
Ich bemühte mich nun auch, die allerersten Vorgänge des Schwärmens kennen zu
lernen, und fand an einem in einer Straße in Belgrano gelegenen Nest auch Tags darauf die
ersten Anfänge. Zwischen den Pflastersteinen der Straße war eine neue Öffnung geschaffen;
vor derselben befanden sich mehrere ganz große Erkunder, und im Loch gruben kleinere
Bauarbeiter. Zwischen ihnen zeigten sich bereits die ersten Geflügelten, die aber bei der
Störung infolge der Beobachtung wieder verschwanden.
Ähnlich verlief am 5. XI. ein neuer Hochzeitsflug des Nestes der Abbildung 17, den ich
schon erwartete, da es abends zuvor ein warmes Gewitter gegeben hatte und auch am 5. XI.
früh 7 Uhr eine schwüle Luft herrschte. 7Vz Uhr erschienen aus dem Loch in der Küche, das
schon früher Geflügelte entlassen hatte, einige aufgeregte Erkunder; daß gerade dieses Loch
bevorzugt war und gerade zu dieser Zeit der Flug begann, liegt wohl daran, daß es sich um
die Stelle hinter dem Herd handelte, welcher kurz vor 7 Uhr angeheizt worden war. Hatten
die Tiere an der Straße doch eine ähnliche Stelle gewählt: zwischen den Pflastersteinen,
welche durch die Sonne erwärmt wurden.
Die zuerst erschienenen Erkunder liefen aufgeregt umher und kehrten immer wieder
ins Nest zurück. Sie wurden immer lebhafter und hatten sichtlich durch ihre Unruhe Genossen
a n g e s t e c k t ; denn es kamen nach und nach immer mehr.
Diese Erregungs-Übertragung dient dann auch wohl als auslösender Reiz fü r die Geflügelten,
die ja schon auf Grund ihrer körperlichen Entwicklung in Bereitschaft standen;
sie überwanden dadurch die Scheu, aus dem Nest herauszukommen. Es bildete sich erst eine
Ansammlung von Geflügelten und Arbeitern v o r dem Nest, mit gewissen Schwankungen in
der Zahl, da viele der Tiere auch wieder ins Nest zurückkehrten. Daß dies bei Störung sofort
geschehen würde, hatte ich schon früher erfahren; es brauchte nur von einer Arbeiterin
Gefahralarm gegeben zu werden, um die. ganze Versammlung ins Nest zurückzu jagen.
Wenn aber, wie in diesem Fall, die Bedingungen weiter günstig blieben, machten die E rkunder
neue Vorstöße, und es bildete sich, zunächst nur durch diese Arbeiter, nach und
nach ein begangener Weg. Ihm f o l g t e n dann auch die Geflügelten, die so eine weitere
Hemmung überwanden; sie liefen der Spur nach bis ins hellere Licht. Auch jetzt konnten
die Geflügelten wieder Angst bekommen und, der Spur folgend, zum Nest zurücklaufen.
Wenn jedoch auch die letzte Hemmung überwunden war, erfolgte der Abflug.
Gegen 10 Uhr war der Flug beendet; die Arbeiter und auch einige Geflügelten hatten
um diese Zeit das Nest wieder aufgesucht.
Als Ergänzung hierzu konnte ich dann noch am 6. XI. sehr schön die Spur folge der
Geflügelten beobachten. Der Hochzeitsflug begann diesmal später, 9V2 Uhr, vermutlich deshalb,
weil der Herd an diesem Tage nicht geheizt war. Hier waren die ersten Erkunder
über die weißen Kacheln der Küche gelaufen und hatten bereits eine Spur gebildet, der
die ersten 4 Männchen folgten. Die Spur war noch nicht sehr fest, und die Männchen folgten
sehr zögernd. Als dann der Betrieb größer und die Spur sichtlich fester geworden war
(Ifl v e i wi scht e ich die Spur auf den Kacheln, und sofort gab es dort eine Stockung,
die von einigen auslaufenden Weibchen nur nach starkem Zögern überwunden wurde. Als
ich in dieser Gegend dann die Spur erneut verwischte, erfolgte durch einige dadurch aufgeregte
Arbeiter Alarm; es war so offensichtlich, daß die mitbeobachtende Tochter des
Hauses ausrief: „Jetzt sagen sie es den anderen.“ Der Hochzeitsflug wurde daraufhin förmlich
abgeblasen; Arbeiter und Geflügelte eilten die Spur abwärts zum Nest, und die Tiere,
welche außerhalb der Störungsstelle waren, liefen nach dunklen Orten und versteckten
sich dort.
