In der undifferenzierten Epidermis tritt die Zahl dieser Nerven und ihrer Endigungen
weit zurück. Dafür werden dort andere Nerven angetroffen, auf die jetzt eingegapgen
werden soll. In der Epidermis der Vogelhaut treten nämlich noch Nerven auf, deren Vorhandensein
und Verhalten in der Oberhaut der Wirbeltiere bisher wohl überhaupt nicht
beobachtet wurde. Es wird sowohl von dünneren markhaltigen wie von marklosen Nervenfasern
ein Plexus gebildet, der in seinem Aufbau sehr an das in bisher nur in anderen
Geweben auf gefundene nervöse Terminalreticulum erinnert. In der Abb. 8 ist gezeigt, wie
zwei markhaltige Nervenfasern sich in das Epithel hinein verästeln. Der Flachschnitt liegt
etwas schief, sodaß die untere Hälfte der Zeichnung etwa die Grenze zwischen Epidermis
und Corium darstellt, oben dagegen schon Epidermis selbst getroffen ist. Sämtliche Kerne,
die gezeichnet wurden — es wurden der Übersichtlichkeit wegen einige weggelassen —,
sind Epithelkerne. SCHWANNsche Kerne fehlen also mit absoluter Sicherheit. Die Nerven-
fäserchen des oben gezeichneten Teiles des Präparates sind ebenso sicher intraepithelial
gelegen; denn eine nur interepitheliale Lage kommt, wie das auch die folgenden Zeichnungen
beweisen werden, infolge der dichten Nebeneinanderlagerung der Fasern nicht in
Betracht. Auch hier wird also einmal wieder der enge Zusammenhang zwischen Nerven-
endgebiet und Wirtsplasma vor Augen geführt. Ich bin bei dem ersten Anblick meiner
Präparate überrascht gewesen von der ungeheuren Zahl der feinen und feinsten Nerven-
fäserchen, die sich dem Beschauer bieten, sodaß es mich lange Zeit gekostet hat, mir das
rein räumlich-morphologisch vorzustellen. Die nervöse Natur der dargestellten Fasern ist
eindeutig bewiesen, einmal aus ihren gelegentlichen Verbindungen mit markhaltigen Nervenfasern,
die ja wohl selbst von einem Nichtspezialisten als solche identifiziert werden,
andererseits aus ihrer typischen Bauweise, aus dem Vorhandensein von vielen feinsten
Varikositäten, wie sie bei Bindegewebsfibrillen und Epithelstützfibrillen nicht angetroffen
werden. Auf die Eindeutigkeit solcher Befunde muß immer wieder hingewiesen werden,
weil es genug Autoren gibt, die bei ungeeigneten Methoden und bei ungenügender Ausdauer
solche Gebilde nicht aufzufinden vermögen und sie deshalb einfach leugnen. Zeichentechnisch
ist noch zu sagen, daß das eben gezeigte P rä p a ra t etwa 30 Mikra dick ist. Gezeichnet
wurde aber nu r bei ganz geringer Drehung der Mikrometerschraube, sodaß es sich
also um einen Gewebsbezirk von höchstens 10 Mikra Dicke handelt; das ist etwa die Dicke
einer Zellage. Aus der oberen und unteren Scharfeinstellung der Zellkerne kann das ganz
gut nachgeprüft werden. Aus der Art des nervösen Aufbaues und aus dem gänzlichen Fehlen
von ring- oder ösenförmigen Nervenendigungn vor allem kann geschlossen werden, daß
wir hier das nervöse Terminalreticulum vor uns haben, wie es von P h il ip p StöHR und seiner
Schule für das Endgebiet des autonomen Nervensystems so überzeugend nachgewiesen
wurde (Stöhr 1928,1931,1932, 1934,1935,1937; H arting 1929,1931; R eiser 1932,1933,
1935, 1937; Riegele 1929). Das Erscheinungsbild dieses nervösen Terminalreticulums ist
sehr wechselvoll. In dieser letzten Zeichnung treten die markhaltigen Nervenfasern hervor,
wie sie sich gerade in das Reticulum hinein auflösen. Die Abb. 9 ist nach einem P rä p
a rat derselben Schnittserie gezeichnet. Zu sehen sind darin einmal dunklere Pigmentanhäufungen
an drei Stellen, dann in der Mitte der Zeichnung eine Pigmentzelle, wie ich
sie im Augenlid des Habichts mehrfach angetroffen habe. Sie zeichnet sich durch eine
besondere Argentophilie aus, ist gegenüber den anderen Zellen meist etwas dunkler gefärbt.
