däums zu entstehen. Ferner kommt in Betracht, dass die Dotterzellen und die Entoderm-
zellen des Scolopenders genetisch übereinstimmende Bildungen sind, während bei den höheren
Insekten zwischen den Dotterzellen und den Zellen der bipolaren Darmanlagen noch niemals
eine Beziehung hat nachgewiesen werden können, weil die beiderlei Zellelemente verschiedenen
ontogenetischen Bildungsprozessen ihre Entstehung verdanken. Überdies wird auch bei Scblö-
pendra eine der vorderen Mitteldarmanlage der Insekten zu vergleichende Bildung vermisst, und
es geht daher die Regeneration der embryonalen Trophocyten in abweichender Weise vor
sich, indem in dem einen Falle (Scolopendra) die Bildung des Darmepithels namentlich hinten,
zum Teil aber auch an mehreren anderen Stellen stattfindet., während sie in dem anderen
Falle nur an zwei ganz bestimmte Orte (Stomatodäum und Proctodäum) gebunden ist, von
denen sie bei den höheren Insekten ihren Ausgang nehmen muss.
Ich möchte also an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass der von mir bei Scolopendra
beobachtete entodermale Ursprung des Mitteldarms keine Handhabe bietet, um etwa auch für
die Insekten ohne weiteres das gleiche Verhalten anzunehmen.
Die Einzelheiten der Entwicklung des Mitteldarms aus dem äusseren Keimblatte habe ich
bei Insekten an Dermapteren und Orthopteren (1895a) untersucht und zum erstenmale genau
beschrieben. Die Verhältnisse liegen hier in der That so klar und überzeugend, dass meiner
Meinung nach an dem rein ektodermalen Ursprung des Mitteldarmepithels bei den genannten
Formen überhaupt gar kein Zweifel herrschen kann.
Meine Ergebnisse stehen übrigens auch im Einklang mit einzelnen älteren .Beobachtungen
von Gräber (1890,1891), die allerdings grösstenteils noch ziemlich vager Natur sind.
Vor allem haben aber inzwischen meine Befunde Bestätigung gefunden durch die Untersuchungen
von Rabito (1898) an anderen Orthopteren, durch diejenigen von; Lecaillon (1898); an
Coleopteren und von Schwartze (1899) an Lepidopteren. Meinen Deutungen und theoretischen
Folgerungen hat auch Bürger (1897) für Chalicodoma beigestimmt, einer Form, bei welcher
in Folge der ausserordentlich frühzeitigen Entstehung der Darmanlagen allerdings eine gewisse
aber nicht prinzipiell wichtige Modifikation im Vergleich zu den Orthopteren vorhanden ist.1)
Die Entstehung des Mitteldarmepithels aus dem Ektoderm des Stomatodäums und Procto-
däums kann, wie schon hervorgehoben wurde, ohne jede Schwierigkeit bei den von mir untersuchten
Orthopteren nachgewiesen werden, die unter den pterygoten Insekten bekanntlich eine sehr niedrige
Stufe einnehmen und zum Teil (Blattiden) in ihrem anatomischen Bau-sich noch eng an die
flügellosen Thysanuren anschliessen. Unsere Kenntnisse von der Organisation und der Entwicklungsgeschichte
der Insekten machen nun aber einen monophyletischen Ursprung der meisten
1) Bürger hebt ausdrücklich hervor, dass er sich hinsichtlich der Keimblätterfrage bei den Insekten meinen Ausführungen
und Folgerungen nicht verschliessen könne. Wenn der genannte Autor im Anschluss hieran aber sagt, dass bei
Chalicodoma das Mitteldarmepithel doch nicht eigentlich ektodermalen Ursprungs sei wie bei den Orthopteren, sondern dass
es von einer zum Ektoderm werdenden Partie des Blastoderms entspringe, mithin also blastodermaler Abkunft sei, so kann,
ich dem doch nicht ganz zustimmen.
Die im Dotter des Chalicodomaeies enthaltenen Dotterzellen stellen das Entoderm dar, dasjenige Stadium, in welchem
die Dotterzellen sich sämtlich abgesondert haben, entspricht also, wie auch Lecaillon folgerichtig betonte, bei den Insekten
dem zweischichtigen Gastrulastadium, so dass das „Blastoderm“ von diesem Zeitpunkt an genau genommen schon als
Ektoderm bezeichnet werden muss. Die ist wenigstens meiner Ansicht nach die richtigste Terminologie, denn es ist unmöglich,
die Ablösung der vorderen und der hinteren Mitteldarmanlage von Chalicodoma mit irgend einer bei niederen
Tieren vorkommenden Form der Gastrulation zu vergleichen.
