Bei den Onychophoren ist zu beachten, dass nach v. Kennel (1885) bei Peripcitus edwardsi
die Einwucherung der Keimblätter ebenfalls an einer ganz bestimmten Stelle (Blastoporus)
vor sich geht, die stets der Anheftungsstelle am Uterusepithel gegenüber liegt. Ferner dürfte
auch wohl die von Sheldon (1889) an dem einen Eipol von Peripatxis novae - zealandiae
nachgewiesene Zellenwucherung, die mit einer Einstülpung verbunden ist, mit der an der
Keimstelle bei Scolopendra vor sich gehenden Zellenbildung vergleichbar sein, wenigstens
scheint dies aus den von der Verfasserin in dieser Hinsicht gemachten Angaben hervorzugehen.
So weit reicht ungefähr das thatsächliche Vergleichsmaterial bei den zunächst in Betracht
kommenden verwandten Tierformen. Es wird sich nun darum handeln, die an Scolopendra
gewonnenen Ergebnisse mit dem für andere Tiergruppen aufgestellten Entwicklungsschema
(Blastula, Gastrula) zu vergleichen. Zu diesem Zwecke ist es erforderlich, zunächst ein richtiges
Verständnis von der Furchung der in Rede stehenden dotterreichen Arthropodeneier zu gewinnen.
Hinsichtlich der Entstehung der Dotterzellen sind speziell bei den Insekten verschiedene
Modifikationen beobachtet worden. Es können von Anfang an Furchungszellen im Dotter
Zurückbleiben und zu Dotterzellen werden, es können sämtliche Furchungszellen die Oberfläche
erreichen, und die Dotterzellen alsdann durch nachträgliche Einwanderung gebildet werden,
endlich kann auch beides zugleich Vorkommen, wie ich (1895 a) für gewisse Orthopteren gezeigt
habe. In der Regel ist nun bisher die Auffassung vertreten worden, dass das Emporsteigen
sämtlicher Furchungselemente zur Eioberfläche das primitive Verhalten repräsentiert, während
im Zurückbleiben eines Teiles dieser Zellen im Nahrungsdotter ein mehr abgeleitetes Verhalten
sich aussprechen solle.
Dieser Meinung möchte ich mich nicht anschliessen, sondern es scheint mir in dieser
Beziehung die Ansicht den Vorzug zu verdienen, dass das Zurückbleiben einer Anzahl von
Furchungszellen bezw. Furchungskernen im Nahrungsdotter ein ursprüngliches Verhalten darstellt.
Die beim Scolopenderei sich vorfindenden centralen Furchungskerne sind als die Zellkerne
der Dotterpyramiden zu betrachten, so dass demnach der Dotter bei dieser Form,
wenngleich auch nur unvollkommen, segmentiert wird, d. h. aus einer Anzahl sehr grösser mit
Dotter gefüllter, pyramidenförmiger Zellen besteht, die man gewissermassen als Macromeren
auf fassen kann.
Ähnliche Verhältnisse kommen auch bei Insekten vor, bei denen, selbst in der Gruppe
der Pterygota, eine, wenn auch freilich meist spät erfolgende Dottersegmentierung eine bekannte
Erscheinung ist. Sehr deutlich zeigt sich aber namentlich die letztere bei Eiern von Collembolen,
bei welchen bereits am Anfang der Entwicklung das Dottermaterial in wohl abgegrenzte
Blastomeren eingeschlossen werden kann.
Wenn also bei gewissen Insekten, wie z. B. bei Gryllotalpa, und, wie G ia rd in a (1897)
beobachtet hat, auch bei Mantis sämtliche Furchungselemente die Oberfläche erreichen, und
erst hierauf eine partielle Rückwanderung von Zellen eintritt, die dann erst im Stande sind,
den Dotter zu bewältigen und letzteren in sich aufzunehmen, so dürfte ein derartiges Verhalten
als ein sekundär modifiziertes bezeichnet werden müssen. Der ursprüngliche Entwicklungstypus
besteht vermutlich darin, dass der Dotter bereits bei den ersten Teilungen abgefurcht wurde,
dass die Dottersubstanz nicht inteircellulär, sondern intracellulär verblieb, und dass mithin die
Segmentation eine totale war.
