Die S c h e ite l p l a t t e der jungen Nordseelarve bildet einen querovalen Zellhaufen,
dessen vorderer Rand etwas konkav ist, während der hintere etwas konvex ausgebogen ist;
dabei ist der Rand ringsum scharf abgesetzt bis auf die Stelle, wo der Mu. dorsalis in das
Epithel Übertritt. Die Scheitelplatte enthält an ihrer Basis die Nervenfasermasse, welche sich
seitlich in die Seitennerven fortsetzt und in der Mitte eine starke Anschwellung zeigt. Unter
dieser liegen nur wenige kleine Flachzellen, über ihr ein dichter Haufen grösser Ganglienzellenkerne,
über denen wiederum kleine dunkle Kerne folgen. (Taf. I, Fig. 13, Taf. X.|
In letzterem Kernpolster n |f Zellgrenzen sind nicht zu unterscheiden, da die Kerne sich
dicht aneinander drängen — sieht man schon frühzeitig zwei seitlich-dorsale, runde Haufen
differenziert, an welchen unten die Retraktoren inserieren. Es sind die Anlagen der e in g e s
tü lp t e n ts te h e n d e n Tentakeln des Wurmkopfes.
An den Seiten der Scheitelplatte finden sich nahe der Oberfläche die A u g e n , nach
aussen offene Becher, von roten ölartigen Tröpfchen gebildet, deren Farbbeständigkeit gegen
Reagentien auffällig ist. (Taf. I, Fig. 13.) Das Innere des Bechers ist von einer hellen lichtbrechenden
Substanz erfüllt, welche in zahlreichen, radiär von aussen nach innen divergierenden,
ausserordentlich schwach markierten Prismen angeordnet ist. Von besonderen, zugehörigen
Kernen ist im und auf dem Augenbecher nichts zu sehen. Stellenweis^e läst sich der „Nervus
opticus“ dieses primitiven Auges erkennen, zarte Fasern, die von der Basalfasermasse zum
Pigmentbecher ziehen und sehr häufig in ihrer ganzen Länge ebenfalls von Pigmentkörnchen
umkleidet sind. Vielleicht darf man die blassen Prismen des „lichtbrechenden Körpers“ als
Endigung dieser Fasern auffassen. Die so differenzierten Nervenendigungen wären dann von
den umliegenden Ektodermzellen aus mit Pigment umgeben. Dem spricht allerdings entgegen,
dass wir in den assymmetrischen Augenkeimen von Adrialarven zuerst an der Aussenseite
einiger Zellen eine einfache flache Schicht von Pigmentkörnchen ^ehen und erst später die
Becherform und den lichtbrechenden Körper konstatieren können.
Ausser diesen Augen, die übrigens zwar vom Wurm übernommen werden, aber nur,
um dann mit dem Herabsinken des jungen Wurmes zum Meeresgrund alsbald förmlich aufgelöst
zu werden, finden sich an den Seiten der Scheitelplatte unterhalb der Pigmentbecher
jederseits bei jungen Larven 1, bei älteren 3—4 runde gelbe Körper, deren Masse fein
granuliert erscheint und im Zentrum ein spaltförmiges Lumen zeigen kann. Ein ebensolches
Gebilde findet sich oberhalb der Fasermasse, gerade in der Mitte der Scheitelplatte. Wahrscheinlich
sind es „Drüsen“, wie solche im Scheitelganglion verschiedener Wurmlarven be-
'schrieben wurden. Da ihr Bau jedoch von dem der beschriebenen Exkretionszellen unserer
Larven ganz abweicht, so lässt sich über ihre Bedeutung nichts aussagen.
Die W im p e rg ru b e n entstehen erst viel später und gehören, ebenso wie die weitere
Ausbildung der Scheitelplätte, zum Wurmkopf in die Organogenese des Annelids (cf. Cap. II
pag. 59).
Von dieser Scheitelplatte gehen nun acht radiäre Nerven aus.P$(Taf. III, Fig. 1.) Davon
sind von vornherein die bei weitem stärksten die Seitennerven. Vor diesen finden sich
zwei, hinter ihnen vier sämtlich viel zartere R a d iä rn e rv e n .
