Körperhälften, auf welches ich schon oben hingewiesen habe (vergl. Fig. 9). Da am Vorderende
und Hinterende des Keimstreifens, die in der Medianlinie angelegten Körperteile (Clypeus,
Labrum, Telson) eine Trennung unmöglich machen, so biegen sich die beiden Seitenhälften
am stärksten in der Körpermitte auseinander. Dort entsteht infolge dessen eine weite durch
Ausdehnung des Ventralstreifens gebildete Fläche. Diese mediane, zwischen den Körperhälften
befindliche Fläche, ist nur von einer dünnen Ektodermschicht bekleidet, welche den Namen
Membrana ventralis führen mag.
Es ist selbstverständlich, dass bei dem eben beschriebenen Vorgänge der Keimstreifen
durch Auseinanderbiegen der beiden Körperhälften zwar immer breiter werden muss, dass
aber diese Verbreiterung nur auf Kosten der Ausdehnung seiner Längsachse vor sich gehen
kann und somit zu -einer Verkürzung des Körpers in longitudinaler Richtung führen wird. Indem
nun die Entfernung der beiden Lateralhälften immer grösser wird, werden auch Kopf
und Hinterende des Körpers immer näher zu einander hingezogen. Der ursprüngliche bandförmige
Embryonalkörper gewinnt hierdurch eine rhombische Gestalt. In dieser Form ist er
in Fig. 23 abgebildet.
An der Abbildung erkennt man, dass in diesem Stadium schon eine Querfurche aufgetreten
ist, welche tief in den Dotter einschneidet. Die Entstehung der Furche wird verständlich,
wenn man sich veranschaulicht, dass die mediane zellige Haut, die Membrana ventralis}
bei dem Auseinanderweichen der Keimstreifhälften notwendig in den Dotter hineingezogen
werden muss. Verhältnismässig kurze Zeit darauf beobachtet man, dass Kopf- und Hinterende
einander bis zur vollständigen Berührung genähert sind. Die erwähnte Furche hat alsdann
den Dotter in zwei, bis auf eine dorsale Brücke getrennte Hälften zerschnitten. Der Embryonalkörper
ist taschenmesserförmig eingeknickt, jedoch derartig, dass seine weit getrennten Seitenhälften
der Dottermasse noch oberflächlich aufliegen und nicht in dieselbe etwa eingesunken
sind. Der Knick befindet sich in der Körpermitte, ungefähr zwischen dem 9. und 10. Rumpfsegment.
Ein Scolopenderei in dem geschilderten Stadium ist von der Seite gesehen in Fig. 25
dargestellt worden. Die Bauchseiten der vorderen und hinteren Körperhälfte, die von der
Membrana ventralis bekleidet werden, sind fest gegeneinander gepresst. Ganz gleichgiltig wie
früher der Keimstreifen auf der Eioberfläche orientiert gewesen war, ist jetzt die weiche, nach-'
giebige Dottermasse bei beiden Scölopenderarten derartig verteilt worden, dass das ganze Ei
stets eine stark abgeflachte, der Linsenform sich nähernde Gestalt gewonnen hat. Die beiden
abgeflachten Seiten entsprechen den Lateralflächen des Embryonalkörpers.
Mit der Einkrümmung des Keimstreifens in den Dotter ist ein wichtiges Stadium erreicht
worden, das gewissermassen einen Wendepunkt der gesamten Entwicklung darstellt, und
auf welches bei der Schilderung der Organogenese noch häufig hingewiesen werden wird.
Während bisher die meisten Organe und Körperteile nur in Gestalt kleiner, aus wenigen Zellen
bestehender, Anlagen vorhanden waren, beginnen sich dieselben in der nunmehr folgenden
Entwicklungsperiode vollständig zu entfalten, und der Embryonalkörper erlangt damit dann
seine definitive Organisation und Gestalt, welche in den nächstfolgenden Abschnitten genauer
beschrieben werden soll.
