die nicht ganz mit dem Gewohnten ühereinstimmten. Gewisse Besonderheiten des Wegs
also, auf welche die Tiere nun me h r achteten. Auf dem Papier hatten sie dagegen nur zwei
Merkmale: die Spur, der sie zu folgen hatten, und den Einfall der Sonnenstrahlen, der immer
gleichzubleiben hatte. Tiere übrigens, die eine Zeitlang im Kunstnest lebten, richteten sich
in solchen Fällen n u r nach der Spur; für sie kam der Sonnenstand ja auch nicht in Betracht.
Wie sehr Beschaffenheiten des Bodens auf die Wege der Acrom. Einfluß haben, sah ich
bei einigen Beobachtungen an gleicher Stelle. Ich bemerkte, daß auslaufende Tiere in dem
Gelände der Abb. 17 n ur bis zu einer gewissen Stelle kamen; dort machten sie kehrt. Die
heimkehrenden Schlepper üherwanderten zunächst diese Stelle, wurden aber nach und nach
unsicher; eine kehrte sogar um und lief den Weg etwas zurück, sich also vom Nest entfernend.
Irgendeine Veränderung war von mir an dieser Stelle nicht vorgenommen, die
Spur also nicht verwischt worden; gleichwohl benahmen sich die Tiere wie bei Spurverlust.
Warum das1? Genauere Prüfung des Geländes ergab, daß zu dieser Zeit die E rde unter dem
Einfluß sehr starker Sonne auszutrocknen begann; und die Stelle, an der die Auslaufenden
umkehrten, war sichtlich die t r o c k e n s t e . Vor ihr, vom Nesteingang aus gerechnet, war
es dagegen noch feucht, da dorthin der Schatten des Baumes C reichte. Das Umkehren fiel
indessen nicht mit der Schattengrenze selbst zusammen, sondern erfolgte erst ein Stück
danach; da der Schatten sich ja allmählich zurückzog, blieb auch außerhalb von ihm eine
gewisse Strecke noch eine Zeitlang feucht. So lange es also noch schattig und feucht war,
liefen die Tiere aus; bei Feuchtigkeit und Sonne gingen sie noch weiter, wenngleich sich
dann schon eine gewisse Unsicherheit geltend machte, und Trockenheit in Verbindung mit
Schattenlosigkeit trieb dann zur Umkehr. Hier war also die Schwelle der beginnenden
Unlust erreicht.
F ü r diese Ansicht sprach dann noch dreierlei: Erstens machten in einem anderen Fall
die Acromyrmex, welche zum Nest zurückkehrten, von der Sammelstelle aus einen weiten
Umweg zum Nest und folgten dabei einer durch Gießen nassen Erdstelle. Zweitens verschob
sich mit Wanderung der Sonne in dem oben erwähnten Fall die Grenze, die ungern überschritten
wurde. Drittens überschritten sie diese Sperrzone bei B ewö l k u n g wieder von
neuem und viertens dann, wenn ich die Stelle mit Wasser besprengte. Es war also nicht
etwa die Spur verschwunden, sondern die Tiere kehrten um, weil sie nicht zu gleicher Zeit
zweierlei Unangenehmeres auf sich nahmen.
Daß die Spur noch vorhanden sein mußte, lehrten auch die Heimkehrer; sie wurden,
wie schon erwähnt, an dieser Stelle ebenfalls unruhig, liefen aber doch meist weiter. Bei
ihnen überwand also der Trieb zum Nest zu kommen das doppelte Unlustgefühl.
Nach dieser Beobachtung kann man sich auch ein Bild davon machen, wie der Betrieb
außerhalb des Nestes langsam auf hört: die Ausläufer machen kehrt, sobald es zu heiß und
zu trocken wird; die Heimkehrer überwinden die Hemmung, laufen dann aber nicht wieder
aus. Und so war auch in der Tat im Sommer um die Mittagszeit ein allmählicher Stillstand
des Betriebes zu beobachten; alles wird trotz höherer Organisation im Nestbereich ähnlich
„eingefangen“ wie Infusorien in der „Paramaecium-Falle“ .
Am Abend beginnt dann die Arbeit wieder, um in den Nachtstunden ihren Höhepunkt
zu erreichen.
Wie endlich die Erinnerung an bestimmte Punkte des Wegs ebenfalls zur Orientierung
beiträgt, möge zuletzt an einem Beispiel erläutert werden.
