auf gefaßt werden konnten, daß die Ameisen verstandesmäßig oder mindestens planmäßig
handelten, bat ich meinen Freund E idmann um Aufklärung. Aus seinem Antwortbrief geht
eindeutig hervor, daß dies n i c h t seine Meinung ist; die Redewendungen sollen vielmehr
nur tatsächliche Verhältnisse b e s c h r e i b e n , was hier nocheinmal ausdrücklich festgestellt
werden kann. Daß in dem besonderen hier vorliegenden Fall Acromyrmex lundi und, wie
es scheint, auch A tta cephalotes (N. H. Weber) sich anders verhalten, braucht nicht zu überraschen,
da sich A tta sexdens nach E idmann oft besonders, gleichsam „zielstrebiger“ benimmt
als die übrigen Attinen.
Daß Attinen auch Schild- und Blattläuse besuchen und in derselben Weise bewachen
wie etwa Lasius niger, hatte ich zunächst nicht erwartet. Ich fand indessen später bei der
Literatur-Durchsicht doch eine kurze Bemerkung darüber, daß auch im Norden Südamerikas
Acromyrmex einmal an Blattläusen beobachtet worden waren.
Da zwischen Blattlausbesuch und Nektarsammeln enge Beziehungen bestehen
(Go e t sc h 1937, S. 74), ja sogar die Bienen vom Blütenbesuch zu Blattlaushonig übergehen,
wird es nunmehr nicht Wunder nehmen, daß die Attinen auch Blütenhonig nehmen.
Daß Blüten sogar vor anderen Stoffen besonderen Anreiz bieten, lehrten verschiedene
Versuche.
In Sto. Pipö legte ich suchenden Acromyrmex disciger und später auch A tta sexdens
3 Gruppen von Pflanzenstoffen vor: Reste von Tungblüten, Stücke von Orangenschalen und
Zweige von Rosen. Die Vorgänge im einzelnen sind im Abschnitt über Alarm in einem
Protokoll-Auszug wiedergegeben. Hier genügt die Feststellung, daß in fast allen Fällen die
Blüten bevorzugt wurden. Als sie ab transportiert waren, gingen die Attinen an die Orangen-
Schalen und dann an die Rosenblätter.
In Buenos Aires veranstaltete ich dann weitere Versuchsserien im Garten, die bei
Acrom. lundi stets eine Bevorzugung von Stücken und Blüten von Zitronen ergaben. Zähl-
versuche ergaben beispielsweise folgendes:
Am 24. X. wurden während einer Stunde 124 Schlepper gezählt; sämtliche Tiere trugen Blütenteile ein. Sie lasen
die Blütenteile am Boden auf, wo ich auch Blattstückchen ausgelegt hatte, die aber stets vernachlässigt wurden.
Ein zweiter Zählversuch ergab ein ähnliches Resultat: die 85 Tiere, die während einer Stunde ausliefen, waren zu
60% mit Zitronenblüten beladen; 12% trugen welke Blätter und 26% kehrten ohne Last heim. Daß diese vielleicht Nektar
geschlürft hatten und im Kropf abtransportierten, ist nach dem früher Dargelegten mindestens wahrscheinlich.
Schwieriger ist es, auf schon begangenen Straßen Schlepper zur Annahme von neuen
Dingen zu veranlassen. Solche Tiere sind, wie schon erwähnt, bereits so orts- und arbeitsstet
geworden, daß sie den vorgelegten Ködern nur ausweichen, um dann zur Arbeitsstätte
weiterzueilen. Um so ausschlaggebender ist es aber, daß es auch dort manchmal glückt: ich
konnte beispielsweise in G uayapa schneidende A tta vollenweideri zur Wegnahme von B lüten
des Quebracho blanco veranlassen, in Misiones bei A tta sexdens eine größere Zahl von
Schleppern dahinbringen, Orangenblüten sowie Orangenschalen heimzutragen, und in Roca
Acromyrmex-^chlepper zum Übergang auf Tamarisken-Blüten bringen.
Daß Blüten stets bevorzugt werden, machte ich mir oftmals in Kunstnestern zu Nutze:
In Patquia begannen Acrom. striatus von allem Vorgelegten zuerst Quebracho- und Tamarisken
Blüten einzutragen, und Rosenblüten-Teile nahmen Acrom. lundi oftmals auch dann,
wenn alles andere verweigert wurde. Daß Blumenkohl gern genommen wurde, ist schon
erwähnt. Dies weiß auch die Hausfrau in Buenos Aires, der die Attinen sogar die Küchen
überschwemmen, wenn sie Blumenkohl gefunden haben.
