a u sse rd em noch h e rv o rtr e te n k ö n n en , keine G a s tru la tio n e n mehr sind, d.h. dass
sie eben mit d e r Bildung des in n e ren K e im b la tte s (Entoderms) n ich ts mehr zu
th u n haben.
Bekanntlich ist von vielen Forschern aber gerade für die Insekten eine Invaginations-
gastrula beschrieben worden, eine Auffassung, welche ich bereits früher bekämpft hatte (1895a),
die jedoch bei der günstigen Aufnahme, welche sie bei der Mehrzahl der Zoologen gefunden
und bei dem Interesse, das diesem Problem wohl an sich zukommt, mich veranlasst, noch
einmal die Sachlage zu beleuchten. Die Streitfrage betrifft namentlich das Vorhandensein
einer Gastrularinne und Urdarmeinstülpung bei den Insekten, welche von zahlreichen Forschern
angenommen, von mir und einigen anderen Autoren aber mit Bestimmtheit in Abrede gestellt
worden ist. Zur Beurteilung dieser Verhältnisse ist es zweifellos beachtenswert, dass gerade
ein charakteristischer Zug bei der Differenzierung der Keimblätter von Scolopendra in dem
vollkommenen Fehlen einer jeden Einstülpung oder Rinnenbildung sich zu erkennen giebt.
Selbst nicht einmal bei der ziemlich lebhaften Zellvermehrung an der Keimstelle erscheint
eine solche Einstülpung. Ich betone dies Verhalten deswegen, weil nach den bisherigen
Angaben bei Geophilusembryonen in der ventralen Mittellinie eine Längsfurche sich ausbilden
soll, welche man bisher in der That denn auch geneigt war, als Ausdruck einer Gastrulation
anzusehen (Korschelt und H e id e r 1892). Es scheint mir jedoch zweifellos, dass man sich hierbei
von theoretischen Vorurteilen hat leiten lassen. Wenn bei anderen Chilopoden, woran wohl nicht
zu zweifeln ist, die Sonderung der Keimblätter auch nur annähernd in ähnlicher Weise sich
abspielt, wie ich sie bei Scolopendra beobachtet habe, so ist es sicher, dass eine solche Rinne,
deren 'Beziehung zur Keimblätterbildung übrigens bei Geophilus überhaupt auch noch ausserordentlich
fraglich und in keiner Weise erwiesen ist, unmöglich irgend etwas mit der Bildung
des Entoderms zu thun haben kann.
Das Verhalten von Scolopendra stimmt nun vollkommen mit dem zahlreicher niederer
Insekten überein, bei denen ebenfalls jede Andeutung einer Invagination vollkommen fehlt.
D ie s e F ä lle d ü r f te n s c h o n z u r G e n ü g e z e ig e n , d a s s in ty p is c h e r W e is e be i
d en T r a c h e a t e n (Myriopoda, Insecta) die S o n d e ru n g d e r b e id e n p r im ä r e n Em b
r y o n a ls c h ic h te n , d e s E k to d e rm s urtd E n to d e rm s , von e in a n d e r le d ig lic h
d u r c h e in e A r t E p ib o lie (B la s to d e rm b ild u n g ) u n d d u r c h einen d a ra u f folg en d en
Im m ig r a tio n s v o rg a n g (B ild u n g d e s E n to d e rm s bezw. d e r D o tte r z e lle n ) von
s t a t t e n g eh t. J e d e n f a lls s t e h t es f e s t, d a s s d ie s e r Modus s ic h g e r a d e b e i d en
p r im itiv o r g a n is ie r te n F o rm e n (Scolopendra, Thysanuren, g ew is s e n O r th o p te r e n )
v o r f in d e t, b e i d e n e n irg e n d e in e a ls U r d a rm e in s tü lp u n g a n z u s e h e n d e In v a g in
a tio n th a t s ä c h l i c h in k e in e r W e is e n a c h z uw e is e n ist.
Das Vorhandensein einer medianen Einstülpung bei den Eiern anderer Insekten steht
nicht im Widerspruche mit der gegebenen Erklärung. Diese Einstülpung ist ihrerseits
ausschliesslich durch die Einwanderung des Mesoderms verursacht worden, sie führt nie
zur Bildung des Entoderms,1 und sie darf demnach auch nicht als Gastrulation be1
Den Ausdruck „Entoderm“ gebrauche ich in dieser Abhandlung, wie allgemein üblich, im morphologischen Sinne.
Die mediane Längsrinne bezw. Mesodermrinne der Insekten führt aber auch fast niemals zur Entstehung des Entoderms im
physiologischen Sinne, denn die ektodermalen Mitteldarmanlagen der Insekten, deren Bezeichnung als „sekundäres Entoderm“
man vom rein physiologischen Standpunkte aus vielleicht verteidigen könnte, werden selbst in denjenigen Fällen, in welchen
trachtet werden, sondern fällt schon unter den Begriff der somatobiastischen Sonderung.