Letzteres ist bei Scolopendra allerdings nicht mehr der Fall, doch werden durch die
intravitelline Sonderung die dotterhaltigen Macromeren (Dotterpyramiden) von kleineren Zellen,
den Micromeren oder Intercalarzellen, abgetrennt. Die Macromeren sind zweifellos als dem
inneren Keimblatte oder Entoderm zugehörig zu betrachten, denn sie sind es ja, die zunächst
das gesamte Nährmaterial in sich enthalten. Mit dem Auftreten der pyramidenförmigen
Macromeren hat indessen die Keimblätterbildung noch nicht ihren Abschluss gefunden, indem
die an die Oberfläche gelangenden kleinen Zellen oder Blastodermzellen, wie sie fortan genannt
werden müssen, auch noch weiterhin Entodermelemente liefern. Letzteres geschieht durch
den von mir als circumpolare Immigration bezeichneten Vorgang, der, bei der Keimstelle
beginnend, namentlich an der vegetativen Hälfte des Eies sich abspielt.
Die in tr a v i te ll in e u n d c ir c um p o la r e S o n d e ru n g zu sam m en fü h re n a lso
b e i S c o lo p e n d r a zu e in e r e n d g ü ltig e n T r e n n u n g d e r e n to d e rm a le n B e s ta n d te
ile von d en e k to d e rm a le n , s ie b e d in g e n die D if f e r e n z ie ru n g d e r b e id e n
p r im ä r e n K e im b lä tte r von e in a n d e r , u n d b e id e V o rg än g e h a t man a lso g em e in sam
a ls G a s tr u la tio n a u fz u fa s s e n .
Es ist klar, dass ein Vergleich mit einer Invaginationsgastrula nicht zulässig ist, denn
bei der Entwicklung von Scolopendra ist niemals auch nur die leiseste Andeutung einer
Furchungshöhle vorhanden, und überdies kommt es ja auch bei den beschriebenen Bildungsprozessen
niemals zu einer zusammenhängenden Einstülpung von Zellen.
Der einzigste Vergleich, der berechtigt erscheint, ist der mit einer epibolischen Gastrula,
ähnlich wie man sie bei vielen Würmern vor Augen hat. Freilich muss man berücksichtigen,
dass bei Scolopendra diese Gastrulation offenbar durch die gewaltige Dottermasse des Eies
erheblich modifiziert ist. Die Epibolie würde in diesem Falle dargestellt werden durch die
intravitelline Sonderung, d. h. durch die Abtrennung kleiner mikromerenartiger Zellen (Intercalarzellen)
von den grossen Dotterpyramiden oder Macromeren, und durch die darauf folgende
Überwachsung der letzteren von den ersteren.
Dass die Abschnürung der Micromeren intravitellin, d. h. nicht wie üblich an der Peripherie
des Eies, sondern im Innern desselben vor sich geht, erscheint hierbei von untergeordneter
Bedeutung, da die Abschnürung immerhin an den trennenden'Furchen zwischen den dotterreichen
Blastomeren sich vollzieht. Allein ein charakteristischer Zug einer epibolischen Gastrula,
nämlich die fortschreitende Differenzierung vom animalen zum vegetativen Pol ist bei Scolopendra
verwischt, denn man würde doch dem Schema entsprechend erwarten müssen, dass die Ausbildung
des Blastoderms zuerst äm animalen Pol beginnen und von dort sich allmählich zur
vegetativen Seite ausbreiten müsste. Wenn es auch nicht ausgeschlossen ist, dass bei Scol.
cing. noch eine Andeutung hiervon vorhanden ist, so konnte ich doch einen derartigen Vorgang
nicht mit Bestimmtheit nachweisen. Es ist aber von Interesse, dass bei den sehr dotterreichen
Eiern von Peripatus novae-zealandiae, dessen Entwicklung sich allem Anschein nach am engsten
an diejenige der Arthropoden anschliesst, durch Sheldon (1889) eine als Epibolie aufgefasste
Umwachsung der Dotterzellen nachgewiesen worden ist, welche thatsächlich am animalen Teile
des Eies von einer „polar areac< ihren. Ausgang nimmt.
Unter Berücksichtigung dieses letzteren Verhaltens dürfte es immerhin vielleicht doch
zulässig sein, die Blastodermbildung als. eine modifizierte Epibolie zu deuten.
Wenn man die zur Blastodermbildung führende intravitelline Sonderung der Embryonalzellen
von Scolopendra mit einer Epibolie wurmartiger Tiere vergleicht, so fragt es sich, wie