
anlage vom Stomatodäum beobachtet hat; da natürlich eine derartige lokale und zeitweilige
Abgrenzung durch recht verschiedenartige Ursachen bedingt . . sein kann.
i-‘ Ich brauche nach dem Gesagten zum Schluss wohl kaum noch hervorzuheben, dass ich
weit davon- entfernt in der Muscidenentwicklung das Dokument einer Entwicklungswege zu
erkennen, die sich durch „Ursprünglichkeit und Reinheit der einzelnen Entwicklungsrorgänge“
vor denjenigen anderer Insekten auSzeichnemsiÜj dass ich in ihr statt dessen nur das Resultat
von zahlreichen sekundär eingetretenen Veränderungen und Modifikationen zu erblicken vermag,
durch welche sich die Embryologie der Musciden von derjenigen einfacher Organisierter
Insekten in evidenter Weise unterscheidet, und sich gewissermassen als extremes: Endglied
einer langen phylogenetischen Reihe zu erkennen giebt,
5. Die Bedeutung der Muscidenentwicklung für die Keimblätterfrage.
Vielleicht könnte man trotzdem noch Bedenken haben, die Muscidenentwicklung in dem
hier angegebenen Sinne mit Rücksicht auf die; Ergebnisse an anderen Formen zu erklären,
Ich kann jedoch die letztere Methode nur für die allein zulässige betrachten und halte es
nicht für richtig, wenn neuerdings der Versuch gemacht wird,-die Entwicklung der genannten
Dipteren sogar als „Grundlage für weitereEorschungen auf dem Gebiete der Insektenembryologie“
hinzustellen und von ihr ausgehend dann die Keimblätterfrage überhaupt beurteilen zu wollen.
Man vergegenwärtige sieh n ur, dass die Fliegen zu den cyelorhaphen Dipte®tf
hören und mithin zu den extremsten Insektenformen zu rechnen sind, die wir überhaupt kennen.
Ich brauche nur auf das eigenartige Flügelgeäder und die durch Flügelschüppchen bedeckten
Schwingkölbchen der Musciden, auf die ganz einseitige Ausbildung der Mundwerkzeuge dieser
Tiere"; auf ihre; -stark modifizierten aeephalen Larvenformen, auf die komplizierte Art der
Metamorphose und die: Rolle, welche die: PhagOcytose;,- dabei spielt, auf die ,Tönnchenpuppe
u. s. w, hinzuweisen. 'Es steht ferner fest, dass.; auch geologisch die Dipteren überhaupt Weit
jüngeren Datums sind, als die hemimetabolen und paurometabolen Insekten.
■ Die Wahrscheinlichkeit, dass aber derartige Insekten, welche wie besonders die Diptera
cyclorhapha, zweifellos in so ausserordentlich hohem Masse schon spezialisiert sind, und die
namentlich in ihrer , gesamten postembryonälen Entwicklung solche ungemein weitgehenden
sekundären Abänderungen bereits ganz evident zu erkennen geben, nun in ihrer EmbryonaL
entwicklung gerade. ein getreues und reines Abbild stammesgeschichtlicher Vorgänge noch
bewahrt haben sollten, ist denn doch wohl auf ein Minimum reduziert. Wenn man die Musciden
als Basis wählen und von ihnen ausgehend die embryonalen Verhältnisse bei den übrigen
Insekten deuten wollte, Iso würde dies zu ähnlichen verhängnisvollen Konsequenzen führen,
wie wenn ein vergleichender Anatom gestützt auf Beobachtungen an dem Schädel- eines Walfisches
die Zusammensetzung des Kopfes in der Reihe der Wirbeltiere zu erklären beabsichtigte.
Nur d e r um g e k e h rte W e g , a u f s te ig e n d v o n e in f a c h e r e n zu k om p liz ie r te r e n
F o rm e n d a r f b e s c h r i f t e n w e rd e n , u n d mit H ilfe der. von mir v e r tr e te n e n A u ffa
s s u n g d ü r f te es n ic h t s c hw e r fa lle n , d ie em b ry o n a le n V o rg ä n g e b e i d en Musc
id e n a ü f d ie je n ig e n m eh r u r s p rü n g lic h o r g a n is ie r te r A rth ro p o d e n u n d a n d e r e r
»och e in f a c h e r g e b a u t e r In s e k te n z.u. b e zieh en . Wie auch wieder aus der Embryo
iogic der Scolopciuler hervorgeht, zeigt die Entwicklungsgeschichte der Arthropoden geradezu
in wunderbar deutlicher Weise, dass mit dem Fortschritt und der Vervollkommnung der
Körperorganisation auch allmähliche stufenweise Umwandlungen der Ontogenie Hand in Hand
gegangen^sind, die in der Entstehung des Dorsalorgans und der Embryonalhüllen, in der
abweichenden Segmentierung und in der modifizierten Entwicklung der verschiedenen Orgän-
anlägen sich vielfach beinahe noch-Schritt für Schritt verfolgen lassen. Wenn es auch hier
natürlich noch zahlreiche Lücken im einzelnen auszufüllen giebt, so dürfte doch wenigstens
gegenwärtig schon in grossen Grundzügen der Zusammenhang deutlich erkennbar sein.
