stehenden dritten Entwicklungstypus anzunehmen. Bei letzterem (Lepisma) erscheint nämlich
der Keimstreif nach dem Reissen der Embryonalhüllen beim Beginn der dritten Entwicklungsperiode
wieder an der Oberfläche des Eies. Die Kaudalkrümmung schwindet und geht in die
in der Körpermitte gelegene Ventralkrümmung über. Der Lepismaembryo beginnt erst hierauf
den Dotter zu umwachsen und in sich aufzunehmen, während wie oben gesagt, eine nachherige
Lageveränderung bei dem vorigen Typus (Dipjopoden) überhaupt nicht mehr stattfindet.
IV. K e im s tre if mit m eisten s d o rsa le r Krümmung und g e sch lo ssen em Amnion.
Dieser. Entwicklungstypus findet sich bei pterygoten Insekten und ist meiner Ansicht
nach als eine Modifikation von Typus III zu betrachten. Eine Einkrümmung in den Dotter
kann noch stattfinden (Ephemeriden, Odonaten), oder sie kann bereits unterbleiben (viele
Orthopteren). In beiden Fällen aber findet die Umwachsung durch Embryonalhüllen statt.
Im Anschluss an die Entwicklung der hinteren Amnionfalte gelangt hierbei auch meist die
Kaudalkrümmung zur Ausbildung, die gerade so wie bei Lepisma in einer charakterischen Einknickung
der drei bis vier hintersten Abdominalsegmente beruht. Diese selbst bei den nicht
in den Dotter eingesenkten, sondern an der Oberfläche desselben verbleibenden amnioten
Insektenkeimstreifen noch weit verbreitete Kaudalkrümmung fasse ich also als eine gewisse
Rekapitulation von Typus III auf, als einen Anklang an denjenigen Entwicklungstypus, bei
welchem wie bei Lepisma (und den Odonaten) noch der gesamte Keimstreif ventral in den
Dotter eingekrümmt wurde. Nur unter
dieser Voraussetzung scheint mir die charakteristische
Kaudalkrümmung pterygoter
Insekten verständlich zu se in , denn die
Befunde an Scolopendra und an amnionlosen
Insekten lehren, dass die Bildung
des Enddarms nicht zur Entstehung einer
solchen Kaudalkrümmung Veranlassung
giebt, wie dies ursprünglich von mir und
seitdem auch von einigen anderen Autoren
angenommen wurde.
Auf die vielfachen Modifikationen,
die in der Gestalt und Lagerung des Keimstreifens
namentlich bei holometabolen
caiu?
! cors
F ig . XXX . K eim streif von Periplaneta (S/ylopyga) .orientalis L.
am = A m n io n , am hl = A m n io nliö lile, caucl = d as infolge der
K au d alk rüm m u n g n ach v orn um g eb o g en e H in teren d e d es K örpers,
d o rs = D o rsalseite d es E ies, h = H in te re n d e des E ies, s e r = Serosa,
v = V o rd eren d e des E ies, v e n t = V en tralseite des Eies.
Insekten sich zeigen, noch im einzelnen einzugehen, liegt ausserhalb des Rahmens dieser
Abhandlung. Ich bemerke nur, dass die Entwicklungserscheinungen bei den letztgenannten
Insekten sich sämtlich von dem vierten Entwicklungstypus ableiten lassen.
Meine Auffassung stimmt zwar in vieler Beziehung mit derjenigen Willeys überein, sie
weicht aber von seiner Deutung und der älterer Autoren namentlich darin ab, dass ich die
frühzeitig (beim Beginn der zweiten Entwicklungsperiode) eintretende ventrale und kaudale
Krümmung der Embryonalanlage von Lepisma bezw. die auf dieselbe zurückführende kaudale
Krümmung pterygoter Insekten als eine mit der Amnionbildung in Zusammenhang stehende
Neuerwerbung der Insekten ansehe, sie aber nicht als von den Krümmungserscheinungen des
Peripatus und der Myriopoden (Chilopoden, Diplopoden) vererbt betrachten kann.
V. Die ¿©gnitalorgane.
A. U n t e r s u c h u n g e n an S c o lo p e n d r a .
Í. Die Entwicklung der Geschlechtsdrüsen.
Auf die Anlage der Geschlechtsdrüsen ist schon bei Besprechung der mesodermalen
Organe hingewiesen worden. Ich schildere hier die weitere Entwicklung der Genitalanlagen
bis zum Adolescensstadium, während ich die Reifung der weiblichen und männlichen Fortpflanzungselemente
beim freilebenden Scolopender nicht bei meinen Untersuchungen berücksichtigt
habe.
Nach der Bildung des Herzens finden sich die Genitalanlagen in dem engen Raum zwischen
dem Rückengefäss und dem Darmkanal vor. Sie besitzen die Gestalt zweier Schläuche oder
langgestreckter Säcke, die in dorsoventraler Richtung stark abgeplattet sind und auf dem Quer-r
schnitt daher nur noch ein enges schlitzförmiges Lumen besitzen. Dieses Bild giebt Fig. 60
(gcöl) wieder, an welcher die beiden abgeplatteten Genitalsäcke, die ventral vom Herzen sich
in der Medianlinie berühren, zu erkennen sind.
Der Hohlraum jeder Genitalanlage ist durch dickwandige Septen in eine ganze Reihe
hintereinander liegender Kammern zerlegt, die segmental angeordnet sind.
Sobald der mit Dotter gefüllte Mitteldarm etwas zusammenfällt, gewinnen alle an der
Dorsalseite des Körpers befindlichen Organe Platz zu freierer Entfaltung. Dies kommt auch
den Genitalanlägen zu gute, welche sich zu zwei Röhren mit kreisförmigem Querschnitt abrunden.
Die beiden Genitalröhren setzen sich gleichzeitig stärker als bisher von den angrenzenden
mesodermalen Gewebsteilen ab, doch gelangen sie hierfür nun vollständig an die Ventralfläche
des Herzens heran und schmiegen sich dort in der Medianlinie sehr eng gegenseitig
aneinander (Fig. 55 gcöl).
Im weiteren Entwicklungsverlauf fällt besonders das Auftreten einzelner grösserer Zellen
in den Genitalanlagen auf. Diese Zellen besitzen nicht nur grössere Kerne, sondern vor allem
éinen an sich voluminöseren Plasmakörper als’ die Mehrzahl der übrigen Zellen in den Ge-
schlechtsanlagen. Die Unterscheidung in grössere und kleinere Zellen ist freilich, zunächst
noch eine etwas vage, da die Grössenunterschiede noch nicht imme|||klar genug ausgeprägt
sind. Der überwiegende Teil der vergrösserten Zellen gestaltet sich später zweifellos in männliche
oder weibliche Fortpflanzungszellen um, indessen ist es nicht zulässig, die vergrösserten
Zellen einfach schon als Fortpflanzungszellen oder Genitalzellen zu bezeichnen, weil aus ihnen
überhaupt das gesamte, noch indifferente Genitalepithel der Geschlechtsdrüse hervorgeht, das
bekanntlich ausser den Geschlechtszellen auch noch Follikelepithelzellen liefert.
Mit dem Auftreten grösserer G en i t al é p i th e 1 z e 11-e'n, wie ich die betreffenden Elemente
nennen will, wird das mikroskopische Bild ein recht verwickeltes, denn da der Umfang der
Zoologien. Heft 88. 22