fallen usw. — Manche Ameisen, mit oder ohne Beute, liefen auch vom Wege ab und irrten
dann kreuz und quer umher.“ „Selbstverständlich will ich nicht behaupten“ , so schließt
R e h , „daß diese Planlosigkeit Regel gewesen sei; in der Hauptsache liefen natürlich die
leeren Tiere vom Nest weg, die beladenen nach ihm zu; aber jedesmal, wenn ich die Ameisen
in Arbeit sah, fiel mir das Umherirren einer ganz beträchtlichen Anzahl von neuem auf“.
R e i i bringt damit das zum Ausdruck, was auch mir bei der Beobachtung von Zügen der
Ameisen immer wieder auf fiel: die allgemeine Tendenz ist unverkennbar. Sie erscheint aber
klarer, wenn man n i c h t genauer untersucht; denn dann löst sich scheinbar alles in Einzelheiten
auf, die keine eindeutige Tendenz erkennen lassen. Dies geht sogar so weit, daß es
beinahe unmöglich ist, einen Zug von Ameisen (Atta, Acromyrmex, Messor, Lasius fuli-
ginosus u. a. m.) so zu photographieren, daß man diese „allgemeine Tendenz“ erkennt. Der
Teilausschnitt, der ja immer allein auf dem Bilde festgehalten wird, gibt meist nur unregelmäßig
verstreute Tiere. Man kann auf diese Weise nicht das zum Ausdruck bringen, was
ein dem bewegten Zuge folgendes Auge aufnimmt: das Auge, das die Einzelpunkte zu einer
Ge s t a l t verbindet, und so einen G e s amt e i n d r u c k erhält von der Ganzheit eines
Ameisenzuges.
Wenn man hier wie stets die Mittel feststellen will, welche die Vielheit von Einzelwesen
zu einer Ganzheit zusammenfügen, ist man immer wieder zunächst auf Analyse angewiesen,
d. h. eben auf Beobachtung von herausgegriffenen Gruppen. Erst wenn genügend
viel solcher Einzelbeobachtungen vorliegen, kann man dann auf die Gesamtheit schließen.
a) S t a t i s t i s c h e F e s t s t e l l u n g e n im F r e i e n
So war es denn mein Bestreben, das zu tun, was allein möglich ist: Die Arbeitsleistungen
im Attinen-Staat statistisch in ähnlicher Weise zu erfassen, wie ich es schon im Messor-
Nest z. T. durchgeführt und E i d m a n n (1935) bei A tta sexdens einmal versucht hat.
E i d m a n n legt auch bereits die Forderungen dar, die erfüllt werden müßten, wenn man
ganz genau sein wollte: eine Messung sämtlicher Individuen einer alten Kolonie. „Bei der
selbst für den Myrmekologen, der die Verhältnisse nicht kennt, unvorstellbaren Größe und
Individuenzahl einer solchen Kolonie ist dies jedoch nicht möglich“ , stellt E i d m a n n dann
aber selbst fest.
Bei kleineren Nestern anderer Ameisen ist eine solche Forderung leichter durchzuführen,
und eine Arbeitsgemeinschaft von Dozenten und Studenten hat im vergangenen Ja h r
einige Staaten von Lasius flavus in unserem Breslauer Institut ganz systematisch ausgegraben
und ausgezählt, und zwar im Laufe eines ganzen Jahres, um auch den Wechsel
des Bestandes in den einzelnen Monaten zu erfassen. Das Resultat ist in Tabelle 35 ersichtlich.
Ich bin dann dazu übergegangen, die Tiere auch zu me s s e n, und habe solche Messungen
bei einigen tausend Tieren auch durchgeführt. Als Ergebnis der Längenmessungen
(vom Abdomenende bis zu den Mandibelnspitzen) fanden sich immer wieder Kurven in der
Art der Kurve 1, und zwar gleichgültig, ob man etwa 3000 Tiere dazu nahm oder nur einige
hundert. Die Fehlerquelle ist, wie sich zeigte, bei etwa 500 Tieren so gering, daß sie kaum
in Betracht kommt.
Dies Ergebnis ist für die Untersuchung von Polymorphismus und Arbeitsteilung bei
den Attinen deswegen wichtig, weil es zeigt, daß man auch mit etwa 500 Tieren eines Nestes
schon etwas feststellen kann, wenigstens fü r unsere Zwecke.