Der hier etwas ausführlicher beschriebene Hochzeitsflug ließ all die verschiedenen
Phasen sehr schön erkennen, die wir auch sonst bei dem Abiliegen der Männchen und
Weibchen sehen: Die Hemmung der an sich bereiten Tiere, die nur noch eines Anstoßes bedürfen.
Dieser erfolgt auf dieselbe Weise wie auch sonst: durch Übertragen oder hier Vermehrung
der Erregung durch die Arbeiter und durch Spurbildung, welche es den Geflügelten
leichter macht, das sichere Nest zu verlassen.
14. Gründung der Staaten.
Die Staatengründung von A tta sexdens ist von H u b e r in klassischer Weise beschrieben
und von anderen Forschern später noch geprüft worden. Sie geht danach in der Weise vor
sich, daß schon das Weibchen, das sich zum Hochzeitsflug vorbereitet, in der Buccaltasche
unter dem Mundraum kleine Pilzportionen des Mutterstaates mitnimmt. Ist sie im Hochzeitsflug
befruchtet worden und hat sie sich in ihrer Gründungskammer eingemauert, dann
g ilt ihre erste Sorge dem Pilz. Sie würgt ihn aus und beginnt zunächst zu düngen. Das kann
sie nur mit dem von ihr selbst abgegebenen Kot; etwas anderes steht ihr nicht zur Verfügung.
Und so reißt sie kleine Stückchen des Pilzgeflechtes ab, hält sie an ihre Hinterleibsspitze
und läßt nun einen Kottropfen darüberfließen. Das so gedüngte Stückchen wird
darauf wieder abgelegt und ein neues auf dieselbe Weise gedüngt, und so wächst nach
und nach ein kleiner Pilzgarten heran. Die Nahrung für sich selbst und den Dünger
der Pilze beschafft sie sich in der Weise, wie wir es auch schon bei anderen jungen Königinnen
kennengelernt haben; sie friß t von den Eiern, und zwar 90 Prozent oder sogar mehr,
um sich zu ernähren und um im Darm genügend Substanz zum Düngen des Mistbeetes zu
bekommen.
Auch die ersten Arbeiter, die sie aus den restlichen Eiern aufzieht, müssen zunächst
von den Eiern leben; sie helfen aber der Stammutter sofort und düngen auch ihrerseits
den Pilzgarten. Wenn dann die ersten Kohlrabiköpfchen entstehen, hat die Notlage ein
Ende; nach acht bis zehn Tagen bahnen sich auch die Arbeiter einen Weg ins Freie und
fangen mit Blattschneiden an. So wächst dann der Pilzgarten, liefert sein Gemüse, und die
entlastete Königin kann jetzt mehr Eier zur Entwicklung bringen. Die immer neu entstehenden
Helfer erweitern schließlich das Nest nach allen Richtungen und beginnen ihre
für den Biologen so interessante, für die befallenen Bäume so schädliche Arbeit.
Es war anzunehmen, daß die Acromyrmex-Arten sich ähnlich verhielten, und ich
erwartete eigentlich, daß sie in Kunstnestern, die ich schon so erfolgreich verwandt hatte,
in gleicher Weise gründen würden wie andere Ameisen. Acromyrmex striatus, mit denen
ich in Patquia experimentierte, enttäuschte jedoch sehr; alle Königinnen, die ich fing und
in die Zuchttuben einsetzte, gingen nach einigen Tagen zugrunde. Vielleicht waren sie
nicht befruchtet. Ich mußte später wiederholt feststellen, daß dies der Fall ist auch bei
Tieren, welche die Flügel abwarfen, denn dies geschieht bei den Acromyrmex viel leichter
als bei manchen anderen Ameisen. Eine unabhängige Gründung glückte auch bei den
striatus-Weibchen des Rio-Negro-Gebietes nicht; über einige dabei beobachtete Besonderheiten
sowie über die Gründung mit Arbeitern wird später noch zu reden sein.
Besser gelangen die Versuche bei Acromyrmex lundi, von denen ich in Belgrano größere
Mengen von Weibchen sammeln konnte. Leider waren auch hierbei viele unbefruchtet.
Dies mußte ja eigentlich auch bei den Tieren angenommen werden, die ich bei den Hoch