Gerade wie eine massenweise lokalisierte Einwanderung von Zellen an jeder beliebigen
Stelle eine Invagination hervorrufen kann, so wird auch bei den Insekten, wie ich schon
früher dargelegt habe (1895 a), die vermeintliche Gastrularinne und blastoporusartige Einstülpung
nur durch plötzliche Ablösung grösserer Mesodermmassen aus dem Ektoderm
des Keimstreifs hervorgerufen. Es handelt sich aber hierbei zweifellos lediglich um sekundäre
Erscheinungen, die keine phylogenetische Wichtigkeit beanspruchen dürfen, denn,
wie schon hervorgehoben wurde, sind derartige Rinnenbildungen doch bisher nur in der
Gruppe der Pterygota nachgewiesen worden. Untersucht man niedere Insekten (Lepisma,
Phyllodromia u. a.) oder andere Formen, welche ihrer ganzen Organisation nach eine ziemlich
tiefe Stellung in der Stufenleiter der Tracheaten einnehmen wie Scolopendra, so zeigt sich, dass
hier selbst die Mesodermbildung gerade wie die Entodermbildung ohne jede Spur einer Rinnenbildung
erfolgt. Man muss also den angeblichen langgestreckten „Blastoporus“ , der sich
namentlich bei den Insecta holometabola deutlich ausgeprägt zeigt, als ein Gebilde auffassen,
welches sekundär erworben wurde und offenbar nur im Interesse der raschen Ablösung einer
umfangreichen Mesodermmasse zu Stande gekommen ist. A n s ta t t d a s s d ie l e t z t e r e
wie b e i d en W ü rm e rn von zwei Urm e so d e r mz e ile n a u s g e h t, lö s t s ic h d a s
M e s o d e rm b e i v i e l e n M y r io p o d e n u n d a n d e r e n n i e d e r e n T r a c h e a t e n in
Form von zwei p a ra lle le n S tre ife n in d e r ganzen L änge des Kö rp e rs vom E k to d
e rm ab u n d w ird e n d lic h b e i z a h lr e ic h e n h ö h e r e n In s e k te n s o g le ic h m itte ls t
e in e r lä n g s v e r l a u f e n d e n I n v a g in a tio n a ls e in m e d ia n e r S tr a n g a n g e le g t, d e r
s ic h e r s t s e k u n d ä r in d ie b e id e n l a t e r a l e n H ä lf te n te ilt. Bei diesem somato-
blastischen Entwicklungsvorgange, wie ich ihn nenne, kommt sowohl bei den Anneliden, wie
bei den Myriopoden und Insekten auch zum ersten Male die bilaterale Symmetrie zum Ausdruck,
sofern die letztere nicht etwa wie bei manchen Insekten ausnahmsweise schon durch
die bilaterale Form des Eies in gewisser Weise anticipiert wird.
Die meisten bisherigen Erklärungsversuche, die Keimblätterbildung der Insekten auf
diejenige niederer Tiere zurückzuführen, sind, wie ich bereits früher (1895a) hervorgehoben
habe, aus dem Grunde als verfehlt anzusehen, weil man die Sonderung des Mesoblastes vom
Ektoderm (somatobiastische Sonderung) irrtümlich für die Bildung eines „Entomesoderms“ angesehen
hat. Das wahre Entoderm der Insekten ist aber nur in Gestalt von Dotterzellen vorhanden,
die bei Myriopoden und Insekten überhaupt niemals durch Invagination, soweit die
jetzigen Erfahrungen reichen, angelegt werden.
Es ist gewiss nicht leicht, die komplizierten Entwickelungsvorgänge bei den dotterreichen
Eiern von Arthropoden auf ein einfaches Schema zurückzuführen, doch glaube ich, dass die
Entwicklung der Myriopoden und speziell auch diejenige von Scolopendra geeignet ist, in
mancher Beziehung hierfür einen richtigen Fingerzeig geben zu können.
Man wird sich meiner Ueberzeugung nach vorzustellen haben, dass die Ausgangsform
durch solche Eier repräsentiert wurde, welche wie die Eier vieler Anneliden eine totale inäquale
sie schon gleichzeitig mit dem Mesoderm auftreten, nicht etwa an der in Rede stehenden Rinne mittelst einer längsverlaufenden
Einstülpung angelegt, sondern sie bilden sich dann fast immer durch Immigration von Zellen nur am vorderen
und hinteren Ende der Keimanlage (dem späteren Stomatodäum und Proctodäum). Es giebt in Wirklichkeit also keinerlei
Gründe dafür, dass di§ mediane Längsrinne bei den Insekten zu irgend einer Zeit einmal die Bedeutung eines Blastoporus
gehabt haben kann.