noch einige Zeit nach der Einkrümmung des Keimstreifs in der vorderen dorsalen Körperpartie
des Embryos nachgewiesen werden kann. Das Dorsalorgan besitzt immer einen scharf
begrenzten gegen den Kopf zugewendeten Rand, während es auf der entgegengesetzten Seite
unmerklich und ohne eigentlich# Grenze in die nicht verdickte Membrana, dorsalis übergeht.
Andeutungen einer paarigen Entstehung des Dorsalorgans habe ich nicht beobachtet.
Uber den feineren Bau des Dorsalorgans geben Schnittserien Auskunft. Es zeigt sich
an letzteren, dass das Dorsalorgan mehrschichtig ist, während alle übrigen Teile der Dorsalhaut
nur einschichtig sind. Die Zellen, welche das Dorsalorgan zusammensetzen bieten grosse
Verschiedenheiten dar (Fig. 53). Während die distal gelegenen Zellen sich nicht von den
typischen Ektodermzellen der Membrana dorsalis unterscheiden, so sind an den weiter proximal
befindlichen Zellen die eigentümlichsten Kernstrukturen bemerkbar. Das Chromatin ballt sieh
daselbst häufig zu intensiv sich färbenden Kugeln zusammen. In anderen Fällen schwindet
die Kernmembran, und man trifft alsdann im Zellplasma zerstreut kleine Chromatinkügelchen
oder Halbringe und Kringel aus Chromatin bestehend an. Im Zellplasma treten schliesslich
Vakuolen auf, die Zellgrenzen werden undeutlich und verwischen sich dann gänzlich. Es
handelt sich hierbei zweifellos um Degenerationserscheinungen, von denen aber nur die tieferen
mehr proximal befindlichen Zellen des Dorsalorgans betroffen werden, während die oberflächlichen
Zellen desselben ihr gewöhnliches Aussehen bewahren und auch gelegentlich normale
Mitosen erkennen lassen. Öb eine Überwachsung der degenerierenden Zellen des Dorsal-
4rgans von den angrenzenden Zellen der Dorsalhaut stattfindet, konnte ich nicht ermitteln
halte dies aber nicht für ausgeschlossen.
Während der Auflösung der tieferen Schichten des Dorsalorgans legen sich von innen
her an die betreffende Stelle zahlreiche Entodermzellen an (Fig. 53 ene), welche zweifello|i
die Reste der zerfallenden Zellen aufzunehmen haben. Thatsächlich ist es vielfach gar nicht
möglich, eine Grenze zwischen den letzteren und den Entodermzellen zu ziehen. Bei der Resorption
der Zerfallprodukte scheinen aber nicht allein Entodermzellen thätig zu sein sondern
es beteiligen sich sehr wahrscheinlich hieran auch noch Dotterzellen. Von diesen pflegt wenigstens
regelmässig (Fig. 53 de) eine Anzahl zur Mpteroberfläche emporzusteigen, und an dem
betreffenden Orte, wo die Auflösung des Dorsalorgans vor sich geht, an die proximale Seite
der Entodermzellen sich anzuschliessen.
Die Degeneration des Dörsalorgans ist, wie erwähnt, in sofern nur eine partielle, als
lediglich die inneren Teile desselben der Zerstörung anheimfallen. Die äusserste Schicht
bleibt intakt und unterscheidet sich noch während einiger Zeit von dem angrenzenden dör- •
salen Ektoderm durch grössere Dicke, bis sie bei dem weiteren Wachstum des Embryos dann
nicht mehr hervortritt.
2. Die morphologische Bedeutung des Dorsalorgans nebst Bemerkungen über die Krümmungen
des Keimstreifs bei Myriopoden und Insekten.
a. D o rs a lo rg an e und Keimhüllen.
Es ist nicht ganz leicht, eine bestimmte Vorstellung von dem Zweck des Dorsalorgans
bei Scolopendra und von der physiologischen Notwendigkeit des Auftretens einer solchen Bildung
zu gewinnen. Eine Anzahl von ektodermalen Zellen in der späteren Nackenregion des
Körpers zeigt plötzlich Degenerationserscheinungen und geht zu Grunde. Es sind lediglich
diese degenerierenden Zellen, welche durch ihre Ansammlung an einer bestimmten Stelle bei
Scolopendra das sog. Dorsal-,,Organ“ bilden, eine Bezeichnung, die ich nur deswegen gewählt
habe, weil übereinstimmende Gebilde bei Embryonen anderer Arthropoden unter diesem Namen
zu figurieren pflegen.
