D. Die Antennen von Notonecta glauca L.
1. Morphologie der Antennen unte r b esondere r Berücksichtigung der Hautsinnesorgane.
Die seitlich gerichteten viergliedrigen Antennen von Notonecta glauca befinden sich
auf der Ventralseite des Kopfes. Sie liegen dicht hinter den großen Facettenaugen, deren
Breite etwa der Länge der Antennen entspricht (Abb. 26). Während der Basalteil der Antennen
hei den Nepiden äußerlich nur zum Teil sichtbar ist, weisen die Fühler von Notonecta
und die der weiter unten beschriebenen Hydrocores keine derartig tiefe Einsenkung in die
Kopfkapsel auf. Die Ansatzstelle der Antennen von Notonecta liegt dicht am Übergang des
Kopfes in den Prothorax. Die einzelnen Glieder unterscheiden sich in Form und Größe
deutlich voneinander. Dem kurzen, gedrungenen Scapus schließt sich der kräftige, zylindrisch
geformte, an der Innenseite etwas gebuckelte Pedicellus an, der etwa die dreifache
Länge des letzteren auf weist. Der Basalteil des Pedicellus zeigt eine deutliche Verjüngung.
Etwa dieselbe Länge wie der Pedicellus hat das messerförmig gestaltete erste Funiculus-
glied, dessen Basis sich ebenfalls stark verjüngt. Das distalwärts abgestumpfte Endglied
ist beträchtlich kleiner und entspricht seiner Länge nach etwa dem Scapus.
Auffällig ist das überaus starke Auftreten von mannigfaltigen und eigenartigen Hautsinnesorganen
an allen vier Gliedern. Ein großer Teil dieser Sinnesorgane wird bereits von
W eber (1930, p. 105; Fig. 87) erwähnt. Eine genaue K enntnis der Ausbildung und V erbreitung
der Hautsinnesorgane setzt eine Betrachtung beider Antennenseiten voraus, erstens
der Innen- oder Luftseite (oben), die bei dem im Wasser befindlichen Tier auf einer Luftschicht
ruht, und zweitens der Außen- oder Wasserseite (unten). Die einzelnen Seiten zeigen
nämlich ein grundsätzlich verschiedenes Gepräge bezüglich der Form, Größe und Anordnung
der Hautsinnesorgane. Die Innenseite ist bis auf den Scapus ziemlich einheitlich mit
kleinen Haaren bedeckt. Während die Haare der beiden Füniculusglieder in der Längsrichtung
der Antenne streichen, weisen die sehr spitz zulaufenden kleinen Haare des Pedicellus,
zu denen sich noch eine Gruppe etwas kräftiger ausgebildeter Haare gesellt, nach hinten.
Das erste Funiculusglied zeigt vorn noch eine Reihe kräftiger Haare, die sich durch
eine erheblichere Länge gegenüber den anderen Haaren des Gliedes auszeichnen. Auf der
Außenseite (unten) der Antenne fallen am dritten Gliede eigentümlich gebaute, lange Borsten
ins Auge, die in der 7- oder 9-Zahl auftreten (Abb. 27). Ih r Endabschnitt ist spatelförmig
verbreitert und nach der Luftschicht zu gebogen. Außer diesen Borsten treten am
dritten Gliede hinten noch kräftige, sehr stark gebogene Haare auf, die sich auch auf das
Endglied ausdehnen und sich ebenfalls der Luftschicht zuwenden. In Erweiterung der We-
BERschen Befunde (1930, p. 105; Fig. 87 bzw. 1933, p. 229; Fig. 290) habe ich außerdem
auf der Außenseite des Pedicellus sehr lange, feine, nach unten gebogene Sinneshaare festgestellt,
die in beträchtlicher Zahl vorhanden sind und an Länge die eben erwähnten
spatelförmigen Borsten fast noch übertreffen.
Hinten am Pedicellus treten Hautsinnesorgane auf, die von Weber (1930) in seiner
Abb. 87 b als abgeplattete Haare dargestellt werden und auch als solche beschrieben werden.
