halte es aber für ziemlich wahrscheinlich, dass die eigentümlichen P o s ta n ten n a lo rg an e der
Collembolen, welche eine ganz ähnliche-Lage besitzen, den Tömösvaryschen Organen der
Myriopoden homolog sind. Nähere Untersuchungen hierüber würden jedenfalls lohnend sein.
Bei den pterygoten Insekten sind die Tömösvaryseheri Organe bereits rückgebildet, sie
dürften sich hier nur noch in ganz rudimentärer Form nachweisen lassen, ln dem Abschnitt
über die Phylogenie des Gehirns werde ich jedenfalls auf ein eigentümliches Gebilde aufmerksam
machen, das bei den Embryonen höherer Insekten vorkommt und meiner Ansicht nach
als Rudiment der Tömösvaryschen Organe zu deuten ist.
3. Das Bauchmark und die Ventralorgane.
Eigentümlich für die Bildung des Nervensystems von Scolopendra ist die grosse Übereinstimmung,
welche die Anlagen aller postoralen Ganglien anfänglich untereinander erkennen
lassen. Ein jedes Ganglion, mag es nun den vordersten Metameren angehören und später
zur Bildung des Gehirns verwendet werden, mag es sich in den modificierten Genitalsegmenten
oder den typischen beintragenden Rumpfsegmenten befinden, geht aus zwei von einander isolierten
grubenförmigen Einsenkungen hervor, die an der medialen Seite der Extremität entstehen.
Die von diesen beiden Gangliengruben gelieferten Ganglienzellen treten erst später
in der Medianlinie zur Bildung des Ganglions zusammen. E in e m e d ia n e yN e u r a lr in n e
g e la n g t u n t e r d ie s e n U m s tä n d e n b e i S c o lo p e n d r a n iem a ls z u r A u lp id d u n g .
Eine Neuralrinne erscheint dagegen nach den Befunden von Zograf (1883) während der
Entwicklung des Bauchmarks von Geophilus, und für die Insekten kann das Auftreten einer
solchen Rinne sogar als eine typische Erscheinung angesehen werden, die nur in seltenen
Fällen vermisst wird.
Bei den Insekten, bei denen die betreffenden Verhältnisse bisher am genauesten untersucht
wurden, vollzieht sich nun die Bildung des Bauchmarks überhaupt in etwas abweichender
Weise. Die Seitenstränge des Bauchmarks (Neuralstränge) liegen bei ihnen von vorn herein
dicht nebeneinander. Die Ganglienzellen entstehen nicht durch Einstülpungen in Gangliengruben,
sondern es lassen sich bei den Insekten meistens grosse Urzcllen (Neuroblasten) nachweisen,
von denen durch mehrfach wiederholte Teilungen nach der proximalen Seite hin kleinere
Ganglienzellen abgetrennt werden.
Bei den Diplopoden ist die Entstehungsweise des Bauchmarks noch nicht ausreichend
bekannt. Nach H e a th c o te (1886);§|lensich bei Julus als Anlage des Bauchmarks zwei längsverlaufende
strangförmige Verdickungen vorfinden. Auch scheint es bei dieser Form zur Bildung
einer Neuralrinne zu kommen. Für die Onychophoren sind Mitteilungen über die Entwicklung
der Bauchganglien mittelst paariger Einstülpungen bisher ebenfalls nicht gemacht worden.
Ich habe auf die verschiedenartige Entstehung des Bauchmarks bei Scolopendra und
den nächstverwandten Tierformen hingewiesen, ohne der abweichenden Bildungsweise damit
eine besondere Wichtigkeit beimessen zu wollen. Mögen nun die Ganglien wie bei Scolopendra
durch grubenförmige Einstülpungen sich entwickeln, oder mögen sie durch direkte
Immigration von Ganglienzellen oder endlich wie bei den Orthopteren und anderen Insekten
durch die Thätigkeit selbständiger Neuroblasten zu Stande kommen, so hat man damit doch
immer nur Modifikationen eines und desselben Entwicklungsprozesses vor sich. Das Eintreten
des einen oder des ändern Typus hängt dabei nur von den jeweilig massgebenden äusseren
Umständen ab.