Besondere Eigentümlichkeiten sind an den Zellen der Membrana dorsalis vor dem Auseinanderweichen
der Seitenhälften des Keimstreifs nirgends nachzuweisen. Es sind also auch
keine direkten Anhaltspunkte vorhanden, welche etwa zu der Annahme berechtigen könnten,
dass die Zellen der Membrana dorsalis in der betreffenden Region, in der später das Dorsalorgan
erscheint, irgend eine bestimmte Funktion, etwa Assimilation, Gasaustausch zwischen
dem Ei und der Aussenwelt oder ähnliches zu besorgen hätten. Eine Erklärung für die beschriebenen
Degenerationserscheinungen kann aber nur darin gesucht werden, dass entweder
die Lebensenergie der betreffenden Zellen nach einer bestimmten Thätigkeitsperiode schon
aufgebraucht ist, ähnlich wie dies für die lentigenen Zellen anzunehmen ist und wie dies unten
für die resorbierenden Zellen (Trophocyten) noch beschrieben werden wird, oder dass bei den
Wachstumserscheinungen und Lageveränderungen des Keimstreifs die Dorsalhaut in ihrer ganzen
ursprünglichen Ausdehnung nicht mehr erhalten bleiben kann, und dass infolge dessen ein gewisser
Abschnitt derselben beseitigt wird. Die Eliminierung dieser Partie des embryonalen
Ektoderms dürfte dann wohl auch zu einer Verkürzung der gesamten Membrana dorsalis führen,
die vielleicht im Interesse des weiteren Entwicklungsverlaufs liegen mag. Möglicherweise sprechen
beide Umstände mit, doch möchte ich mich auf Grund der oben geschilderten thatsächlichen
Beobachtungen mehr für die letztere Alternative entscheiden und mache dabei besonders auf
das gleichzeitige Auftreten des Dorsalorgans mit den Lageveränderungen des Keimstreifs auf
der Eioberfläche aufmerksam.
Nicht ohne Interesse ist ein Vergleich in morphologischer Hinsicht zwischen dem Dorsalorgan
von Scolopendra und ähnlichen Gebilden bei anderen Arthropoden.
Zunächst sei bemerkt, dass Dorsalorgane bei den übrigen Myriopoden noch nicht bekannt
geworden sind. Zograf (1883) hat bei Geophilus meines Wissens nichts derartiges
beschrieben und ebensowenig sind diesbezügliche Angaben für" Diplopoden gemacht worden.
Als Vergleichsobjekt mit Scolopendra kommt aber Peripatus capensis in Frage. Nach
Sedgwick (1887) zeigt sich bei letzterem in einem gewissen Embryonalstadium eine ekto-
dermale Verdickung, die, wie namentlich aus den Abbildungen von Sedgwick hervorgeht, auch
in der entsprechenden Körperregion wie bei Scolopendra liegt. Dieser „ektodermal hump“
ist bei Peripatus ursprünglich paarig und seine vakuolenreichen Zellen scheinen, wie überhaupt
die^dorsalen Ektodermzellen die Ernährung des Embryos von Seiten der ihn umspülenden
Uterusflüssigkeit zu vermitteln. ./Die Übereinstimmung zwischen der geschilderten Bildung bei
Peripatus und dem Dorsalorgan von Scolopendra ist also anscheinend gerade keine sehr weitgehende,
doch ist immerhin das Vorhandensein einer Ektodermverdickung an der gleichen
Körperstelle bei den Embryonen beider Tiere beachtenswert.
Nachdem Sedgwick (1887) schon hervorgehoben hatte, dass wahrscheinlich eine funktioneile
Übereinstimmung zwischen der Dorsalhaut von Peripatus capensis und der Placenta
des durch v. Kennel (1885) untersuchten amerikanischen Peripatus edwardsi vorhanden sein
möge, sind neuerdings durch Willey (1899) in dieser Beziehung interessante Mitteilungen