Bei den von mir untersuchten Chilopoden gehen die paarigen Ausführungsgänge aus den beiden
Cölomsäckchenpaaren des Prägenitalsegments und Genitalsegments hervor, welche zunächst
dorsal zu einem unpaaren Abschnitt verschmelzen (oberer Teil des Genitalsinus), der den Anschluss
an die unpaare Geschlechtsdrüse vermittelt. In den genannten Segmenten bieiben
aber nicht allein die am weitesten dorsal gelegenen Teile der Ursegmente als Genitalteile erhalten,
sondern die Cölomsäcke erhalten sich dort nahezu in ihrer ganzen Ausdehnung, sie
umfassen den Darm, reichen bis zur Ventralseite und liefern die beiden Genitalgänge. Ganz
ähnliche Angaben hat auch Sedgwick für das Genitalsegment des Peripatus gemacht.
Bei Scolopendra geht erst im weiteren Entwicklungsverlauf durch einseitige Entwicklung
aus den beiden Genitalgängen ein einziger weiter asymmetrisch gelegener Ausführungskanal
hervor, während der andersseitige Gang zu einem den Darm überbrückenden schlingenförmigen
Gefäss (Arcus genitalis) wird.
Das g e sam te G e n ita lo rg a n , sow eit es eben dem Mesoderm en ts tam m t, wird
also bei S c o lo p en d ra p a a rig an g e leg t und g e s ta lte t sieh e rs t n a ch träg lich zu einem
u n p a a ren Gebilde um.
Es verdienen schliesslich noch die oben als Genitalampullen beschriebenen Teile eine
Erwähnung. Dieselben treten paarig im Prägenitalsegment und Genitalsegment auf und stellen
ziemlich unansehnliche kleine Divertikel mit engem Hohlraum dar, welche von den ventralen
Teilen der Cölomsäckchen abgehen und in die Extremitätenhöhle anfangs noch hineinreichen.
Entsprechende Genitalampullen kommen auch bei Insekten vor und pflegen dort, namentlich
bei den niederen Formen, z. B. Orthopteren sogar noch deutlicher und besser ausgebildet zu sein,
als dies bei Scolopendra der Fall ist, wö die Ampullen verhältnismässig unscheinbar bleiben.
Bei den Insekten sind die Genitalampullen, die einzigsten Abschnitte, in denen sich das Cölom
dauernd von der Embryonalzeit her erhalten und in das definitive Lumen der Geschlechtsgänge
übergehen kann.
Meistens kommen auch bei niederen Insekten zwöi Paare von Genitalampullen zur Entwicklung,
die sich allerdings von den beiden Ampullenpaaren der Scolppenders darin unterscheiden,
dass sie niemals zwei aufeinanderfolgenden Segmenten angehören. Ferner liegen
bei den Insekten die Verhältnisse auch insofern noch abweichend, als bei ihnen das eine
Ampullenpaar (im siebenten Abdominalsegmente) weiblich zu sein pflegt und bei den Weibchen
den Endabschnitt der Ovidukte bildet, während das andere Paar (im zehnten Abdöminal-
segmerite) männlich ist und bei den Männchen den Endabschnitt der Vasa deferentiä herstellt.
Je nach dem Geschlecht des Embryos wird dann das überflüssige Paar/ welches dem Leitungssystem
des anderen Geschlechts zugehört, rückgebildet, während das bleibende Paar, gerade
wie dies oben für das hintere Ampullenpaar des Scolopendefs geschildert werden konnte,
auch bei den Insekten in der Regel zu einem unpaaren, median gelegenen Abschnitt verwächst1).
Aus diesen Beobachtungen geht hervor, dass bei den Insekten die Genitalampullen ebenfalls
die letzten Endstücke der mesodermalen Genitalgänge bilden. Diejenigen Ampullen,
*) Ich habe an dieser Stelle auf eine irrtümliche Angabe aufmerksam zu machen, die leider in einer früheren Arbeit
(1895 a) von mir enthalten ist. Für die weiblichen Embryonen von Forficula hatte ich beschrieben, dass die mesodermalen
Geschlechtsgänge im 7. Abdominalsegmente rudimentär werden und später zu Grunde gehen sollten, während die zu den
Ampullen des 10. Segments führenden Gänge sich erhielten. Inzwischen habe ich jedoch feststellen können, dass dies auf
einem Irrtum beruht. Die Entwicklung vollzieht sich bei der weiblichen Forficula gerade so wie bei den von mir untersuchten
weiblichen Blattiden. Die definitiven Ausführungsgänge legen sich also bei diesen Tieren im 7. Abdominalsegmente
an, während die in den darauffolgenden Segmenten angelegten Abschnitte der primären Genitalgänge später abortiv werden.
welche .später wieder zia Grunde gehen, setzen sich bei ihnen häufig sogar noch in rudimentäre'
Gänge'fort. wjUhö hisjsfum definitiven männlichen oder weiblichen Gange reichen,' so
dass damit eine Verbindung mit der ©¿gählechtsdrüse selbst hergestellt wird.