Natürlich handelt es sich hierbei nur um eine Frage der Ausdrucksweise, durch welche aber selbstverständlich in keiner
Hinsicht die zwischen mir und Bürger bestehende prinzipielle Übereinstimmung in der Auffassung berührt wird..
pterygoten Insekten wahrscheinlich, jedenfalls steht wohl schon bereits so viel fest, dass die
Insecta holometabola nicht polyphyletisch entstanden sein können, sondern dass sie von gemeinsamen
Stammformen herrühren müssen, und man ist wohl auch weiterhin schon zu der Annahme
berechtigt, dass paurometabole Insekten und zwar wahrscheinlich gerade orthopterenähnliche
Tiere die gemeinsamen Stammformen und Ausgangs formen gewesen sein müssen.
Ist nun aber bei den Orthopteren das Mitteldarmepithel ein Derivat des Ektoderms, so
ist unter diesen Umständen wohl schon a priori anzunehmen, dass auch bei den höheren Insekten
mutatis mutandis dasselbe zutreffen muss. Von diesem Gesichtspunkt aus gewinnen die Befunde
von Löcaillon (1898) und Schwartze (1899) erhöhtes Interesse. Indem diese Forscher,
wie mir scheint durchaus einwandsfrei, dargelegt haben, dass bei den von ihnen untersuchten
holometabolen Insekten der Mitteldarm genau so wie bei den von mir studierten Orthopteren
u nd, Dermapteren aus dem Ektoderm des Stomatodäums und Proctodäums hervorgeht, haben
sie damit einen weiteren Beleg für die allerdings schon anderweitig genügend erwiesene enge
Verwandtschaft zwischen Paurometabola und Holometabola und für die Abstammung der letzteren
von den ersteren erbracht.
An der ektodermalen Herkunft des Mitteldarmepithels würde überhaupt wohl gar kein
Zweifel auftauchen können, wenn nicht bei gewissen extremen Vertretern der Holometabola
die Entwicklungsverhältnisse allerdings bereits etwas komplizierter als bei den Orthopteren
geworden wären. Da nun aber unglücklicher Weise seiner Zeit gerade zuerst derartig einseitig
differenzierte Holometabola (cyclorhaphe Dipteren, Hymenopteren etc.) in Bezug auf die
Darmbildung als Untersuchungsobjekte gedient haben, so erklärt es sich eben, dass überhaupt
missverständliche Auffassungen hinsichtlich der Bildung der Keimblätter und des Darms in der
Insektenembryologie sich einbürgern konnten und erklärlicher Weise dann auch bis jetzt von
einigen Autoren noch festgehalten und verteidigt werden:
Die bisherigen entwicklungsgeschichtlichen Arbeiten über die Holometabola lassen indessen,
mögen auch sonst die Standpunkte ihrer -Verfasser und damit die theoretischen Folgerungen
derselben noch so verschiedenartige sein, doch in einer Hinsicht keinen Zweifel aufkommen,
nämlich darüber, dass in allen Fällen ohne Ausnahme der Mitteldarm einen bipolaren Ursprung
besitzt, so dass, wie schon oben hervorgehoben wurde* stets auch bei den Holometabola eine
vordere und eine hintere Mitteldarmanlage zu unterscheiden sind, die sich überdies immer
dort befinden, wo auch Stomatodäum und Proctodäum sich bilden. Hiermit tritt jedenfalls
die prinzipielle Übereinstimmung, zwischen sämtlichen Holometabola einerseits und den als Ausgangsformen
.anzusehenden Orthopteren, andererseits wohl klar genug zu Tage. Gerade wie
bei den Orthopteren das Intestinum bipolar entsteht, indem es aus dem äusseren Keimblatt
am Vorderende und am Hinterende des Embryonalkörpers vermittelst zweier getrennter.
Anlagen hervorwächst, so gilt das gleiche auch im wesentlichen für alle bis jetzt untersuchten
Holometabola. Die Modifikation bei den letzteren besteht eigentlich nur darin, dasa
die beiden Mitteldarmanlagen in der Regel schon zeitiger als bei den Orthopteren sich differenzieren,
und. dass sie in manchen Fällen selbst schon auftreten können, ehe es noch zur Entwicklung
eines eigenen selbständigen Stomatodäums und Proctodäums gekommen ist. Diese
Modifikation ist jedoch für das Verständnis der hier interessierenden Verhältnisse thatsächlich
ohne Belang, als wichtiges Moment fällt dagegen die bipolare (getrennte vordere und hintere)
Anlage des Mitteldarms bei den Holometabola in die Wagschale, eine Entstehungsweise, welche