
die A u fg a b e h a b e n , d ie von a u s s e n a u fg e n om m e n e N a h ru n g zu v e rd a u e n , u n d
n a ch d e r s c h lie s s lic h au ch n a tu rg em ä s s e in t r e t e n d e n A u fb r a u c h u n g d e r D a rm e
p ith e lz e lle n fin d e n d ie l e t z t e r e n ih r e r s e i t s d a n n a u ch w e ite r h in d u rc h d ie
n o ch u n d if f e r e n z ie r t g e b lie b e n e n in dem D a rm e p ith e l e in g e s c h lo s s e n e n E n to -
d e rm e lem e n te im m e r w ie d e r e in e n s u c c e s s iv e n E r s a tz . Man wird demnach sagen
können, dass bei den in Rede stehenden Chilopoden die embryonalen Dotterzellen nichts
anderes als frühzeitig differenzierte und daher auch zuerst in Funktion tretende Entodermzellen
sind. Fussend auf diese Ergebnisse scheint es mir nicht schwierig zu sein, das richtige Verständnis
für die in der Regel etwas mehr verwickelten Bildungsvorgänge bei den Insekten zu finden.
Auch bei den Insekten finden sich Dotterzellen vor, und nachdem man bereits früher,
allerdings nur vermutungsweise und unter Bezugnahme auf analoge Verhältnisse bei anderen
Tieren, diese Zellen als Entoderm zu deuten versucht hatte, vermochte ich zuerst den that-
sächlichen Nachweis zu führen (1897, 1897 a), dass die Dotterzellen das Entoderm der Insekten
repräsentieren. Es ergab sich nämlich, dass bei niederen Insekten (Apterygota) die
resorbierenden Darmepithelien direkt aus den Dotterzellen hervorgehen, gerade wie in der
Regel bei den Metazoen der Mitteldarm aus dem Entoderm sich zu entwickeln pflegt. Letzteres
ist z. B. bei der Thysanure Lepisma saccharina der Fall. Bei den Embryonen dieser Form
ist der Dotter segmentiert, indem er aus zahlreichen grossen Zellen besteht, in derem Zellplasma
der Nahrungsdotter aufgespeichert ist. Gegen Ende des Embryonallebens legen sich
die Dotterzellen an die Muscularis des Mitteldarms an und stellen die Epithelschicht desselben
dar. Hierauf kommt es zu einem partiellen Zerfall der Dotterzellen oder Darmzellen, welche
in die Darmhöhle gelangen und dort zu Grunde gehen. Von dem Untergange bleibt bei
Lepisma nur eine gewisse Anzahl kleinerer Zellen verschont, die von mir als Darmbildungszellen
beschrieben wurden. Die letzteren sind Dotterzellen (Entodermzellen), welche wenig
oder vielleicht gar keinen Dotter in sich enthielten und sich an den Assimilationsvorgängen
daher nicht oder nur unwesentlich beteiligten. Von ihnen aus geht die Regeneration des
Darmepithels von statten und sie erhalten sich auch späterhin noch in Form von embryonalen
Regenerationscentren oder Kryptenzellen.
Die Übereinstimmung in der Entwicklung des Entoderms bei Lepisma und Scolopendra
liegt auf der Hand. Bei beiden Formen wird ein Teil des primären Entoderms zu Dotterzellen
und ein anderer Teil desselben Keimblatts, der bei der eigentlichen Dotterresorption
unbeteiligt geblieben war, liefert das Darmepithel. In beiden Fällen, sowohl bei dem genannten
Myriopoden wie bei der in Rede stehenden Thysanure, ist zwischen den Dotterzellen einerseits
und den Entodermzellen andererseits keine Grenze zu ziehen, indem diese Zellen an
übereinstimmenden Stellen auftreten und sich gemeinsam auf die gleiche Embryonalschicht
(das innere Keimblatt) zurückführen lassen.
Ich habe oben gesagt, dass für die Gruppe der Insekten durch die Untersuchungen an
Lepisma saccharina zum erstenmale mit Sicherheit und Bestimmtheit das Entoderm als solches
nachgewiesen worden ist.
Hiermit scheint in Widerspruch zu stehen, dass man bekanntlich bei höher organisierten
Insekten schon längst vorher „Entoderm“ beschrieben und die Beteiligung desselben an der
Bildung des Mitteldarms festgestellt hatte.
