I. Werkstoff und Untersuchungsart.
Als Werkstoff zur Untersuchung dienten mir die Augenlider vom Habicht. Ich bediente
mich der D E CASTROschen Modifikation der Neurofibrillenmethode von R a m o n Y
C a j a l ( d e C a s t r o , 1930), die sich bei Fixierung in einem Gemisch mit Salpetersäure nicht
nur bei diesem Material, sondern auch bei der Haut anderer Wirbeltiere ausgezeichnet
bewährt hat. Ich kann feststellen, daß auch dieses Mal wieder eine CAJAL-Methode gut das
periterminale Netzwerk ( B o e k e ) und das nervöse Terminalreticulum ( S t ö h r ) darstellte
im Gegensatz zu den Ergebnissen, die manche andere Autoren damit erreichen. Durch
diese Methode wird auch das übrige Gewebe gut dargestellt, sodaß eine Nachfärbung mit
anderen Farbstoffen gar nicht notwendig wird. Wegen der Problemstellung wurden einmal
dickere Gewebsstücke eingedeckt, andererseits Schnitte bis zu einer Dicke von etwa
30 Mikra.
In den folgenden Hauptabschnitten sollen hintereinander behandelt werden die Innervation
der Epidermis, des Bindegewebes, der Fettzellen, der glatten und der quergestreiften
Muskulatur. Die Ergebnisse werden in ihrer Bedeutung erörtert und in dem Schlußabschnitt
zusammengefaßt.
Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. R. H e s s e , danke ich recht herzlich
fü r das Interesse und das Wohlwollen, das er meinen Arbeiten entgegenbrachte und entgegenbringt.
II. Die Innervation der Epidermis.
Über den Bau der Vogelepidermis ist nichts Bemerkenswertes zu sagen. Das darüber
Bekannte kann in dem Handbuch nachgelesen werden. Die Innervation der Epidermis kann
man am besten an Flaehsehnitten studieren. Es wird dann klar, daß die Oberhaut von
mehreren Seiten her ihre Nerven erhält. Einmal treten dicke, markhaltige Nervenfasern
hinzu, die zentralen Ursprungs sind, Sie verästeln sich vielfach direkt unter der Epidermis,
wie es die Abb. 1 darstellt. Hier sind die ScHWANNschen Kerne nicht mehr vorhanden.
Es treten sehr zahlreiche Varikositäten auf, die, wie man sich wohl jetzt immer mehr
einig wird, nicht Artefakte sind, sondern Stellen besonderen nervösen Geschehens darstellen.
Diese dicken markhaltigen Fasern endigen in Endknöpfchen, die den von mir in der
Reptilienhaut beschriebenen sehr ähnlich sind ( S c h a r t a u 1936). Sie sind nur hier, in der
Vogelepidermis, sehr viel kleiner. Die Abb. 2 zeigt die allmähliche Aufsplitterung der feinen
Fäserchen. Interessant ist es, am P räp a ra t immer wieder zu beobachten, daß die Varikositäten
in engste Lagebeziehungen zu den Kernen treten können. Nicht nur liegen sie
oft in der nächsten Umgebung der Kerne. Sie können auch die Kerne ein wenig eindellen,
und oft zeigt der Kern an solchen Stellen ein anderes Aussehen. E r ist anders gefärbt, läßt
also dadurch schon Rückschlüsse zu auf die unmittelbaren Beziehungen zwischen Kern
und Nervenvarikosität. In der Abb. 3 sind nun die Endigungen solcher varikösen Fäserchen
zu sehen. Bei den peripheren Enden dieser Fäserchen herrscht nicht irgend eine Richtung
vor, sondern sie liegen ziemlich wahllos durcheinander. Dieses Bild ist nach dem
Flachschnitt durch eine Federscheide gezeichnet, die ein besonders geeignetes Feld für
derartige Untersuchungen bietet. Dort ist nämlich der Innervationsreichtum besonders
