erkennt indessen an der Abbildung die in vielfache Falten gelegte hintere Schalenhälfte, und
man bemerkt weiter die abgestreifte embryonale Cuticula, welche vorn noch an den Antennenspitzen
haftet. Mit dem Abwerfen der Cuticula werden auch gleichzeitig die Eizähne entfernt,
einer derselben, der sich an dem von der Antenne ausgehenden Streifen der Cuticula befindet,
ist in Fig. 31 (e z) zu sehen.
Der Embryonalkörper gewinnt nach der Häutung annähernd eine cylindrische Gestalt,
die Mitte desselben, in welcher das meiste Dottermaterial angehäuft ist, ist am dicksten, vorn
und hinten verschmälert sich der Körperumfang etwas. Während dieser Zeit geht die noch
zu beschreibende weitere Ausbildung der Extremitäten vor sich. Im Innern beschränkt sich
die Entwicklung hauptsächlich auf die Entfaltung der verschiedenen inzwischen angelegten
Organanlagen, es findet besonders ein Wachstum der Muskulatur und des Fettkörpergewebes
statt. Selbstverständlich führen diese Entwicklungsvorgänge zu einem intensiven Verbrauch
von Nährsubstanz, es verringert sich schnell die im Mitteldarm eingeschlossene Dottermasse,
und der Körper fällt mit dem fortschreitenden Längenwachstum auch mehr und mehr zusammen.
Inzwischen sind die Überreste der Eischale und der ersten Larvencuticula verloren
gegangen. Da das Muttertier die Embryonen nicht ruhig hält, sondern sie mit den Beinen
von Zeit zu Zeit durcheinander schiebt, so ist es möglich, dass hierbei die Schalenreste zu
Boden fallen, und andererseits ist es vielleicht auch nicht ausgeschlossen, dass letztere von der
Mutter gefressen werden.
Nach einiger Zeit erfolgt eine abermalige Häutung, welche ich allerdings nicht direkt
beobachten, sondern sie nur aus folgenden Umständen erschliessen konnte. Die zweite Cuticula,
welche nach Abstreifung der embryonalen Cuticula und der Schale zum Vorschein kommt,
ist nämlich nahezu glatt, sie hebt sich jedoch schon nach relativ kurzer Zeit vom Körper ab,
und unter ihr gelangt eine neue, dritte Cuticula zur Ausbildung, welche eine zierliche Skulptur
in Gestalt kleiner sechsseitiger oder polygonaler Maschen, den Abdrücken der einzelnen Hypo|'
dermiszellen, aufweist. Die abgehobene glatte Haut geht hierauf gänzlich verloren, und die
skulpturierte Cuticula bildet alsdann die einzige, der Körperoberfläche zunächst noch eng anliegende
Bedeckung. Letzteres Verhalten giebt sich mit Deutlichkeit zu erkennen, es muss
also notwendiger Weise eine abermalige Häutung stattgefunden und zur Abstreifung der glatten
zweiten Cuticula geführt haben.
Mit dieser zweiten Häutung ist übrigens wiederum eine sehr erhebliche Streckung des
ganzen Körpers verbunden, der im vorderen und hinteren Abschnitt bereits die definitive
dorsoventral abgeplattete Gestalt annimmt, während er im mittleren Teil noch cylinderförmig
ist. Der Embryo geht hiermit in ein Übergangsstadium über, welches ich unter Verwendung
einer von Latzei (1880) eingeführten Bezeichnung Fetus (junge Brut) nennen will.
Ich bemerke, dass es sich im Fetusstadium (Fig. 30) bereits um angehende junge Scolo-
pender handelt. Es treten jetzt die ersten Muskelkontraktionen auf, und nach einiger Zeit
kriechen die jungen Tiere langsam übereinander, wobei sie allerdings zunächst noch in dem
von den Beinen des Muttertiers umschlossenen Raum bleiben. Es dauert nicht lange, so
zwängen sich aber einzelne Individuen auch zwischen den Beinen hindurch und kriechen auf
dem Körper der Mutter sehr langsam herum, ohne jedoch den letzteren zu verlassen.
Ich konnte diese Vorgänge mehrere Tage hindurch bei einem Weibchen von Scol. cing.
beobachten, das zufällig sein Nest dicht an der Glaswand des Terrariums aufgeschlagen hatte.