Die Immigration ist als der einfachste Entwicklungsmodus bei der Bildung eines tiefer
gelegenen Organs anzusehen. Massenweise auf eine Stelle lokalisierte Einwanderung muss
dagegen, wie ich schon früher (1895a p. 123—124) dargelegt habe, notwendig zu Invagi-
nationen oder grubenförmigen Einsenkungen führen, während das Auftreten von Urzellen oder
Teloblasten als das am meisten abgeleitete Verhalten sich nur dort zeigt, wo frühzeitig eine
bestimmte qualitative Sonderung des embryonalen Zellmaterials erfolgt ist, so dass die Fähigkeit,
gewisse Organe und Gewebspartien zu bilden nur auf eine Anzahl bestimmter Mutterzellen
oder sogenannter Teloblasten beschränkt ist. Es sei bei dieser Gelegenheit bemerkt,
dass Teloblasten weder bei der Anlage des Nervensystems noch überhaupt bei der Entstehung
anderer Organe sich im Laufe der Entwicklung von Scolopendra zeigen.
Dass den oben beschriebenen Gangliengruben als Bildungsstätten für die Rumpfganglien
irgend eine morphologische oder gar phylogenetische Wichtigkeit nicht zuzuschreiben ist, dürfte
schon daraus hervorgehen, dass selbst an einer ganz anderen Stelle des Körpers, nämlich im
Vorderdarm, ebenfalls eine Gangliengrube auftritt, die zwar fast ganz das Aussehen der seg-
mentalen Gangliengruben des Rumpfes besitzt, zu den letzteren aber in keiner Beziehung steht,
sondern das Ganglion frontale des Eingeweidenervensystems liefert. Bei den Insekten habe
ich (1895a) sogar eine grössere Anzahl solcher Gruben im Stomatodäum nachweisen können,
aus denen verschiedene Schlundganglien hervorgehen.
Hiermit kann dann selbstverständlich den im präoralen Kopfbezirk auftretenden medialen
und lateralen Hirngruben auch keine morphologische Wichtigkeit beigemessen werden. Diese
Hirngruben stellen eben nichts weiter als Bildungsstätten für bestimmte Hirnteile dar. Die
präoralen Einstülpungen als solche erlauben aber selbstverständlich in keiner Weise den Schluss,
dass es sich etwa bei ihnen um nach vorn verlagerte Gangliengruben postoraler Segmente handelt.
Die Gruben der Bauchganglien sind selbst nach ihrer Ablösung von der Hypodermis
noch erkennbar und liegen zum Schluss als kleine geschlossene Säckchen lateral in der zelligen
Substanz des Ganglions eingebettet. Für Julus hat Heathcote (1888) die Angabe gemacht, dass
nach der Abtrennung des Nervenstrangs von der Hypodermis ,,a species of cavity appears
in the ganglia“ . Ob hier vielleicht eine analoge Erscheinung wie bei Scolopendra vorliegt,
entzieht sich allerdings meiner Beurteilung.
Bei den Embryonen von Scolopendra liegt die Fasersubstanz an der dorsalen Seite der
Rumpfganglien frei vor, während die Ganglienzellen sich ausschliesslich an der ventralen Seite
befinden. Nur ein ganz dünnes Neurilemm bildet zunächst dorsalwärts die Bekleidung der
Punktsubstanz. Hierin spiegelt sich zweifellos noch ein primitives Verhalten wieder, welches
niederen Tracheaten, namentlich Thysanuren (Machilis, Lepisma u. a.) dauernd zukommt, während
bei höheren Formen z. B. bei den pterygoten Insekten die Punktsubstanz der Bauchganglien
allseitig auch an der Dorsalseite von Ganglienzellen umschlossen wird.
Von Interesse dürfte ferner d ie B ild u n g d e s M i t t e l s t r a n g s von Scolopendra sein.
In der Litteratur habe ich wenigstens keine Angabe darüber gefunden, dass derselbe bei
anderen Arthropoden paarig angelegt wird. Derselbe pflegt vielmehr in der Regel direkt aus
dem Boden der medianen Neuralrinne hervorzugehen, wie dies namentlich für die Insekten,