Bei einem Versuch über die Wirkung des Sonnenkompasses wurde eine heimkehrende
Acromyrmex lundi mit einem alten Blumentopf zugedeckt, aus dem sie sich aber wieder
befreite. Sie war danach völlig verwirrt und fand den Heimweg nicht mehr richtig. Ih r
Weg führte sie zunächst in paralleler Richtung zur Rabatte entlang (Abb. 17); dann erfolgte
Umkehr, die sie wieder in die Nähe des Blumentopfes brachte. Diesen Topf steuerte
sie dann plötzlich in ganz gerader Richtung an, als „wüßte“ sie nun genau, was zu tun sei,
und b e s t i e g ihn. Dann kam die Unsicherheit wieder; sie stieg herab und lief umher, um
plötzlich w i e d e r geradewegs zum Blumentopf zu eilen. Um Neugierde und Drang zur
Untersuchung kann es sich nicht gehandelt haben; nie hat ein Tier, das schleppte, so etwas
getan. Vielmehr dürfte das Verhalten wohl so erklärt werden: Die Ameise hatte, wie alles
bewies, völlig die Orientierung verloren. Sie „erwartete“ aber nach einiger Zeit des Wegs,
daß man hinauf steigen mußte, auf die Rabatte nämlich, um dann zum Nest zu kommen.
Als sie dann in etwa 15 cm Entfernung etwas Hohes, Dunkles sah, lief sie darauf zu, die
Rabatte vermutend, um dann den Irrtum zu erkennen. Nach dem Absteigen und nach neuem
Umherirren wiederholte sich dieser Vorgang; sie sah wieder etwas und stieg hinauf. Dann
erst, als sie nach Verlassen des Topfes wirklich in die Nähe der Rabatte kam, richtete sie
ihren Weg nun sofort geradeaus nach dort, stieg auf, fand die Spur und gelangte so ins Nest.
F ü r mich war diese Beobachtung wieder einmal ein Zeichen, wie vorsichtig man sein muß;
oft ist es vielleicht gerade die Anwesenheit des Forschers selbst, welche sonst natürliche
Verhältnisse zu fälschen vermag.
Bei allen in diesem Abschnitt beschriebenen Beobachtungen und Versuchen handelte
es sich stets um große und mittlere Tiere; kleine sind bei solchen Tätigkeiten in der Außenwelt
ja immer eine Ausnahme. Die Zwerge haben, wie wir schon einmal feststellten, meist
kleine, verkümmerte Augen, dafür aber verhältnismäßig starke Fühler; bei ihnen wird
also der Geruchs- und Gefühlssinn überwiegen auf Kosten des Gesichts. Alle Beobachtungen
liegen auch ganz in dieser Richtung; die Zwerge bleiben meist im Nest und haben sichtlich
oft ein Unlustgefühl zu überwinden, ehe sie den Nestausgang überschreiten, bis zu dem
sie viel öfter vorstoßen. Sie erscheinen n ur dann mit in den Schleppzügen, wenn diese in
Vollbetrieb sind, und halten sich eng an die Spur, auf der ihnen das „Heimgefühl“ infolge
des Geruchs und der Anwesenheit der Genossen bleibt. Daß sie sich aus einem solchen
„heimatlichen Dunstgeruch“ nicht freiwillig entfernen, zeigt sich immer wieder; sie kommen
auch im Kunstnest sofort dann zur Ruhe, wenn sie sich einer in Ruhe zusammensitzenden
Gruppe anschließen können, was übrigens nicht nur die kleinen tun. Und so kann es
Vorkommen, daß man nach einem Gefahralarm, welcher auch Zwerge in Massen auf den
Plan zu rufen vermag, sich Gruppen a u ß e r h a l b des Nestes finden, die den Anschluß
etwas verpaßt haben. In solchen Fällen können dann tatsächlich auch Kleine von Großen
auf Blattstücken mit heimtransportiert werden, wie wir im folgenden Abschnitt sehen
werden.
Zusammenfassend können wir über die Orientierung mit allem was damit zusammenhängt
folgendes sagen: Es dient zur Orientierung bei den Attinen Ge s i cht , G e r u c h
und G e f ü h l ; und es ist keine besondere S t a r r h e i t zu beobachten, daß einer dieser
Sinne stark überwiegt. Auch läßt sich immer wieder zeigen, daß sich die Tiere nicht nur
auf einen dieser Sinne verlassen, sondern immer auch die anderen hinzuziehen. Weder Spur,
noch Sonnenkompaß, noch richtunggebende Fernpunkte oder Untergrund sind für die Orientierung
a l l e i n maßgebend. —
Wenn man zu Fuß oder zu Pferd oder zu „Ford“ in den südamerikanischen Wüsten
und Steppen umhergestreift ist, kann man sich in die Orientierung der Ameisen recht gut
„einfühlen“ . Man macht vom Lager aus Umgänge, die zunächst nach dort immer wieder