Eine Übereinstimmung der Keimblätterbildung der hoch organisierten Musciden mit derjenigen
einfache*, gebauter Insekten (und anderer Arthropoden) halte ich. jedenfalls für zweifellos,
und zwar um so .mehr, als, um auch der Worte Escherichs mich zu bedienen, es wohl
kaum anzunehmen ist, „dass in der aberranten und scharf charakterisierten Gruppe der Insekten
solche pr.inzipiellenBnterschiede in der Anlage der Keimblätter bestehen sollten.“
6. Über latentes und anachronistisches Entoderm.
In diesem letzten Abschnitte; ;ist es meine Absicht, noch auf einige allgemeinere Gesichtspunkte
aufmerksam zu machen, die, wie ich hoffe., gleichfalls zur Klärung mancher Begriffe
hinsichtliehjpfer hier interessierenden Keimblätterfrage beitragen dürften.
Als. R e s u l ta t m e in e r U n te r s u c h u n g e n an S c o lo p e n d r a und an I n s e k te n
hälfe sich e rg e b e n , d a s s man in d e r G ru p p e de.r le tz tg e n a n n te n A r th ro p o d e n zu
u n t e r s c h e id e n h a t, zw is c h en dem (p rim ä re n I)o ttc rz c lle n -)K .n to d e rn i u n d den
a u s s e r dem nlllok; v o rh a n d e n e n (s e k u n d ä re n ) u n d a ls E r s a tz fü r e r s t e r e s ein-
t r e te r b le n M ittfti;d a rm an lag en . Diese unterscheiden sich von jenen sofort durch ihre aus-
nahmsjJJ bipolare EntsteHungsweise. Vielleicht mehr noch als letzteres fällt aber -wohl der
Umstand ins Gewicht, dassiMas^MtterzellenMlntöderm durch einen Vorgang, welcher mit
der Gastrulation der Myriopoden und Anneliden vergleichbar ist, vom Ektoderm (Blastoderm)
.sich ssondert, während die (sekundären) Mitteldarmanlagen erst in einem späteren Entwicklungsstadium,
in den meisten Fällen erst nach der Bildung des Embryonalkörpers (Keimstreifs),
mithin also auch erst nach der Sonderung der primären Keimblätter oder der Gastrulation
zum Vorschein kommen.
Wenn es auch selbstverständlich nicht ausgeschlossen ist, dass es durch spätere
Untersuchungen noch einmal möglich sein wird, die Mitteldarmanlagen in letzter Instanz
auf das primäre Dotterzellenentoderm' zurückzuführen, .söv:lässt sich doch hierüber noch
gar nichts bestimmtes sagen und unbedingt wird doch immer die Bildung des Dotterzelleneritodermsbei
den Insekten allein als Gastrulation zu bezeichnen sein. A lle V e rsu c h e ,
ä ü c h d ie E n ts te h u n g d e r b e id e n M itte ld a rm a n la g e n a u f d ie G a s tr u la tio n s -
e r s c h e in u n g e n a n d e r e r M e ta z o e n u n d a u f d ie B ild u n g e in e s U rd a rm s z u rü c k z
u fü h re n , w e rd e n und m ü sse n immer s c h e it e r n , weil es s ic h b e i dem A u f tr e te n
d e r M itte ld a rm a n lä g e n n ic h t um e in ;e ;.p h y lo g en e tisch u r s p rü n g lic h e E inrichtung,
so n d e rn um c ä n o g e n e tis c h e , n eu e rw o rb e n e Vorgänge-;-handelt.
Die Entwicklung einer vom (Dotterzellen-)Entoderm ganz unabhängigen vorderen und
Zöolögioa. Heft 88, 2 9