Eine Zahl von 4 8 5 Tieren lag übrigens auch den Untersuchungen von E id m a n n (1 9 3 5 )
zugrunde, der Arbeitergröße und Arbeitsteilung von A tta sexdens in Beziehung zu setzen
versuchte, um einen Querschnitt durch die Gesamtpopulation zu erhalten. E r unterschied
zunächst der Arbeitsweise nach im Innendienst des Nestes Pfleger und Gärtner, die zu
trennen unmöglich erschien. E i d m a n n nimmt jedoch an, daß bei geeigneten Methoden Größenunterschiede
zwischen Pflegern und Gärtnern gewonnen werden können. Als dritte
Gruppe kommen zum Innendienst dann noch hinzu die Gräber, welche die Bauten im Nest
ausführen.
Im Außendienst ist das Blattschneiden nach E i d m a n n vom Schleppen zu trennen, da
beide Tätigkeiten häufig von verschiedenen Individuen ausgeführt wurden. Und als letzte
Tätigkeit des Außendienstes gibt E i d m a n n an die Ve r t e i d i g u n g . Hierbei ist er jedoch
gezwungen, eine Unterteilung durchzuführen, und zwar in die eigentlichen V e r t e i d i g e r ,
welche erst auf längere Reizung des Nestes herauskommen, und die S o l d a t e n , welche sofort
angreifen, beispielsweise eine ins Eingangsloch gesteckte dünne Gerte:>JM|
Bei einem Vergleich der Tätigkeiten mit den Größenklassen ergibt sich dann, daß Pfleger
und Gärtner eine Größe von 3—9 mm besitzen, und die Gräber zwischen 4,5 und 9 mm
schwanken. Die Schlepper erreichen Größen von 8,5—14 mm, die Schneider von 10—14 mm,
d. h. bis hierher ist deutlich feststellbar, daß im Innendienst nur kleine (3—9 mm), im Außendienst
große Tiere (8,iiryl4 mm) tätig sind. Schwieriger wird es mit der Gruppe Verteidiger,
die E i d m a n n in seiner Aufstellung der T ätigkeiten naturgemäß dem Außendienst zuordnet:
der Größe nach sind da nämlich die größten und die kleinsten Tiere vertreten. Sie passen
also nicht in das Schema hinein. Deshalb nimmt E i d m a n n in seiner Tabelle, welche die Beziehung
der Körpergröße zu verschiedenen Tätigkeiten erläutern soll, nur die größeren zum
Außendienst, die also, welche er als Soldat bezeichnet ( lß B lö mm), und trennt davon ab
die kleinen (3—9 mm), die eine besondere Gruppe der Verteidiger, außerhalb von Außen-
und Innendienst, bilden.
Diese Anordnung ist, wie E i d m a n n wohl selbst empfindet, eine Verlegenheitslösung:
dadurch bedingt, daß eben bei Gefahr schließlich al le Nestinsassen zur Verteidigung schreiten,
während den ersten A ngriff schon b e r e i t stehende Tiere abfangen; die nämlich, welche
E i d m a n n als Soldaten bezeichnet.
Diese Verlegenheit bekam ich auch zu spüren. Wie ich glaubte ihr entgehen zu können,
wird sich gleich zeigen; sie schließt sich an einen Einwand an, den ich gegen den stets gebrauchten
Ausdruck „Soldat“ erheben möchte.
Als Soldat wird definitionsgemäß eine Arheiterkaste bezeichnet, die sich durch große
Köpfe auszeichnet; und streng genommen auch nur dann, wenn zwischen diesen Großköpfen
und den Normalarbeitern k e i n Übergang zu finden ist. Ein „Soldat“ ist demnach nur ein
großköpfiges, meist auch größeres Tier; die Definition ist demnach rein mo r p h o l o g i s c h
zu verstehen. Der Begriff „Soldat“ umfaßt aber, außerhalb der Myrmekologen gebraucht,
stets me h r als nur morphologische Merkmale! Und davon kommt man nie so recht los.
Deshalb hatte ich seinerzeit auch für die Großtiere bei Messor den Ausdruck „Gigant“ geprägt,
der nur morphologisch verstanden wird, und sich seither so gut eingeführt hat, daß
er wohl beibehalten werden kann. E r scheint mir jedenfalls besser als etwa „Macroergat“
oder Großarbeiter, da hier ebenfalls in der Bezeichnung der Gestalt schon Tätigkeitsbegriff
mit enthalten ist, der Begriff „Arbeiter“, der ja nicht nur hier doppelsinnig werden kann
und unheilvollerweise schon geworden war. Ist doch jeder, der irgendwie eine Arbeit tut,
ein „Arbeiter“, nicht nur der, welcher dem „Stand“ oder der „Kaste“ der Arbeiter im
sozialdemokratischen Sinne angehört. —