Ich stütze mich hauptsächlich wieder auf die Segmentierung des Gehirns sowie auf die
Form der Kopfanlage bei den Crustaceenembryonen.
Das Gehirn der ausgebildeten Crustaceen ist nach Viallanes (1893), der die neueste Beschreibung
des Crustaceengehirns gegeben hat, sehr ähnlich gebaut wie das Insektengehirn.
Wir unterscheiden an ersterem einen vorderen Teil (Protocörebron), einen mittleren (Deutero-
cerebron) und einen hinteren (Tritocerebron). Vom vorderen Hirnteil werden die Augen in-
nerviert, vom mittleren die Antennulae, vom hinteren die Antennen. Protocerebrum, Deutero-
cerebrum und Tritocerebrum der Crustaceen entsprechen den gleichnamigen Hirnteilen der
Insekten, es gilt dies nicht nur in den Grundzügen, sondern es trifft, wie Viallanes • nachgewiesen
hat, auch in den Einzelheiten ihres Baues, in der Bildung der Querkommissuren u. s. w.
zu. Man hat demnach das Deuterocerebrum der Krebse für homolog den Ganglien des Antennensegments,
das Tritocerebrum der Krebse für homolog den Ganglien des Intercalarseg-
ments bei den Insekten anzusehen. Hieraus folgt, dass im Protocerebrum der Crustaceen
die Ganglien des Präantennensegments und die Ganglienmasse des Acrons von Myriopoden und
Insekten enthalten sein müssen.
Wollte man die Präantennen der Myriopoden mit den Antennulae der Krebse vergleichen,
so würden die präantennalen Ganglien der ersteren dem Deuterocerebrum der letzteren entsprechen
müssen, es würde ferner das Deuterocerebrum der Myriopoden und Insekten mit dem
Tritocerebrum der Crustaceen zu homologisieren sein. Ein solcher Vergleich ist aber nicht möglich,
da nach Viallanes (1893) der Bau des Deuterocerebrums der Krebse von demjenigen des Proto-
cerebrums und Tritocerebrums der Insekten abweicht, während letzteres und das Tritocerebrum
der Krebse in übereinstimmender Weise durch eine postösophageale Kommissur vereinigt werden.
Im Anschluss an Viallanes (1893) und damit auch in Übereinstimmung mit den von
Korschelt und Heider (1892) ausgesprochenen Anschauungen betrachte ich daher die Antennulae
der Krebse für homolog den. Antennen der Tracheaten, so dass mithin die Antennen
der ersteren den rudimentären Intercalargliedmassen der letzteren gleich zu setzen sind.
Ein dem Präantennensegment von Scolopendra zu vergleichender Teil wird dieser Auffassung
zufolge demnach bei den Crustaceen fehlen, oder richtiger ausgedrückt, derselbe wird
schon beim Embryo mit dem Acron verschmolzen sein, um die beiden Kopflappen zu bilden.
Zieht man die Grösse der letzteren bei den Krebsembryonen in Betracht und vergleicht man
sie mit den sehr ähnlich gestalteten embryonalen Kopflappen von Insekten und Arachnoiden,
so dürfte die soeben gegebene Erklärung an Wahrscheinlichkeit gewinnen, denn gerade wie
verschiedene, oben angeführte Gründe dafür sprechen, dass die Kopflappen der luftatmenden
Arthropoden durch Verwachsung des primären, ersten postoralen Metamers mit dem Acron
zu Stande gekommen sind, so wird man dasselbe auch für die Crustaceen annehmen können,
obwohl allerdings bis jetzt bei den letzteren im Bereiche der Kopflappen noch keine Cölom-
säckchen und Anlagen von Rumpfganglien nachgewiesen werden konnten.
E s e rg ie b t sich h ierm it das R e su lta t, dass das Cephalon de r C ru sta c e en , gerad
e wie d a s Cephalon der Myriopoden und In se k ten aus dem Acron und sechs
p o s to ra le n Segm enten b e steht.