Ich h a tS in einer früheren Arbeit (1895 a) die Ansicht ausgesprochen; dass dieses eigenartige
Verhalten vieler Insektonembryor.bn auf eine primär segmentale Anordnung des ganzen
Geriitalsysterhs Hindeuten möge, weil die AntmhmcpfHno.ff Hermaphrodit ¡schon Urzustandes bei
diesen'Tferen doch vorläufig aiÄrweitig-nich nicht Hecht Wahrscheinlich gemacht werden kann.
Man kafin sich meiner Meinung nach wohl ganz gut jiörstellen, dass ähnlich wie bei niederen
TierenBftaüCh bei den Arthropoden die Genitaldrüsen ursprünglich noch durch, eine grössere
ZahlMuffeinan'der • folgender paariger segmentaler Kanäle (Nephridialkanäle) mit der Aussen-
welt in Verbindung standen. D (||e Verbindung dürftlivsich bei den Insekten in zwei Segmenten;,
demfsjebenteii und zehnten Abd.öminalsegment längere Zeit hindurch erhalten haben
und führte wohl erst später im' Interesse, der gescl|fe®:liche'ii Funktionen zur (pbliteration
Mef vorderen -Öffnung bei männlichen und zur hinteren bei weiblichen Tieren.
Unter der VoraussetzunggBri®ursprünglich scgmcnralen I .eintngsapparats Hesse es sich
vor allen Ägigeri, auch verständlich finden, d^V Ä den Arthropoden, d e t i | monophyletiScher
Ursprung aus andfcren Gründen doch jedenfalls, sehr wahrscheinlich ist, dier GenithlÖffnungen
bei den verschiedenen ( IruppCn in ^ auffallender Weise an ganz verschiedenen Körpersegmenten
"gpICgeÄsind, und dass- selbst 9 übereinstimmende1;pebil(|f; wie die ¡¡Initalampulien auch bei
nähe verwandten Ä rm e n wie Chilojgocten und Insekten nicht in h ö ffS g e n Segmenten Vorkommen.
Wehn man nach dij§snflj|trachtungen und vergleichend embryolögischen Bemerkungen die
■ij<§fchlechtso(gane des’ %usgebildeten HcolopendersBi|) Auge S ® ., s|i mag zunächst hervor-
g£hÜ|eh werden, däsi deriBaiiiid^fillben durch die bisher Vorliegenden ahatomischen Unter-
suchungen .hoch nichtiin genügender Weise klar gelegt worden war.
Vavisiere hat zwar vor Einigen Jahren ( PI. jpii . cpne Abbildung der weiblichen
äjfgfchlechtsofgane von Scolopendra gegeben, welche jedoch schematisch i | | | In dieser Abbildung
ist aüsserdem der durch Präparation leigpt freizulegende und morpholdgSh interessante
Arcus gem'la/fs\ gar nicht angegeben und ebensowenig hat er in dem kurzen erläuternden Text
eine Erwähnung gefunden.
Die ausführlichste Beschreibung der Geriitälbrgane von Scolopendra stammt aus ¡älterer
Zeit und ist Fabre ¿8*55) zu verdanken, dessen Abbildüfjgen auch vielfach für I .ehrzweckc
kopiert worden sind.c’l l n l i ^ n ist auch F a b r eB B weibliche ABBggenädfh- gänzlich entgangen,
eine morphologische Deutung der einzelnen Teile ist. kaum versucht worden , und
namentlich, fehlen njäCh alle Mitteilungen übHiffie Ausmündung, de# Genitalien und ihren Zusammenhang
mit den angrenzenden Körperpartien.
Ich bin, um die' hier vorhandene Lücke aüszufüllen, in dem speziellen Teil genauer auf
die Anatomie der (^nitgorgane von S S Ä e n d r a eingegangen, zu deren Erläuterung die in
Fig. 27 und Fig. 28 dargestil&en SituspräpSIte dienen1).
Hinsichtlich der anatomischen Verhältnisse is t vielleicht von allgemeinerem Interesse, dass
bei beiden'Geschlechtern eine Einstülpung der Intersegmentalhaut zwischen Prägenitalsegment
1) In einem Referat über meine vorläufigen Mitteilungen, in denen icli den Arcus genitalis bereits erwähnte, hat kürzlich
auch Duboscq (Arch. Zool.exper. gen. Notes et Revue. 1900) eine Abbildung von den weiblichen Geschlechtsorganen der
Scolopendra cingulata Latr. gegeben;