bare kleine Vorsprünge noch deutlich neben oder sogar ein klein wenig hinter der Mundöffnung
gelegen sind, so ist es zweifellos, dass die Präantennen in Wirklichkeit bereits die Gliedmassenanhänge
des ersten postoralen Segments sind, hierfür sprechen auch die später noch zu erörternden
Eigentümlichkeiten des inneren Baues.
Nur der vor dem Präantennensegment gelegene Kopfabschnitt ist thatsächlich präoraler
Natur, er stellt das primäre Kopfstück dar und mag als Acron oder Oralsegment bezeichnet
werden. Im Oralsegment treten aber niemals Gliedmassenanlagen auf, und ich brauche wohl
kaum zu betonen, dass es sich bei dem Acron ebensowenig wie bei dem Telson um typische
Körpersegmente handelt.
Das Acron der Scolopenderembryonen ist überhaupt ein ziemlich unansehnliches Gebilde.
Nur sein median gelegener Abschnitt ist stark entwickelt und zu dem bereits beschriebenen
Clypeus nebst Labrum ausgebildet, während es lateral davon auf eine schmale Zone reduziert
ist (Fig. 22, 23 glrn und ceph).
Im Gegensatz hierzu ist am Hinterende das Telson inzwischen zu einem deutlich erhabenen
schildförmigen Körperteil geworden (Fig. 9 tels). In der Mitte desselben erkennt man
die Afteröffnung und die von ihr ausgehende vordere schlitzförmige Verlängerung. Das zwischen
dem letzten Rumpfbeinpaar und dem Telson gelegenen Zwischenstück (xsm) ist noch ungegliedert.
Der nächste Schritt in der Entwicklung führt zu einem Stadium, in welchem an den
Sterniten die ersten Anzeichen der Anlagen von Bauchganglien äusserlich erkennbar werden.
In Fig. 13 habe ich das Vorderende eines auf einer derartigen Entwicklungsstufe befindlichen
Keimstreifens abgebildet, die Zeichnung ist mit grösster Sorgfalt und nahezu vollkommener
Naturtreue nach einem in Nelkenöl aufgehellten, gefärbten Präparat hergestellt. Man erkennt,
dass die Präantennen und Antennen bereits deutlich abgegrenzt und erhaben sind. Die folgenden
Extremitätenpaare haben vom 1. Maxillensegment an eine knopfförmige Gestalt bekommen, die
Maxillenfüsse fallen namentlich durch ihre Grösse auf. Die Mandibeln sind dagegen noch
deutlich in der Entwicklung zurückgeblieben, indem sie sich selbst jetzt noch nicht scharf
gegen die mediale Partie des Segments (Sternit) abgesetzt haben.
An der medialen Seite der Sternitanlage zeigt sich nun in jeder Segmenthälfte eine halbmondförmige
Verdickung, deren Konkavität nach aussen (lateral) gewendet ist. Diese Verdickung
wird wie unten noch genauer beschrieben werden soll, durch die Bildung von Ganglienzellen
an der betreffenden Stelle hervorgerufen. Eine derartige Produktion von Ganglienzellen
erfolgt an der medialen Seite der beiden Körperhälften, so dass damit im ganzen Keimstreifen
zwei strangförmige längsverlaufende, noch im Ektoderm gelegene und nach dem Körperinnern
vorspringende Wülste zustande kommen, die aus segmentierten hintereinander folgenden halbmondförmigen
Verdickungen bestehen, und welche ich in ihrer Gesamtheit als Ganglienleisten
bezeichnen will (Fig. 13 neur).
Im Mandibelsegment sind die Ganglienleisten als solche noch deutlich erkennbar, wenngleich
sie nicht mehr halbmondförmig verdickt sind. Ähnlich verhält es sich in dem davor
gelegenen, gliedmassenlosen Intercalarsegment, in welchem aber immerhin noch ein Paar deutlicher
Ganglienanschwellungen (Fig. 13 iggv) hervortritt. In einem etwas späteren Stadium
sind diese Verhältnisse auch in den Fig. 22 und 23 dargestellt.
