bekanntlich mit der Entödermentwicklung bei allen anderen Tieren kontrastiert und die überhaupt
nur dann verständlich zu machen ist,, wenn sie eben auf die einfacheren und klaren
Verhältnisse der Paurometabola zurückgeführt wird.
Die e ig e n a r t ig e b ip o la r e E n ts te h u n g sw e i s e d e s M itte ld a rm r o h r s h ö h e r e r
In s e k te n w ird m an a lso m it R ü c k s ic h t a u f d e n au s a n d e r e n G rü n d e n ä n z u -
n e hm e n d e n m o n o p h y le tis c h e n U r s p ru n g d e r Insecta holometabola a ls e in e n B e w
e is d a fü r a n s e h e n k ö n n e n , d a s s b e i d en b e tr e f f e n d e n I n s e k te n fo rm e n g e r a d e
wie b e i d en O r th o p te r e n d a s M itte ld a rm e p ith e l in l e t z t e r I n s ta n z im m e r a u f
d a s Z e llm a te r ia l d es e k to d e rm a le n K e im b la tts z u rü c k z u fü h r e n ist.
Nur der Theorie zuliebe könnte man hier einen Ausweg höchstens noch darin suchen
wollen, dass man eben die ektodermale Natur des Stomatodäums und Proctodäums bei den
Orthopteren und anderen Insekten überhaupt in Frage zieht. Der Mutmassung aber, dass
etwa in dem ektodermalen Proctodäum der Insektenembryonen noch je eine verkappte Ento-
dermanlage enthalten sei, welche in einem gewissen Zeitpunkt erst sich absondert, um den
Mitteldarm zu liefern, fehlt zur Zeit noch jedwede Begründung, denn eine derartige Annahme
wird wenigstens durch die bisherigen thatsächlichen Befunde in keiner Weise irgendwie gestützt.
Stomatodäum und Proctodäum legen sich bei den Insekten gerade wie bei allen anderen
Metazoen einfach als Einstülpungen der ektodermalen Embryonalschicht an, und nichts berechtigt
zu der Annahme, dass an ihrer Formierung noch irgend eine andere Keimschicht beteiligt
sein könnte. Wenn man ferner in Betracht zieht, dass eine ekto-entodermale Natur
des Vorder- und Enddarms auch a priori sehr unwahrscheinlich wäre und eine derartige Verteilung
der Keimblätter bei den Insekten voraussetzen müsste, die im ganzen Tierreiche ohne
Beispiel dastehen würde, so bleibt wohl nichts anderes übrig als die Annahme einer latenten
Entodermanlage als unwahrscheinlich und willkürlich fallen zn lassen.
Bei e in e r u n b e f a n g e n e n u n d v o r u r t e i l s lo s e n B e u r te ilu n g d e r g e g e nw ä r tig
f e s tg e s te ll t e n T h a ts a c h e n s e h e ich in d e r T h a t g a r k e in e a n d e r e M ö g lich k e it,
a ls b e i d e r ü b e rw ie g e n d e n Mehrzahl d e r In s e k te n d en M itte ld a rm au s dem
ä u s s e r e n K e im b la tte h e r z u le ite n . Mag dieses Resultat auch immerhin befremdend
klingen, so giebt es doch jedenfalls bis jetzt für die vielfach so überaus klare und deutliche
Entstehung des Mitteldarmepithels aus dem ektodermalen Stomatodäum und Proctodäum überhaupt
keine andere Deutung.
Die Frage liegt gewiss nahe wie diese eigenartige Bildungsweise des Mitteldarms entstanden
sein mag. Die Erklärung des abweichenden Entwicklungsmodus der meisten Insekten
im Vergleich zu den niederen Tracheaten und anderen Arthropoden scheint mir nun wohl
in erster Linie auf physiologischem Gebiete zu beruhen. Man wird sich zu vergegenwärtigen
haben, dass die meisten Pterygoten verhältnismässig voluminöse Eier ablegen1). Die Bewältigung
des umfangreichen Eidotters muss bei der relativen Geschwindigkeit mit der die
Entwicklung sich zu vollziehen pflegt, in der Regel in möglichst kurzer, Zeit stattfinden und
hierzu kommen bei den Insekten noch weitere durch die notwendige Zerstörung der Embryonalhüllen
bedingte Resorptionsvorgänge, welche ebenfalls die Thätigkeit der Entodermzellen in
1) Die Bildung grösser dotterreicher Eier wird auch vqn anderen Autoren (Wheeler 1893) als ursprüngliche Eigenschaft
der. Insecta pierygota aufgefasst.
erheblicher Weise in Anspruch nehmen. Es sind dies alles Aufgaben, die sehr wohl das vollständige
Auf brauchen des Entoderms schon in embryonaler Zeit zur Folge haben können.
