2. Die Tömösvary’schen Organe.
An Spekulationen über die morphologiscMe und- physiologische Bedeutung der TömösS
varyschen Organe hat es nicht gefehlt. Nachdem ¡jjh :: bereits oben einige der wichtigsten
historischen Angaben über dieäe rätselhaften Organe' gemacht habe, liegt es an die’äer Stell®
nicht in meiner Absicht, eine ausführliche Litteraturübersicht f®>er dieselben zu geben, zumal
eine solche neuerdings von Hennings (1900) in 'sehij^örgfälfiger Weise-1 züsammengestellt
worden ist.
Nur so viel s§j bemerkt, dass die Töm:f||aryscKen -;DfganeÄ:wöhl beSiplopbden wie
bei Chi’.opoder. nachgewiesen worden sind, und dass ihr Bau bei den erstefen ;-vön verschiedenen
Beobachtern namentlich an Glomeris und auch an Sphderotherium studiert wurde, während
von der letztgenannten Myriopoderigruppe nur Lithobius als UnÄsuchungsöbjekt - jedient hat.
Die Tömösvaryschen Organe sind stets-in einem Paare entwickelty ‘sieiiSltehen atiäi
einer modificierten Partie der Hypodermis, die durch das Vorhandensein -von Sinneszellen ausgezeichnet
ist und von Minem stärken Hirnnery versorgt wird. AHO • BeobachterSt-immen
darin überein, dass7 die fraglichen Organe in erster Linie Sinne)sÖrgan§;Tsind.
Wenn ich in dem speziellen Teil nun einen paarigen VGewebskompleitf'Äm Köpfe von
Scolopendra, der seiner ganzen Struktur nach jedenfalls' kein Sinnesappafat, öder dtMi wenigstens
kein Hautsinnsorgan sein kann, dennoch als Tömösvarysch(8:T Organ beschrieben habe,
so bedarf dies wohl einer gewissen Begründung. Difcerechtigünj«zu einem Vergleich Scheint
mir aber einmal die übereinstimmende Lage der Organe bei-8 $g$pendra und änderen Myriö-
poden an der Seitenfläche des Kopfes-,; vorilllem aber die Entwicklung derselben zu>fgeben.
Die Tömösvaryschen Organe entstehen bei Seölopendra nicht nur in der- Haut, ijn d ifn »i»
bleiben auch sehr lange mit ihr in Zusammenhang«rst relatit*- Spät) in einer Zeit, in welcher
die übrigen Teile de's1 Centralnervensystems sich sühon längs#7 vollkommen' irSn der-Oberfläche
abgetrennt haben, erfolg! gewissermassen widerstrebend auch die endgültig!)MÜBüing dör
Tömösvaryschen Organe von der Hypodermis, und ihre Umbildung zu dem oben b ^h rieb en en
.eigenartigen Gewebe. Nimmt man hinzu, dass das letztere in genau der gleichen Weise wi<S
die peripher gelegenen Tömösvaryschen Organ^anÄSrer-Myriöpoden durch einen ganz •be stimmten
Hirnnerv innerviert wird, sö kann an einer vollständigen Homologie kein Zweifel
mehr sein.
Die geschilderte Art der Entwicklung- 'scheint mir dafür zu. sprechen, dass bei Scolopendra
die Tömösvaryschen Organe ihre einstige Bedeutung verloren haben und in Rückbildung
begriffen y»§ind, : während) sie bei anderen (iOhilopoden z. B. Litköbius, bei dem Ste;
nach W illem (1892) noch epithelial gelagert sind, wohl zweifellos als Hautsiünesörgane
noch funktionieren werden. Dass bei Süölopendra die Tömösvaryschen Organe-jede Funktion
bereits eingebüsst haben, will ich damit nicht behaupten, denn die)verhältnismässige Grösse
der Organe und ihrer Nerven scheint wohl eher, für eine bestimmte Thätigkeit zu sprechen.
Ich glaube aber diese physiologischen Fragen hier um WSsher uneröirtert lasten zu können)
als sogar nicht einmal über die Rolle, welche die peripher gelegenen und der Beobachtung
und dem Experiment daher leichter zugänglichen Tömösvaryschen Organe anderer Myriopoden
in physiologischer Hinsicht spielen, sich zur Zeit eine bestimmte Meinung) bilden lässt.