Verfolgt man die Ganglienleisten weiter nach vorn, so erkennt man beim Studium von
Oberflächenbildern sehr leicht, dass dieselben an jeder Körperseite in eine rinnenförmige Vertiefung
(Fig. 13 glrn) übergehen, die zwischen Clypeus und Oberlippe einerseits und den medialen
Rändern von Präantennen und Antennen andererseits sich hinzieht. Am Vorderende
der Präantennen angelangt, biegt diese rinnenartige Vertiefung, die jedenfalls als die direkte
Fortsetzung der Ganglienleiste angesehen werden muss, nach der lateralen Seite um und umfasst
auf diese Weise auch den ganzen Vorderrand der Präantennen, sie befindet sich dort
bereits im Bereiche des primären Kopfsegments (Acron).
Gerade durch die Ausbildung der soeben genannten beiden Ganglienrinnen treten die
Körperanhänge im vorderen Kopfabschnitt ungemein plastisch hervor. Es gilt dies nicht nur
für Präantennen und Antennen, sondern in demselben Masse auch für die präoralen Teile,
für Clypeus und Labrum. Die Gestalt des Clypeus (Fig. 13 clyp) hat sich inzwischen insofern
etwas verändert, als er einen kleinen zipfelförmigen Vorsprung in der Mitte seines Vorderrandes
bekommen hat, welcher sehr scharf von der weiter vorn sich anschliessenden Regio embryonalis
des Eies sich abhebt.
Zum Schluss mag an dieser Stelle noch genauer präcisiert werden, welche Gebilde beim
Scolopender ich als zum p r ä o r a le n A c ro n gehörig betrachte. Es sind dies alle diejenigen
Teile, welche vor dem Präantennensegment und damit auch vor dem Munde sich befinden. In
erster Linie handelt es sich hierbei um den Clypeus und um das als Auswuchs an seinem
Hinterende entstandene L a b rum. Zweitens gehören auch noch zum Acron die la te ra l umg
e b o g en e n V o rd e ren d e n d e r b e id e n G a n g l i e n r in n e n , die vor dem Präantennensegment
verlaufen und auf diese Weise somit die schmalen (paarigen) Seitenteile des Acrons
bilden. Weitere Bestandteile sind an dem Acron dagegen nicht zu unterscheiden.
Von den cephalen Ganglienrinnen werden, wie unten noch genauer erläutert werden soll,
wichtige Gangliencentren gebildet. Da nun die Ganglienmassen innerhalb des Acrons die Neigung
zeigen, sich in der Richtung nach vorn unter das Körperepithel hinunterzuschieben, so erklärt
es sich, dass alsdann vor den präoralen Ganglienrinnen in jeder Körperhälfte noch eine schmale
dunkle Zone (in Fig. 22 als ceph bezeichnet) sichtbar wird, welche man also auch mit einem
gewissen Rechte noch als zum Acron hinzugehörig betrachten kann, die indessen nicht mehr
einen eigenen oberflächlich gelegenen Abschnitt des Acrons repräsentiert.
In Fig. 13, welche ein etwas jüngeres Stadium als Fig. 22 und 23 darstellt, und in dem
die Ganglienzellenbildung noch nicht so weit fortgeschritten, sondern erst im Anfänge begriffen
ist, lässt sich daher auch die durch den besprochenen Bildungsprocess hervorgerufene
dunklere Zone (ceph) noch nicht erkennen, und am Acron sind nur Clypeus, Labrum und die
beiden schmalen von den Enden der Ganglienrinnen ausgefüllten Lateralteile, also die typischen
Abschnitte, zu bemerken.
3. Die Einkrümmung des Keimstreifens.
Sobald die geschilderten Entwicklungsphasen durchlaufen sind, hat die Ausbildung der
äusseren Form des Keimstreifens als eines solchen ihr Ende gefunden. Die weiteren Veränderungen
, die in diesem Abschnitt noch zu beschreiben sind, beruhen nur in einer sehr
charakteristischen Krümmung der gesamten Körperanlage.
Eingeleitet wird diese Krümmung durch das laterale Auseinanderweichen der beiden