B. Die Entwicklung der Körpergestalt.
1. Die äusseren Entwicklungserscheinung-en von der Einkrümmungr des Keimstreifens bis zum
Adolescensstadium.
Der in den Dotter eingekrümmte Keimstreifen zeigt sich noch recht weit von der typischen
Körperform eines Scolopenders entfernt. Wie Fig. 23 zeigt, besteht er eigentlich nur
aus zwei mit vielen Beinanlagen versehenen Streifen, die den späteren lateralen Körperseiten
entsprechen und nur am Vorder- und Hinterende ineinander übergehen. Die beiden Körperstreifen
liegen dem Rande der nahezu in zwei Hälften durchgeteilten Dottermasse auf und
sind hierbei medial (innen) durch die Membrana ventralis, lateral (aussen) durch die Membrana
dorsalis von einander geschieden (Fig. 25).
Die weitere Entwicklung geht von einer Verbreiterung der beiden Körperstreifen aus, es
gelangen hierdurch im Bereiche der Membrana ventralis die Bauchplatten (Sternite), im Bereiche
der Membrana dorsalis die Rückenplatten (Tergite) zur Ausbildung.
Sind die dorsalen und ventralen Segmentplatten in einer unten noch näher zu bezeichnenden
Weise entstanden, so ist der Dotter ganz in das Innere des Körpers aufgenommen.
Letzterer ist nun nicht mehr flächenartig ausgebreitet, sondern hat eine plastische Gestalt und
damit einen bestimmten Abschluss gewonnen. Der „Keimstreifen“ kann von nun an als Embryo
bezeichnet werden. An demselben tritt jetzt äusserlich eine deutliche Cuticula hervor, welche
übrigens noch ehe der Keimstreifen in den Dotter einsinkt, schon als ein zartes, feines Häutchen
nachgewiesen werden kann.
Diese primäre Cuticula bleibt ziemlich dünn und farblos, nur am Rande des Telsons ist
sie etwas stärker und zeigt sich dort schwach gelblich gefärbt. Eine starke kutikulare Absonderung
ist vor allem an den hinteren Maxillen erkennbar. Daselbst wird von einer besonderen
höckerförmigen Chitinverdickung, welche nach der lateralen Seite gewendet ist, ein
spitziger Chitinstachel von gelbbrauner'Färbung abgeschieden (Fig. 17 e z). Die beiden Chitinstacheln
fungieren als „Eizähne“ , indem ihre Aufgabe darin besteht, die inzwischen zu eng
gewordene, sehr spröde Eischale zu zersprengen.
Die Öffnung der Eischale erfolgt stets mittelst eines scharfen äquatorialen Risses, welcher
die Schale in zwei gleichgrosse Hälften zerlegt, die halbkugelförmig das vordere und hintere
Ende des Körpers umhüllen, während in der Mitte der Embryonalkörper schon frei zum Vorschein
kommt. In diesem Stadium verbleiben die Embryonen einige Zeit, ich vermag nicht
genau zu sagen, wie lange, jedenfalls aber mehrere Tage.
Es ist jedoch klar, dass mit dem Sprengen der Eihülse noch- nicht sehr viel gewonnen
ist. Ein ungehindertes Ausdehnen ist erst dann möglich, wenn der Körper auch die ihn rings
umschliessende Cuticula durchbrochen hat. Im Anschluss an die Sprengung der Eischale
findet daher auch bald die erste Häutung statt. Ein Embryo während des Häutungsprozesses
ist in Fig. 31 abgebildet worden. Der Körper hat jetzt .eine hufeisenförmige Gestalt angenommen,
Kopf und Hinterende sind noch einander genähert, ohne sich aber wie früher direkt zu berühren.
Der Deutlichkeit halber wurde vor dem Abzeichnen die vordere Schalenhälfte entfernt. Man
Zoologien. Hoft 33. 6