R E I S E
1804. ein Gegenstand ihres. Erstaunens. Es war nicht unwahrscheiri-
May- lieh, dafs einige von ihnen schon vorher einen Spiegel gesehen
hatten, obgleich- alle die Wand hinter dem Spiegel untersuchten,
um sich das wunderbare dieser Erscheinung zu erklären. Ein
grofser Spiegel, in welchem sie ihren ganzen Körper sehen
konnten, mufs aber etwas ganz neues für sie gewesen seyn.
Der König gefiel sich besonders darin, und Eitelkeit oder Neugierde
führten ihn bey jedem Besuche sogleich nach meiner
Cajüte gerade vor den Spiegel, wo er oft ganze Stunden zu
meinem grofsen Yerdrufse zubrachte.
Da ich mir vorgenommen hatte, ans Land zu fahren, sowohl
um den Besuch des Königs zu erwiedern, als auch vorzüglich,
um das Wafser zu untersuchen, welches wir hier einnehmen
sollten, und ich in meiner Abwesenheit das Schiff nicht mit Gästen
belästigt haben wollte, so feuerte ich eine Kanone ab, und
zog eine rothe Flagge auf. Dabey ward das Schiff T ah bu *)
erklärt, und aller Handel sogleich abgebrochen. Dieses hatte
zwar die Wirkung, dafs niemand mehr an Bord kam, die aber,
welche um das Schiff schwammen, schienen sich dennoch sehr
langsam und ungern davon zu entfernen. Um 10 Uhr fuhr ich
ans Land, vom Gesandten und dem' gröfsten Theile der Offiziere
des Schiffs begleitet. Obgleich ich aus dem freundschaftlichen
Vernehmen, in welchem ich schon mit dem Könige und seinen
Verwandten stand, und aus der nichts weniger als argscheinen-
*) leb halte es für uimöthig, eine Erklärung des Worts T a h b u zu geben,
das aus Capitain ,Cook’s Reisen hinlänglich bekannt ist. Im
nächst folgenden Capitel wird der Kraft des Tahbu’s aruf diesen Inseln
erwähnt werden.
den Disposition der Insulaner überhaupt, auf eine sehr friedliche
Aufnahme am Lande rechnen konnte, hielt ich es doch der Vorsicht
gemäfs, und auch bey unserm ersten Besuch für nothwen-
dig, nicht anders als gut bewaffnet zu erscheinen. Ich nahm
also aufser meiner Schaluppe noch ein Boot mit. Die Ruderer
waren jeder mit einem paar Pistolen und einem Säbel bewaffnet,
und ich hatte noch sechs Mann unter Gewehr. Jeder Offizier
war gleichfalls mit Waffen wohl versehen. Der Engländer und
der Franzose begleiteten uns als Dollmetscher. Eine sehr grofse
Menge Volks beyderley Geschlechts war am Ufer versammelt,
wo wir ans Land stiegen, welches der starken Brandung wegen
mit ziemlicher Beschwerde geschah. Obgleich sich weder der König,
noch einer von seinen Verwandten unter, dem Volke befand,
so betrugen sich dennoch alle höflich und ehrerbietig.
Nachdem ich das Wafser untersucht und sehr gut gefunden
hatte, richteten wir unsern Gang nach einem nicht weit vom
Ufer gelegenen Hause,-wo der König uns erwartete. Ungefähr
5oo Schritt von diesem Hause kam uns der Oheim des Königs,
welcher auch zugleich sein Stiefvater ist, und der hier nicht
anders als dér Vater des Königs genannt wird, entgegen. Obgleich
ein Greis von 76 Jahren, schien er dennoch einer vollkommenen
Gesundheit zu geniefsen. Er hatte ein sehr lebhaftes Auge, und
aus den Zügen seines Gesichts konnte man auf einen entschlof-
senen und unerschrockenen Charakter schliefsen. Auch ist er
einer der grösten Krieger seiner Zeit gewesen, und noch jetzt
litt er an einer Wunde am Auge, über welchem er ein Verband
trug. In der Hand hatte er einen langen Stab, mit dem er,
wiewohl vergebens, die uns nachlaufende Menge abzuhalten
suchte. Er fafste mich, bey der Hand, und führte mich nach
1804.
May.