Vergleiche zwischen den Tömösvaryschen Organen der Myriopoden und den Kopfsinnesorganen
anderer Arthropoden liegen ziemlich nahe und sind daher schon mehrfach ausgeführt
Wörden. B a tte fp |® S il) hat d ip e Organe für Homologa der Facettenaugen von Limulus angesehen,
während sie. nach Viallanes. (1$S||| den Ocellen der Hexapoden entsprechen sollen.
Soweit die Entwicklungsjftsehichte vonsgSElopendra ein Urteil gestattet, scheinen beide Ansichten
nicht berechtigt zu sein. Die Tömösvaryschen Organe stehen nicht mit dem Lobus
opticus sondern mit dem Lobus frontalis in Zusammenhang, sie können aus diesem Grunde nicht
mit lateralen Punktaugen oder Ääöettenaugeri verglichen werden.
HRiensowenig ist ein Vergleich mit den frontalen Ocellen der Hexapoden möglich, denn
letztere sind gerade wiafedas NauphusaugÄleipCrustä|§en typisch in Dreizahl entwickelt und
erhalten wie jenes ihre Nerven, aus dem medianen Abschnitt des Vorderhirns, ein Verhalten,
w f f lh äm it dem der Tömösvaryschen Organe nicht harmoniert.
Bemerkenswert Hypothese)®n&graf (!®@3, iS tl), der die femösvaryschen
Organe mit den Kopfgruben, die bei den Embryonen verschiedener Arthropoden nachgewiesen
worden sind und die auch bei Bferipatusembryonen Vorkommen, in Verbindung bringen will,
po g ra f ist der Ansicht,,:'dass'Kopfgruben und Töftfsyar-yschKOrgane einander entsprechen
und dass „daher in den embryonaler, Kopfgruben die Reste, von Sinnesorganen wurmähnlicher
Tiere zu erblicken sind.
Indessen hat .schon Brauer ¡1890)- hervorgehoben, dass beim S|p,rpio.n die Bedeutung
der Kopfgruben nur darin besteht, dass) sie mit der Bildung, des Gehirns im Zusammenhang
stehen. ZU -dem- ¡¡¡|§hen.ResultÄsjhaife'en milch meine' Befunde an Solopendra geführt, indem
sich bei dieser:. Form, wie" ich oben beschrieben habe, die Be.teiiigung der Kopfgruben an der
Bildung bestimmter •Gehirnabsehnitte mit aller Genauigkeit r.achwni.sen lässt, während die Tö.mös-
varys.chen i Organe vollkommen unabhängig davon an §#ier ganz anderen Stelle des Kopfes
|fu r Anlage kommen, ähnlich wie dies -auch für Glomeris kürzlich von Hennings (1900) festgestellt
werden konnte. Ich zweifle a lB n ip t daran, dass auch bei den von Zograf. (1:883)
untersuchten &Mphüwembrp4M§._ die grbss.en Kopfgruben, Welche .vermutlich djfj; lateralen
Hirngruben von: Scolopendra .entsprechen dürften, lediglich als Bihlung.seeniren für die lateralen
Hirnpartien anzusehen sind.
Wenn die Entwicklungsgeschichte somit auch noch keine Handhabe bietet, die Tömösvaryschen
Organe auf bestimmte Kopfsinnesorgane wurmartiger Tiere in der Meinung von
Zograf zurückzuführen, so stimme ich doch dem russischen Forscher rückhaltlos darin bei,
dass die T öm ö sv ary s ch en Organe de r Myriopoden von p h y lo g en e tis ch e r W ich tig k
e it sind und d a ss sie v ie lle ich t den Vo rfah ren de r A rth ro p o d en ü b e rh au p t allgemein
zukamen. Hierfür scheint mir ihre gegenwärtige Verbreitung innerhalb verschiedener
Myriopodengruppen zu sprechen. Es scheint mir ferner nicht ausgeschlossen zu sein, dass
die Tömösvaryschen Organe der Myriopoden den p a a rig en F ro n ta lo rg a n e n homolog sind,
die bei vielen niederen Crustaceen und Crustaceenlarven Vorkommen.
Die Lage der frontalen Sinnesorgane und der Tömösvaryschen Organe stimmt wenigstens
annähernd überein, beide werden vom Vorderhirn innerviert, und die ppithelialen Sinneszellen
pflegen in beiden Fällen keinen hohen Grad der Differenzierung zu erlangen, sondern bisweilen
eher den Charakter von Ganglienzellen zu.'besitzen.
Bei den Insekten sind Tömösvaryschen Organe bisher nicht nachgewiesen worden. Ich