Die S e ite n n e rv e n entspringen der basalen Fasermasse an den ein wenig nach vorn
gerichteten Seitenrändern der nierenförmigen Scheitelplatte, ziehen dann, falls, wie fast stets,
die Platte etwas oder ganz eingesenkt ist, an ihrer Aussenseite nach oben und verlaufen von
hier dicht unter den Epithelzellen hin nach dem Prototroch. Sie folgen dabei aber nicht den
seitlichen Meridianen, sondern weichen ziemlich beträchtlich nach vorn von diesen ab. Die
Troche werden an d e r A u s s e n s e ite der Ringmuskeln passiert, (Taf. IV, Fig. 6), von ihnen
aus ziehen die Nerven zu den „Ansatz“-Zipfeln der Rumpfanlage, indem sie auch die Hyposphäre
in einen kleineren ventralen und einen grösseren dorsalen Abschnitt zerlegen.
Sie müssen natürlich auch das (aus Ganglienzellen
und verbindenden Fasern bestehende) Nervensystem der
Troche passieren, wobei auffällig ist, dass sie mit diesem
nicht zu kommunizieren scheinen; nur manchmal sieht man
einige „Zwischentroehfasern“ (cf. unten) sich an die Seitennerven
anlegen.
Von der Ansatzstelle der Rumpfanlage ziehen die
beiden Nerven in dem Aussenblatt der Ventralfalte konvergierend
ein Stück aufwärts, um sich dann zur Bildung des
Unterschlundganglions, oder besser seiner Querkommissur,
zu vereinigen.
Von hier aus lässt sich verfolgen, wie die Bildung
des Bauchstrangs analwärts fortschreitet.
2. Das vergängliche Nervensystem der Trochophora.
a. Die R a d iä rn e rv e n .
Durch die Seitennerven wird die Episphäre in eine
kleine vordere (ventrale) und grössere hintere (dorsale) Fläche
geteilt. Die kleinere über dem Mund gelegene Fläche wird
durch die von der Scheitelplatte zum Prototroch verlaufenden
zwei V e n tr a ls tr ä n g e in drei Teile zerlegt. Der
grössere mittlere Teil wird also durch diese zwei Stränge
eingeschlossen, die zwei kleineren seitlichen liegen zwischen
Seitennerven und Ventralsträngen. (Taf. III, Fig 1.)
Dorsal entsprechen diesen Nerven zunächst die zwei
D o r s a l a t e r a l s t r ä n g e , a b e r hier umgreifen sie kein einheitliches
Mittelfeld, sondern dieses wird noch durch die
beiden D o r s om e d ia n s tr ä n g e in drei weitere Felder geteilt,
deren schmales mittleres den Rückenmuskel enthält.
So begrenzen die acht radiären Nervenstränge (inclus. Seitennerven)
F ig . 4.
D ie R a d i ä r n e r v e n u n d H a u p t g a n g l
ie n z e ll e n (X ) d e r E p is p h ä r e .
1 ,2 V en tralsträn g e, 3 ,4 N. laterales, 5,6 D orso-
lateralsträn g e, 7, 8 D o rsom ed ian strän g e. D ie
- p u n k tie rte n L inien bezeich n en die Mu.
lat. u n d d en Mu. dors.
Mu. dors.
F ig . 5. N o r d s e e l a r v e v o n u n t e n g e s
e h e n (H yposphäre).
W u rm after m it P igm en tkran z u n d an u s Iarvae.
N ephridien . K ran z von M etatro chdrüsen.
im ganzen acht i. wr. dreieckige Flächen der Episphäre. Von diesen Strängen treten
nur die Seitennerven auf die Hyposphäre über, während die sechs zarten Radiärnerven unter
dem Prototroch endigen. Jeder Nerv enthält nur wenige blasse Fasern, welche den charakteristischen
leicht gewellten Verlauf der Nervenfasern zeigen und häufig von feinen Körnchen,