Auch die mit den Crustaceen stammverwandten Trilobiten lassen sich leicht in dieses
Schema einfügen. Der Kopf von Triarthrus ist nach Matthew (1893) und Beecher (1896) mit
fünf Gliedmassenpaaren versehen, deren vorderstes einästig bleibt und antennenförmig gestaltet
ist während die folgenden vier Paare zweiästige Extremitäten sind. Nimmt man an, dass
die schon bei Würmern teilweise in Fortfall gekommenen, oder modificierten Gliedmassen des
H Metamers (Präantennen) auch den Trilobiten (im ausgebildeten Zustande) fehlten, so lassen
sich ohne Schwierigkeit die einästigen vordersten Gliedmassen der letzteren mit den einästigen
Antennulae der recenten Crustaceen vergleichen, während die nächstfolgenden vier zweiästigen
Gliedmassenpaare der Trilobiten den übrigen Kopfgliedmassen (Antennen, Mandibeln, erstes
und zweites Maxillenpaar) der Krebse entsprechen, denen bekanntlich auch noch ursprünglich
der Charakter von Spaltfüssen zukommt.
Der leichteren Übersicht halber lasse ich hier zwei Tabellen folgen, welche das typische
Verhalten der primären Gliederung des Cephalons und der cephalen Ganglien bei den hauptsächlichsten
Gruppen der Arthropoden zur Anschauung bringen sollen.
Segmentierung des Cephalons bei den Arthropoden.
A t e lo c e r a t a 1) C h e l i c e r a t a 2j'V T e l e io c e r a ta 8)
Myriopoda Insecta Arachnoiden Gigantostraka Trilobita Crustacea
" [Scolopendra] [Forficüla]’ ' ' [Scoirpio] [Limulus] [Triarthrus] [Branchipus]
Äcrbn
1. M etam er
2. M etam er
3. M etam er
4. M etam er
5. M etam er
6. M etam er
7. M etam er
(A cron4)
P räan tenn en seg ir
A n tennen segm .
(In tercalarsegm .)
M andibelsegm .
. M axillensegm .
. M axillensegm .
, I (Protocephalon )
A n ten nen seg n v
(In tercalarsegm .)
M andibelsegm .
1. M axillensegm .
2. Maxillensegm .
I (Protocephalon)]- j.'(Protocéphal on) . . . . j (Protocephalon )
C helicerensegm . C helicerensegm . A ntennensegm . A ntennutasegm .
P ed ip alpen segm . 1. G natho p o d en sg. 1. G n ath o p o d en sg . A ntennensegm .
1. B einsegm . 2. G nath o p o d en sg . 2. G nath o p o d en sg . M andibelségm .
2. B einsegm . 3. G n ath o p o d en sg . 3. G n ath o p o d en sg . 1. Maxillensegm .
3. B einsegm . 4. G nath o p o d ensg . 4. G natho p o d en sg. 2. Maxillensegm .
4. B einsegm . 5. G nathopod ensg.
Segmentierung des Nervensystems im Cephalon der Arthropoden.
Myriopoda
A cro n
1. M etam er
2. M etam er
3. M etam er
4. M etam er
5. M etam er
6. M etam er
Svn ebr um
P ro tocereb rum
D eu tero cereb ri
T rito cereb rum
M andibelgangli
1. M axillengangl.
2. M axillengangl.
Insecta
P rocereb rum
on
D eu tero ceri
T rito cereb r
G anglion M and ibelgan gliön j angl
isufeoeso- I. M axillengangl. suboe:
I p h ag eale 2. M axillengangl. p hag eale
Arachnoidea
1. H irnsegm entc
2. H irnsegm en t
C helicerengan glien
glionj G anglio n S tern ale
Crustacea
I P ro cereb rum
D eutero cereb rum
T rito cereb rum
M andibelgangliönj G anglio n
1. M axillengangl. > suboeso-
2. M axillengangl.) phag eale
Zum Ausgangspunkt der hier vorgeschlageaen Erklärung, habe ich Sgplopendra gewählt,
eine Form, bei der aii.der Embryonalanlagej ein Apron (präp.raleiHJeil mit Clypeus und Labrum)
und ausserdem- gin deutliches,. PräantennensggmenLsiph von einander unterscheiden lassen,
während eigentliche Kopflappen fehlen.
Scolopendra nimmt in dieser Hinsicht eine vereinzelte Stellung ein. Alle anderen bisher
II A rthropod;! atelo cerata = K erfticre m it unv o llständ ig en F ü h le rn [¿-el.ris unv ollständig,
w eg en d e s F eh len s v o n A n ten n en (Po sten ten n en ) am Inlercalarscgm en te. ’
= K erftiere m it S ch eeren fü h lern (K lauenfühlern), C heliceren.
y.epaia) Fü hlh orn]
2) A rth ro p o d a chelicerata