Die. Feten sind farblos, ihr Körper ist schneeweiss, braun sind nur die jederseits am Kopfrande
befindlichen 4 Augen gefärbt. Die Tierchen besitzen namentlich in den ersten Tagen noch ein
madenartiges Aussehen und liegen anfangs unbeweglich, nur hier und dort sieht man bisweilen
eine Antenne oder ein Beinchen zucken. Erst später werden sie etwas lebhafter und gewinnen
die Fähigkeit, sich mit ihren Extremitäten fortzuschieben, wobei sie aber wie gesagt noch alle
bei ihrer Mutter bleiben.
Es ist mir leider nicht gelungen bei Scol. cing. die weitere Entwicklung dieser Feten
direkt verfolgen zu können. Bei den unvermeidlichen Eingriffen und Beunruhigungen, denen ich
zum Zwecke der Beobachtung und Materialgewinnung die Tiere aussetzen musste, haben regelmässig
die Mutterscolopender ihre Brut verlassen, die damit dem Tode geweiht war. In zwei anderen
Fällen aber hatte die ungestört gebliebene Mutter zum Schluss ihre gesamte Nachkommenschaft
aufgefressen, ohne dass ich die Ursache dieses Kannibalismus habe ermitteln können.
Glücklicher war ich hingegen mit meinen Versuchen an Scol. dalm. Die Weibchen dieser
Form erwiesen sich bei dem Brutgeschäft überhaupt viel ausdauernder, sie vertragen wenigstens
in der Regel selbst wiederholtes Aufdecken der Brutstätte ganz gut. Die bei der Mutter befindlichen
Feten schickten sich bei Scol. dahn: zu einer abermaligen (dritten) Häutung an und
gewannen nach derselben eine gelbliche Färbung, die durch Verdickung und stärkere Chitini-
sierung der Cuticula bedin gt w ird. Bald nach dieser Häutung begannen die Tierchen freiwillig
die Mutter zu verlassen und sich in dem umliegenden Erdreich zu zerstreuen.1)
Ist die dritte Häutung vollzogen, so sind also die Tierchen fähig, sich selbständig fortzuhelfen,
sie treten damit in das sogenannte Adolescensstadium, im Sinne von Latzei (1880), ein. Ihre
Färbung wird immer dunkler, namentlich die Beine gewinnen jetzt ein grünliches Aussehen, während
die Rückenschilder hauptsächlich vorn und hinten noch bräunlich gefärbt sind. Der Dottervorrat
im Innern ist erschöpft, die Fresslust stellt sich ein, und es gelang mir leicht, die Tierchen
mit frischer Insektenkost (der Länge nach aufgeschnittenen Mehlwürmern) zu ernähren.
Nach etwa 15—-20 Tagen erfolgte eine -abermalige (vierte) Häutung. Die Tierchen be-
sassen nunmehr eine Länge von 2—2,5 cm, ohne Einrechnung der Endbeine. Vorder- und
Hinterende hatten noch einen etwas bräunlichen Farbentön. Im übrigen war aber ihre Färbung
schon fast ganz die charakteristische olivengrüne der ausgewachsenen Individuen, mit denen sie
bereits in allen charakteristischen Merkmalen übereinstimmten. Scolopender in der angegebenen
Grösse sind nicht schwer im Freien zu finden, ich habe mit diesem Stadium meine Zuchtversuche
an Scol. dahn. abgebrochen.
Bei Scol. cing. dürfte der Entwicklungsgang zweifellos ein sehr ähnlicher sein. Die
ältesten Feten dieser Form, welche ich untersuchen konnte, befanden sich nämlich kurz vor der
dritten Häutung. Unter der abgehobenen Cuticula war daher eine neue Chitinschicht bereits
vollständig entwickelt. Diese neue Cuticularschicht stimmte nun sogar in Details z. B. hirn-
sichtlich ihres Besatzes mit Dornen und Stacheln schon fast ganz mit der späteren definitiven
Körperbedeckung überein, ein Umstand, der darauf hindeutet, dass auch -bei Scol. cing. nach
Abstreifung der fetalen Cuticula die Tierchen in das Adolescens-Stadium übergehen.
Wenn in dem fetalen Stadium die jungen Tiere noch nicht ohne mütterliche Pflege sich
') Einmal fand ich in meinem Vivarium ein ganzes Gelege von Scol. dalm., das aus Tierchen bestand, welche die
dritte Häutung überstanden hatten, aber noch alle beisammen waren, während die Mutter fehlte. In diesem Falle hatte also
offenbar die Mutter aus freien Stücken die nicht mehr der Pflege bedürftige Nachkommenschaft verlassen.