d K e im b lä tte rb ild ü n g von S c o lo p e n d r a
t r o t z d e r e ig e n tüm lic h e n F o rm , in d e r sie sich be im e r s t e n B lick e d a rzu ste llen
s c h e in t, d o ch o h n e S c hw ie r ig k e it a u f d ie e n ts p r e c h e n d e n E n tw ic k lu n g s p
r o z e s s e n i e d e r e r T ie r e , und zwar namen tlich von An n e lid en , w e n ig s te n s in den
G ru n d z ü g e n , z u rü c k z u fü h r e n ist. Die e in g e t r e t e n e n V e r ä n d e ru n g e n s in d be i
dem g e n a n n te n M y rio p o d e n le ic h t in a n b e t r ä c h t d e s g ew a ltig e n R e ic h tum s .
an E id o t t e r v e r s tä n d lic h zu fin d en . Die be i S c o lo p e n d r a d u rc h d ie in tr a v ite l-
Zoologica. Heft 83. 4