Nach meinen Untersuchungen dürfte es sich mehr um Gebilde handeln, die sich im
wesentlichen durch ihre geringere Länge von den langen Borsten (nach Weber) des
3. Gliedes unterscheiden, da der ganzen Form nach eine auffallende Übereinstimmung m it
letzteren vorliegt. Diese Gebilde sind mehr löffelförmig mit schmalem Stiel und mit einem
abgerundeteren Ende versehen, als sie von Weber gezeichnet sind. Die Spitze des Endgliedes
der Antenne weist unter anderem ebenfalls löffelförmige Borsten auf, die den soeben
erwähnten in ihrer Form sehr ähneln, nur daß sie vereinzelt auftreten, weniger stark gebogen
und etwas größer als letztere sind.
Die scapalen Hautsinnesorgane werden von Weber nicht berücksichtigt. Wie ich feststellte,
befinden sich auch auf dem Scapus lange haarförmige Gebilde, die ich als Sinneshaare
anspreche. Sie erreichen etwa die halbe Länge der von mir am Pedicellus nachgewiesenen
Haare und nehmen die hintere Seite des Scapus fast bis zu seiner Basis ein.
Meine Untersuchungen führen zu dem Ergebnis, daß den Antennen von Notonecta zehn
voneinander abweichende Formen von haarförmigen Hautsinnesorganen zukommen. Ob
Sinneskegel an den Antennen auftreten, müssen erst weitere Untersuchungen histologischer
Art lehren, da im Totalpräparat die dichtgedrängten Haare die feineren Strukturen
des Integuments überdecken.
2. Physiologische Gesichtspunkte.
Nach W eber (1930, p. 104 u. 105) kommt den Antennen von Notonecta in hohem Maße
die Aufgabe zu, als Rezeptor der Druckreize der Luftschicht und darüber hinaus als Regulator
des Luftschöpfens und damit der Erhaltung des Gleichgewichtszustandes zu dienen.
Entsprechend der schon eingangs erwähnten Versuchsanordnung von Both (1935) habe
ich eine vorsichtige Abtragung einer und auch beider Antennen vorgenommen, ohne die von
Weber nach ihrer Exstirpation beobachteten Ausfallserscheinungen feststellen zu können.
Doch dürften erst eingehendere Untersuchungen und Nachprüfungen zu einer endgültigen
Klärung führen.
3. Das Johnstonsche Organ.
Meine histologischen Untersuchungen erstrecken sich bei Notonecta vornehmlich auf
das JOHNSTONsche Sinnesorgan. In der Antenne ist der Scapus von einer ziemlich kräftigen
Muskulatur durchzogen, deren beide Hauptbündel am lateralen Rande des Pedicellus inserieren.
Das JOHNSTONsche Organ ist in Form eines Hohlzylinders im Pedicellus angeordnet
und läßt sich fast auf jedem Längsschnitt nach weisen. Bereits bei schwächerer Vergrößerung
treten die einzelnen Zellelemente deutlich in Erscheinung. Die histologischen Einzelheiten
des JoHNSTONschen Organs ersehen wir aus der Abb. 28, die einen Längsschnitt
nahe der Seitenoberfläche des Pedicellus darstellt.
Der vorliegende Schnitt veranschaulicht deutlich die Lagebeziehungen des JoHNSTONschen
Organs zu seinen angrenzenden Teilen, der Hypodermis (hyp) und der kräftigen Cuti-
cularwand. Basal treten die Sinneszellen ziemlich dicht an die Hypodermis der Pedicellus-
wand (ped) heran und bilden so die proximale Anheftungsstelle. Wie bei den Nepiden sind
die Zellgrenzen kaum oder gar nicht wahrnehmbar. Die Sinneszellenkerne (Szk) heben sich
durch ihre Größe und Chromatinarmut deutlich von den Kernen der übrigen Zellen ab, so
daß eine Verwechslung mit ihnen nicht möglich ist. An den Sinneszellenkernen streichen
die Neurofibrillen der Nervenfasern des JoHNSTONschen Nerven vorbei. Distal sehen wir