tung des ständigen Wec h s e l s d e r E r s c h e i n u n g e n . Ich muß auch hier allerdings
das, was B e ebe damit meint, etwas begrenzen und mich darauf beschränken, auf den
dauernden Wechsel hinzuweisen, der im Ameisenstaat vor sich geht bei völliger Erhaltung
der Einheit. Wir sehen dauernd in riesigen Massen junge Tiere heran wachsen und alte
absterben; oft sogar unter dem Einfluß einer Katastrophe, wie einer Vergasung oder Vergiftung.
Wir sehen, wie dadurch manchmal ganze Größen- oder Altersgruppen getötet
werden; der Staat als Ganzes wird dadurch keineswegs vernichtet. E r verhält sich vielmehr
wie ein Tier mit stärkster Regenerationskraft, bei dem alles wieder ersetzt werden
kann, und gelegentlich sogar Teile etwas leisten, das sie unter normalen Bedingungen
nicht vermögen, denn es treten ja sogar in solchen Gefahrmomenten im Attinen-Staat
Junge an die Stelle von Alten und Kleine an die Stelle der Großen. Es kann sogar der
Verlust der Königin oder Pilze wettgemacht werden durch Aufnahme eines befruchteten
Weibchens, so daß Attinen-Staaten sogar eine Unsterblichkeit, ein potentielles ewiges
Leben besitzen. Trotz aller möglichen Sinnlosigkeiten im einzelnen erscheint damit der
Staat der Attinen und ebenso der aller sozialer Insekten als ein O r g a n i s mu s , der
in vielem vergleichbar ist dem eines Einzeltieres mit einem uns oft ganz geheimnisvollen,
unbewußten Willen zur Existenz. Und dieses unbewußte Wollen ist nicht nur in den erwachsenen
Tieren zu finden, sondern auch in der Brut. Denn es gehören ja auch die Eier,
Larven und Puppen zu dem Staat und spielen dort die Rolle der Reservematerialien eines
tierischen Individuums, derart, daß die Eier den embryonalen undifferenzierten Zellen entsprechen,
die dann in besonderer Weise determiniert werden. Sie erhalten die erste Festlegung
in bestimmter Richtung dadurch, daß sie befruchtet werden oder nicht; und weiterhin
schon im mütterlichen Körper durch Kleinbleiben oder starkes Wachstum. Sie sind
dadurch schon in relativer Weise determiniert; d. h. haben die Bereitschaft, unter bestimmten
Außenreizen, insbesondere der Fütterung, zu mittleren oder ganz großen Arbeitern
zu werden.
In dieser letzten Eigentümlichkeit spielen die Attinen mit einer Anzahl anderer Formen
schon eine besondere Rolle. Diese Besonderheit wird noch verstärkt durch die Anwesenheit
der Pilzgärten, welche die Attinen-Staaten zu einem Organismus ganz eigener
Art machen: zu einem komplizierten Organismus nämlich mit Symbionten, Lebewesen
ganz anderer Art also, ohne welche der Organismus aber gar nicht denkbar ist.
Wir kennen derartige Gegenseitsverhältnisse zu beider Nutzen ja in großer Zahl (vgl.
B ü c h n e r ), und fassen als Kennzeichen e c h t e r symbiontischer Verhältnisse neben der
Unbedingtheit des Zusammenlebens auch die gesetzmäßige Übertragung der Mitbewohner
auf den neuen Organismus auf, wie z. B. der Algen in die Eier und Knospen der Polypen
(Go e t sch s. B ü c h n e r ) oder der Hefen und Bakterien bei den Insekten (Bü ch n e r 1930).
Eine solche g e s e t zmä ß i g e Übertragung haben wir denn auch bei den Attinen, deren
Königin die Pilze des Mutterstaates mitzunehmen gewohnt ist.