Allen zuletzt beschriebenen Blüten gegenüber verhielten sich die Attinen etwas anders
als es die übrigen Ameisen sonst meist tun: Sie nahmen nicht den Nektar, oder nicht n u r
den Nektar, sondern schnitten die Blüten ab. Dies tun auch andere Ameisen oft, besonders
dann, wenn sie schwer an die N ektarien kommen. Die Attinen gingen indessen noch weiter:
sie trugen die Blüten auch ins Nest, genau so also wie dies beispielsweise Acantholepis mit
Blattläusen ta t (Goetsch 1937, S. 74). Und dort ging die Verarbeitung noch in der Weise
weiter, daß die Blütenteile zerschnitten oder so zerkaut wurden, wie dies Messor-Arten
mit den Samen tun. Sie behandelten also die Blüten nicht anders als die Fruchtteilchen, die
in ähnlicher Weise verarbeitet werden E - oder aber auch wie die Pllanzensprosse und die
Blätter, die sie abschneiden. I n j e d em F a l l e w u r d e s t e t s d e r S a f t a u f g e l e c k t .
Dies geht nicht nur aus der unmittelbaren Beobachtung hervor, sondern auch aus der Beschaffenheit
der Blätter vor und nach der Bearbeitung. Sie sehen nämlich danach stets
aus wie Pflanzenteile, die man selbst so zusammenpreßt, daß Saft abgegeben wurde; das
heißt Laubblätter dunkler und grauer und rote Rosenblütenblätter schwärzlich; und daß
oftmals nach dem Zerkauen von den Bearbeitern Nestgenossen gefüttert werden, spricht
ebenfalls fü r die Aufnahme von Flüssigkeit.
Eine Saft-Aufnahme haben übrigens auch schon verschiedene Autoren seit Möller
beschrieben, ohne dieser Tatsache meist Bedeutung beizulegen. Ich glaube nach allen meinen
Beobachtungen, daß dem Lecken von Saft me h r zukommt als eine Begleiterscheinung:
Denn auch andere südamerikanische Ameisen nehmen Pflanzensäfte, wie der Besuch der
Kakteen durch Tapinoma antarcticum beweist (Goetsch, 1937, S. 60), und es ist leicht möglich,
daß auch die Attinen diesem Pflanzensaft mit die Möglichkeit verdanken, in Halbwüsten
leben zu können.
c) B e u t e t i e r e u n d Br u t .
In den Pflanzensäften w ird neben Zucker auch schon Eiweiß aufgenommen, wie ja auch
der Laus-Honig und Blüten-Nektar oft etwas Eiweißstoffe enthält. In allen Fällen ist die
Konzentration an Eiweiß jedoch gering, und die Attinen nehmen ja auch in den Pilzen
Eiweißstoffe in stärkerer Konzentration auf. Ehe wir aber die Pilznahrung und ihre Entstehung
näher behandeln, wollen wir noch sehen, ob auch noch andere Eiweißquellen ausgenützt
werden.
Dies ist tatsächlich der Fall; es wird in weitem Maße tierisches Eiweiß aufgenommen.
Auf Jagd gehen die Attinen allerdings nicht. Kleine tote Insekten sah ich sie jedoch einige
wenige Male eintragen; sie wurden in ganz derselben Weise geschleppt wie die Blätter.
Um zu sehen, was sie mit solcher Beute anfangen, gab ich verschiedene Male in Kunstnestern
Fliegen und dergleichen.
So erhielt am 25. X. Nest 2A eine tote Fliege. Von den 15 Acromyrmex lundi, die unter beginnendem Hunger standen,
waren nach 7 Minuten 11 Tiere an der Fliege. Zunächst wurde die ausgetretene Leibesflüssigkeit aufgeleckt, und
später dann die Fliege zerkaut.
In Nest BC mit 30 Acromyrmex lundi benahmen sich die Ameisen ganz ähnlich, obwohl es sich hier um gefütterte
Tiere handelte. Beim Zerkauen der Fliege beteiligten sich nicht alle Tiere; die, welche sich vollgefressen hatten, begannen
danach die Nestgenossen in typischer Weise zu füttern.
Eine l e b e n d e Fliege wurde in Nest D (Acrom. lundi) ebenso angegriffen wie lebende Schaben und Spinnen von
Acromyrmex disciger. Es dauerte indessen in allen Fällen längere Zeit, bis die Insekten getötet waren. Die Fliege in Nest D
wurde danach aber ausgekaut und danach Nestgenossen gefüttert.
Acromyrmex striatus nahm ebenfalls Fliegen an und zerkaute sie; die Reste wurden hier stets auf den Pilzgarten
geworfen. Auch hartes Hühner-Eiweiß wurde genommen, und abgebissene Stücke ebenso zerkaut wie dies weiter unten mit
den eigenen Puppen beschrieben wird. Das Gleiche geschah mit gereichten Mehlwurmstückchen.