Obwohl selbst in neuerer Zeit eine Anzahl von Autoren noch immer an der Anschauung
festhält, dass dieses sog. „Entoderm“ höherer Insekten dem Entoderm anderer Arthropoden
und niederer Tiere nicht nur funktionell gleichwertig, sondern auch im morphologischen Sinne
homolog sei, so scheint mir doch eine unbefangene Betrachtung der thatsächlichen Entwicklungsvorgänge
überzeugend dafür zu sprechen, dass ein derartiger Vergleich nicht ohne weiteres
zulässig ist.
Derjenige Teil, welcher bei den Embryonen höherer (pterygoter) Insekten als „Entoderm“
beschrieben worden ist, ist etwas anderes als dasjenige, was ich früher (1897) bei Lepisma
und jetzt bei Scolopendra mit diesem Namen belegt habe. Während bei den letztgenannten
Formen das entodermale Mitteldarmepithel aus derselben Embryonalschicht wie die Dotterzellen
hervorgeht, entsteht das Mitteldarmepithel bei den pterygoten Insekten aus zwei Anlagen,
die noch mehr oder minder deutlich ihren Zusammenhang mit dem ektodermalen Stomatodäum
und Proctodäum zu erkennen geben, oder sich doch auf das äussere Keimblatt zurückführen
lassen1). Während das Epithel des Mitteldarms bei Thysanuren (Lepisma) und Myriopoden
(Scolopendra) an verschiedenen Stellen auftritt, gewissermassen also multipolar ist, da es von
vorn herein im ganzen Umkreise des Nahrungsdotters sich differenziert, so besitzt es bei
den bisher untersuchten pterygoten Insekten einen ausgesprochen bipolaren Ursprung, d. h.
das Mitteldarmepithel entspringt stets von zwei ganz bestimmten einander gegenüberliegenden
Punkten, die den proximalen Enden von Vorder- und Enddarm entsprechen.
Die vordere und hintere Mitteldarmanlage pterygoter Insekten kann unter diesen Umständen
nicht als „Entoderm“ bezeichnet und mit dem Entoderm niederer Tiere verglichen
werden. Die ganze Entstehungswreise dieser vorderen und hinteren Mitteldarmanlage spricht
vielmehr dafür, dass es sich hier um Gebilde handelt, die erst sekundär zustande gekommen
sind und welche daher natürlich auch nicht mit dem primären inneren Keimblatte anderer
Tiere übereinstimmen.
Bei der Tragweite eines solchen Schlusses, für den ich allerdings schon in einer früheren
Arbeit (1895a) die thatsächlichen Belege erbracht zu haben glaube, halte ich es für meine
Pflicht, an dieser Stelle noch einen Einwand zu berücksichtigen, der möglicherweise wenigstens
erhoben werden könnte. Man könnte nämlich vielleicht auf die Vermutung kommen, dass
die für Scolopendra beschriebene Entodermscheibe der hinteren Mitteldarmanlage der Insekten
entspräche, und dass also auch die letztere nicht ektodermal sei, sondern wie die Entodermscheibe
des Scolopenders von entodermaler Beschaffenheit wäre.
Die Entodermscheibe von Scolopendra und die hintere Mitteldarmanlage der Pterygoten
sind jedoch heterogene Bildungen, die morphologisch nicht miteinander zu vergleichen sind.
Die Gründe hierfür gehen grösstenteils wohl schon zur Genüge aus den obigen Auseinandersetzungen
hervor, doch mag hier noch ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass bei Scolopendra
die Entodermscheibe in sofern eine durchaus selbständige Bildung ist, als sie nirgends
mit dem Epithel des Enddarms durch Übergangszellen in organischem Zusammenhänge sich
befindet. Demgegenüber pflegt die hintere Mitteldarmanlage der Insekten, wie in zahlreichen
Fällen mit Evidenz nachgewiesen ist, nur und allein auf Kosten des ektodermalen Procto-
1) Es gilt dies wenigstens für alle Pterygota, deren Darmbildung bis jetzt genauer untersucht wurde. Natürlich
ist es aber nicht ausgeschlossen, dass unter den pterygoten Insekten noch einzelne Paurometabola und Hemimetabola
(Odonaten) sich finden können, die hinsichtlich ihrer Darmbildung an Thysanuren sich anschliessen und wie diese auch
noch einen entodermalen Mitteldarm besitzen mögen.