Die Staaten der Blattschneider-Ameisen sind demnach nicht nur eine tierische Gemeinschaft
von vielen Einzelwesen gleicher Art, sondern es gehört zu ihnen auch als Notwendigkeit
hinzu ein pflanzlicher Bestandteil, die Pilze, und so ist es verständlich, daß sie
auch in dieser Hinsicht die Forscher immer wieder mit Bewunderung erfüllen. Denn es gibt
kaum noch lebende Gebilde, die wie sie in doppelter Weise eine Individualität höherer
Ordnung dar stellen.
E. Zusammenfassung der Ergebnisse.
1. Die Untersuchungen wurden durchgeführt in der Hauptsache im Gebiete von
Misiones, in Nordargentinien (Provincia de la Rio ja), Patagonien (Rio Negro und Neuquen)
sowie in Buenos Aires. Die Reisewege sowie die besuchten Orte geben zum Teil die Abb. 1
und 2 an; einige Landschaftsbilder zeigen den biogeographischen Charakter der Landschaften
(Abb. 3—16).
2. Beobachtet wurden folgende Arten:
Acromyrmex lundi R o g ., Acrom. lobicornis Em. und verschiedene Unterarten und
Rassen von Acrom. (Moellerius) striatus (R o g .). Außerdem noch Acrom. disciger M a y r ,
Acrom. hispidus S a n t s ., Acrom. rugosus Sm. u . a. m. Weiterhin endlich A tta vollenweideri
F o r . , A tta polita Em. und A tta sexdens L., sowie zur Ergänzung der Untersuchungen Phei-
dole-, Solenopsis-, Camponotus- und Lasius-Arten. Die Verbreitung an einzelnen Orten sowie
einige Nestanlagen sind in Abb. 8, 9, 17, 23 und 31 ersichtlich.
3. Untersuchungen an Einzeltieren zeigten eine große Wi d e r s t a n d s f ä h i g k e i t
gegen Druck und Stoß. Weiterhin wurde die Empfindlichkeit gegen Hunger, Luftmangel,
Giftdämpfe und andere Außenbedingungen geprüft (Tabelle 1—3), wobei sich zeigte, daß
Eier und Puppen verhältnismäßig viel aushalten, meist mehr als die Larven und die erwachsenen
Tiere. Bei den Imagines dagegen sind am widerstandsfähigsten die Weibchen
und Giganten, während die M itteltiere leichter absterben. Am hinfälligsten sind die Zwerge.
4. Bei den Untersuchungen über die E r n ä h r u n g ergab sich fü r Acromyrmex und
ebenso für A tta ein viel größerer Z u c k e r b e d a r f als angenommen worden war. Alle
Arten nehmen nicht nur Fruchtsäfte, sondern auch mehr oder weniger festen Zucker, und
dieser Zuckerhunger zeigte sich auch bei dem Besuch von Blatt- und Schildläusen sowie
bei Blüten. Es werden aber auch Pflanzensäfte stets aufgeleckt und verfüttert, womit im
Einklang steht, daß zunächst stets s a f t i g e Pflanzenteile geschnitten werden.
Der Stickstoffbedarf wird in weitem Maße durch gefressene Brut gedeckt, und zwar
sind es in der Hauptsache Eier und Puppen, die gefressen werden, während die Larven
selbst durch Bettelbewegungen das Gefressenwerden verhindern. Es werden aber auch
gelegentlich kleine Insekten eingetragen und verzehrt, und endlich auch Teile der Fruchtkörper
von Hutpilzen. Dies war von Bedeutung vielleicht für die Entstehung der Pilzgärten.
Ein Austausch von Pilzgärten glückte zwischen allen Arten, die daraufhin untersucht
wurden; ferner gelang es, Reinkulturen von Pilzen (Hypomyces u. a.) zu verfüttern.
5. Die Hauptnahrung stellen stets die Pilzmycelien dar, und zwar werden nicht nur
die aus abgebissenen Fäden entstandenen „Ambrosia- oder Kohlrabi-Körperchen“ verzehrt
und verfüttert, sondern auch die Mycelspitzen selbst sowie der austretende Saft. Bei
der Herstellung der Mistbeete ließ sich nicht, wie erwartet, besondere Planmäßigkeit feststellen.
Die eingeschleppten Materialien, die oft ganz unbrauchbar waren, wurden viel