Ich erinnere an dasjenige, was oben bei Besprechung der Keimblätter von mir auseinandergesetzt
worden ist. Vergleicht man nämlich die Entwicklung des Entoderms bei Würmern,
bei niederen Arthropoden, wie Myriopoden und Thysanuren miteinander, und zieht man endlich
zum Vergleich auch höhere Arthropoden, wie flügeltragende Insekten hinzu, so zeigt sich
in progressiver Reihenfolge eine immer stärkere Inanspruchnahme des Entoderms in embryonaler
Zeit. Während bei den Anneliden noch das embryonale Entoderm zum Darmepithel des
jungen Tieres oder der Larve wird, gewinnt selbst schon bei niederen Tracheaten ein beträchtlicher
Teil des embryonalen Entoderms von vorn herein die Form embryonaler Tropho-
cyten und wird im Interesse der Embryonalentwicklung aufgebraucht. Denkt man sich diesen
Prozess aber noch um eine Stufe weiter fortgeschritten, so wird das Verhalten ein derartiges
werden müssen, dass sich gleich beim Beginne der Entwicklung das gesamte Entoderm zu
Trophocyten differenziert. In einem solchen Falle, der bei den meisten Insekten bereits eingetreten
ist, werden selbstverständlich die am nächsten benachbarten embryonalen Zellen, ganz
gleichgültig welcher Schicht oder welchem „Keimblatte“ sie angehören, die Ersatzelemente
für die dem Untergange geweihten Trophocyten liefern.
Die hier entwickelten Anschauungen scheinen mir wohl ziemlich nahe liegend und natürlich
zu sein, vor allem sind sie aber auch diejenigen, welche allein ohne weiteres mit den
Ergebnissen der bisherigen Untersuchungen harmonieren.
Wollte man dagegen» irgend welche anderweitige Erklärungen versuchen, so fehlen hierzu
noch die thatsächlichen Unterlagen, und es würde dies daher nur mit Hülfe mehr oder minder
gewagter Hypothesen und Umdeutungen möglich sein, zu denen meiner Meinung nach keinerlei
Berechtigung vorliegt. Bei dem gegenwärtigen Stande der Kenntnisse wird man, wie ich glaube,
somit am besten, hinsichtlich der Entödermentwicklung in grossen allgemeinen Grundzügen
ungefähr folgendes Schema aufstellen können.
1. A n n e lid e n .
Das p rim ä re u r s p rü n g lic h a n g e le g te E n to d e rm (M a crom e ren und e n to d e r-
male M ic rom e ren ) b l e ib t e rh a lte n u n d w ird zum d e fin itiv e n E n to d e rm o d e r
M itte ld a rm e p ith e l.
2. S c o lo p e n d r a , m a n c h e A p t e r y g o ta .
Das p rim ä re E n to d e rm w ird te ilw e is e (M a c rom e ren u n d e in e Anzahl von
M ic rom e ren ) zu em b ry o n a le n D o tte r z e lle n , die zu G ru n d e g e h e n , te ilw e is e
(M ic rom e re n ) e n tw ic k e lt es sich zum d e f in itiv e n E n to d e rm e p ith e l de s M itte ld
a rm s.
3. M e h rz a h l d e r P t e r y g o ta .
Das p r im ä r e E n to d e rm g e s t a l t e t s ic h v o llk om m en zu den em b ry o n a le n
D o tte r z e lle n um. A ls E r s a tz fü r d a s E n to d e rm t r e t e n E k to d e rm z e lle n ein,
d ie d a s d e f in itiv e D a rm e p ith e l b ild e n .
Vom morphologischen Standpunkte aus dürfte die Substitution des Entoderms durch
ektodermale Elemente keinen theoretischen Bedenken begegnen, sobald man sich eben von
allzuweit gehendem Dogmatismus freihält und sich auch die anderweitig erwiesene Thatsache