frühzeitige Invagination gesagt habe. Letzteres ist meiner Überzeugung nach lediglich auf mechanischem
Wege durch frühzeitige Invagination der Körperanlage zustande gekommen, und zwar
durch eine Einkrümmung, welche sich als solche erst bei den amnioten Insekten neu entwickelt
hat, während sie den Vorfahren derselben aller Wahrscheinlichkeit nach fehlte. Es ist meiner Ansicht
nach nicht notwendig und vor allem aber auch nicht einmal zutreffend, die Amnionbildung
bei den Insekten dadurch zu erklären, dass man die Vererbung von bestimmten embryonalen
Krümmungen von peripatusartigen Urformen her annimmt. Letzteres ist aber, wenn ich ihn recht
verstehe, von Seiten Willey’s geschehen, der der ventralen Krümmung als solcher eine gewisse
phylogenetische Wichtigkeit zuspricht, von dieser aber scharf die kaudale Krümmung des
hinteren Körperendes unterscheidet, weil bei Peripatus ,,is no connection whatever between
the primitive ventral flexure and the caudal flexure“ . Im Interesse einer leichteren Übersicht
will ich nunmehr hier gestützt auf meine jetzigen Untersuchungen an Scolopendra und früheren
Beobachtungen an Insekten, einen Überblick über die in Frage kommenden wichtigsten Krümmungserscheinungen
geben, um damit zugleich die Art und Weise, in welcher dieselben entsprechend
dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse meiner Ansicht nach am besten aufeinander
zu beziehen und am ungezwungensten von einander abzuleiten sind, klar zu machen.
I. D o r s a l g e k r ü m m t e r K e im s t r e i f o h n e A m n io n .
Dieser einfachste Typus findet sich vertreten bei kugelig gestalteten Eiern zahlreicher Arthropoden,
namentlich auch bei den hier in erster Linie in Frage kommenden ateloceraten Formen.
Der Keimstreif ist bandförmig, er befindet sich an der Oberfläche des Eies (superficieller Keimstreif),
ein Amnion ist nicht vorhanden. Die Dorsalfläche des Keimstreifs ist entsprechend der
Wölbung des Eies etwas konkav (dorsale
Krümmung), eine besondere Einkrümmung
des Vorder- oder Hinterendes
(Cephalkrümmung, Kaudalkrümmung)
fehlt, so dass der Keimstreif
im wesentlichen bandförmig ist.
Derselbe behält diese Gestalt während
der ganzen zweitenEntwicklungsperiode
bei. Später kommt es zu einer Einknickung
des Körpers (Übergang zur
dritten Periode), dessen ventrale Fläche
damit konkav wird (ventrale Krümmung).
In dieser Stellung (Fig. 25, 31)
werden die letzten Entwicklungsphasen
durchlaufen, es findet die Ausbildung
der definitiven Körpergestalt des jungen
Tieres statt. Diesen Entwicklungstypus
betrachte ich aus dem Grunde
*do
tels
M
Fig. XXVII. Keimstreif von Scolopendra. an = Antenne, bld = Ektoderm,
do — Eidotter, dorg = Dorsalorgan, m p d = Kieferfuss, pran =
Präantenne, p21 = Endbeiri, tels = Telson.
als den für alle Arthropoden ursprünglich charakteristischen, weil er sich sowohl bei Crustaceen,
wie bei Arachnoiden, bei Myriopoden (namentlich Chilopoden) und bei niederen amnionlosen
Insekten (Campodea, Poduriden) mit nur geringen Modifikationen wiederfindet.
II. K e im s tr e if mit v e n tr a le r Krüm m u n g o h n e Ar
Als Beispiel für ,den zweiten Typus können viele Diplopoden (Julus,
Polydesmus u. a;) namhaft gemacht werden. Es erfolgt hier schon frühzeitig
eine Einsenkung der gesamten Embryonalanlage in den Dotter, so
dass der Keimstreif bereits während der zweiten Entwicklungsperiode
ventral eingekrümmt im Dotter liegt und der Körper mithin von vorn
herein seine definitive Lage besitzt, die er auch während der dritten Entwicklungsperiode
unverändert bis zum Ausschlüpfen beibehält. Eine Kaudalkrümmung
und ein Amnion fehlen. Die frühzeitige Invagination des
Keimstreifs in den Dotter, welche für diesen Entwicklungstypus charakteristisch
ist, betrachte ich mit Korschelt und Heider (1892) als eine
sekundär eingetretene Modifikation und bemerke hierzu, dass nach meinen
Beobachtungen selbst bei manchen Diplopoden (Glomeris europaea Verk.)
die Entwicklung sich noch ganz dem ersten Typus gemäss vollzieht.
'So
tels
K e im s tr e if m it v e n tr a le r Krümmung
u n v o lls tä n d ig em Amnion.
und
Fig. XXVIII.
Keimstreif von Polyxenus,
schematisch nach der Darstellung
von Metschnikoff
(1874, Tafel 26, Fig. 11).
ceph = Vorderkopf (Proto-
cephalon), do = Eidotter,
Dieser Typus ist selbständig aus dem ersten Typus entstanden, er tels = Telson.
besitzt nur eine gewisse oberflächliche Ähnlichkeit mit dem zweiten Typus.
Als Beispiel dient Lepisma. Bei diesem Insekt erfolgt, wie ich früher gezeigt habe (1897), eine
frühzeitige ventrale Einkrümmung der Embryonalanlage in den Dotter, wobei die angrenzenden
Teile des embryonalen Ektoderms den eingesenkten 9o-to
Körper in Gestalt von Embryonalhüllen bedecken. Im
Anschluss an die Einsenkung in den Dotter findet dann
alsbald bei Lepisma eine charakteristische Einknickung
des hinteren Körperendes (eaud) statt, die in jeder
Hinsicht bereits der Kaudalkrümmung höherer Insekten
entspricht, dagegen den Chilopoden, Diplo-J
poden und amnionlosen Insekten noch durchaus
fehlt. Bei den letzteren kommt es zwar auch (meist
in späteren Stadien) zu einer Krümmung (ventraler
Krümmung) die aber stets in der Mitte des Körpers
gelegen ist und nicht mit der kaudalen Einkrümm-
ung, welche nur die hintersten Körpersegmente betrifft,
verwechselt werden darf.
Vergleicht man die Entwicklung von Lepisma
mit dem für die Diplopoden im allgemeinen charakteristischen
zweiten Entwicklungstypus, so ergiebt
Fig. XXIX. Keimstreif von Lepisma saccharina L.
am = Amnion, caud = das infolge der Kaudal-
krümmung nach vom umgebogene Hinterende des
Körpers, do .== Eidotter, dors = Dorsalseite des Eies,
h = Hinterende des Eies, por = Amnionporus, ser =
Serosa, v = Vorderende des Eies, v en t = Ventralseite
des Eies.
sich namentlich dadurch ein Unterschied, dass bei Lepisma zwischen der zweiten und dritten
Entwicklungsperiode, ein scharfer Gegensatz existiert. Dieser Gegensatz fehlt den Diplopoden
und gestattet es nicht eine genetische Beziehung zwischen dem zweiten Typus und dem in Rede