stark, und manches Mal scheint tatsächlich eine jede Zelle eine Nervenendigung oder zumindest
doch eine Varikosität zu besitzen. Diese Abbildung zeigt auch deutlich, daß
strukturell gar kein Unterschied zwischen beiden Formen besteht. Das spricht alles fü r die
Ansicht von N e m i x o f f (1910), daß beide Gebilde auch ähnliche Aufgaben besitzen. In dem
Epithel der Federscheide konnte auch gut der Degenerationsvorgang der Endknöpfchen
beobachtet werden. Die Endigungen sehen in normaler, voller Funktion wie Ösen aus. Das
¡st aus der letzten Figur und auch ans der linken Seite der Abb. 4 Zu ersehen. Auch die
Endigungen treten ja in enge Lagebeziehungen zu den Kernen der Epidermiszellen. Bekanntlich
werden aber immer neue Epithelzellen ans der Matrix gebildet. Diese werden
neu innerviert, werden allmählich nach außen geschoben, verhornen dann, um abgestoßen
zu werden. Gleichzeitig werden die Nervenendigungen überflüssig. Sie werden funktionsuntüchtig,
Und dieses Degenerationsbild ist auf der rechten Seite der Abb. 4 zu erkennen.
Die Endknöpfchen zeigen nicht mehr die Ösengestalt, sondern sie erscheinen innen voll- f
kommen homogen, haben also vollständig die Silberimprägnation angenommen. Ein ähnliches
Verhalten zeigen auch gewisse längere Varikositäten der Nervenfäserehen in dem
Hautepithel. In der Abb. 5 sind auf der rechten Seite eine Nervenendigung und zwei solche
variköse Auflockerungen zu erkennen, links dagegen Sieht man V erbreiterungen von Ner-
venfäserchen, die wohl ähnlich entstanden sind, aber wegen ihrer Lage im Stratum cor-
neum keine feinen Differenzierungen mehr erkennen lassen und homogen erscheinen. Diese
Verbreiterungen sind nicht mit denen zu verwechseln, die in der Haut gelegentlich an
irgendwelchen Pigmentzellen erscheinen, also tiefer liegen, und wohl auch eine andere
Funktion besitzen, die außerdem mit diesem System der markhaltigen Fasern und ihrer
Abkömmlinge nichts zu tun haben. Die Nervenendigungen in der Epidermis sind von wechselnder
Gestalt und Größe. Sie können einfach sein oder zusammengesetzt erscheinen. Eine
Endigung von für die Vogelhaut besonderer Größe zeigt die Abb. 6. Sie ist den Endkolben
in der Epidermis der Reptilien sehr ähnlich, zeigt sie doch eine, äußere Neurofibrillenhülle
und eine innere Verästelung. Das läßt den Schluß zu, daß die Endigungen der Wirbeltiere
überhaupt einander sehr gleichen und sich nur in der Ausdehnung unterscheiden. Ein periterminales
Netzwerk konnte ich bei den Endigungen der Vogelhaut nicht nachweisen, ist
aber sicher doch als vorhanden anzunehmen. Um noch einmal auf den ungeheuren Nerven-
reichtum gerade der Federscheiden hinzuweisen, sei die Abb. 7 gezeigt. Hier fällt wohl
auf, daß einzelne Nervenfasern in Strängen parallel zueinander verlaufen. Sie sind in tra epithelial
gelegen und weisen auch keine Schwannschen Kerne mehr auf. Wichtig ist aber
das äußerst zahlreiche Auftreten der Varikositäten, die jeden Kern, also jede Zelle zu versorgen
scheinen.
Die Verhältnisse, wie sie eben geschildert wurden, sind vor allem an den Federscheiden
anzutreffen. Über die Innervation der Feder wäre an anderem Material noch eine Spezialuntersuchung
zu leisten. Eine neuere Arbeit über die Innervation der Feder aus der
Hand von D r e y f u s s (1937) ist mir leider nur im Referat zugänglich gewesen.