Sie liegt an der Grenze von Epidermis und Corium. Über die Innervation der Pigmentzellen
der Wirbeltiere ist viel geschrieben worden, teils einfach histologischer Natur, teils
auf Grund von experimentellen Arbeiten. In einer neueren Arbeit über die Innervation
der Pigmentzellen der Säugetiere nimmt S a s y b i n (1934) Stellung zu dem Problem. Er
glaubt, eine dreifache Innervation der Pigmentzellen annehmen zu dürfen, unter anderem
auch eine sympathische Innervation. Hierfür bringt er keine histologischen Beweise; denn
man sollte als Endformation der Pigmentzellen dann das nervöse Terminalreticulum erwarten.
Ich denke, daß E b e r t h und R u n g e (1895) und vor allen Dingen auch schon B a l l o -
w i t z (1893) Teile des nervösen Terminalreticulums gesehen haben. Ihre Abbildungen sprechen
sehr dafür, und B a l l o w i t z erwähnt die gegenseitigen vielfachen Kommunikationen
der Nervenfasern. Ich meine, durch meine Präparate die plexiforme Innervation der Epidermis
und auch der Pigmentzellen bewiesen zu haben. In der Abb. 9 fällt auf, daß die feinen
Nervenfäserchen zum Teil wohl einzeln durch das Gewebe laufen, zu einem anderen Teil
aber in parallelen Strängen dicht nebeneinander liegen. Nun beachte man einmal, wie dicht
das Nervenfaser ge wirr ist, das die Pigmentzelle umgibt. Sie ist eigentlich von allen Seiten
darin eingehüllt. F ü r eine besonders enge Beziehung zwischen diesen Zellen und dem Nervensystem
sprechen die Verbreiterungen, die manche Fasern besitzen, die durch sie hindurchziehen
oder zumindest sie eng berühren. Es ergibt sich ein ähnliches Bild wie bei den
Nervenverbreiterungen, die S t ö h r (1935) im chromaffinen Gewebe der Nebenniere da rstellt.
Das spricht wiederum sehr dafür, daß Reize nervöser Art auf chemischem Wege ausgelöst
werden.
In der nächsten Zeichnung (Abb. 10) wird ein weiterer Flachschnitt durch die Oberhaut
gezeigt. Es sind wiederum keine ScHWANNschen Kerne zu sehen. Das Nervengeflecht
ist intraepithelial gelegen. Die Epithelzellkerne sind nur im unteren Teil der Abbildung
gezeichnet. Immer wieder werden Fäserchen zwischen den einzelnen Faserzügen ausgetauscht.
Zwischen vielen der Fäserchen kommt es zur Plexusbildung, wobei hier unter
einem Plexus verstanden sein soll, daß die Nervenfasern nicht isoliert nebeneinander
herlaufen, sondern ineinander übergehen. Schließlich sei noch die Abb. 11 gezeigt, in der
die Nervenfasern noch nicht so fein aufgereisert sind, in der auch noch nicht eine so starke
Plexusbildung auf tritt. Es handelt sich hier um Nervenzüge, die in der Basis der Epider-
miszellen verlaufen.
Die eben dargestellten Nervenzüge entstammen dem autonomen Nervensystem. Sie
setzen sich aus gelegentlich vorhandenen Markfasern und erheblich mehr marklosen Nervenfasern
zusammen. Es treten aber auch Fasern eines dritten Systems in diese Geflechte
ein, solche aus autonomen, mehr oder minder subepidermoidal gelegenen Ganglienzellen.
Solche Ganglienzellen wurden, ohne daß ihre Bedeutung mit Sicherheit erkannt wurde,
schon mehrfach auf gefunden. R e t z i u s (1890) beschreibt sie beispielsweise aus der Unterhaut
von Myxine. Nach seinen Angaben haben verschiedene andere Autoren auch bei Am-
phioxus und bei Petromyzon solche Nervenzellen gefunden. Neuerdings beschreibt sie H e s s
(1937) auch bei Enteropneusten. Mit R e t z i u s kann ich, was die Imprägnation dieser Nervenzellen
anbelangt, feststellen, daß sie sich tatsächlich sehr schwer darstellen lassen. Die
Neurofibrillen darin sind selten sehr deutlich zu erkennen. Trotzdem sind die Zellen aber
gut als Nervenzellen zu identifizieren. Sie sind nicht den ganglienartigen Gebilden oder
den interstitiellen Zellen von L a w r e n t j e w (1926) zuzuordnen. In den Abb. 12—15 habe ich
solche mehr oder minder subepidermoidalen Ganglienzellen dargestellt. Sie sind nach dem
Typus der sympathischen Nervenzellen gebaut. Die Zahl ihrer Fortsätze ist nicht sehr
groß. Dendriten und Neuriten sind nicht voneinander zu unterscheiden. In der Abb. 12 ist
eine Zelle gezeichnet, die noch relativ viele Fortsätze besitzt. Sie ist an allen Seiten von
Nervenfasern umgeben, die zum Teil in ein feines nervöses Terminalreticulum eingehen.