1804
May.
Mit Untergang der Sonne gingen alle Männer ohne Ausnahme
ans Land. Mehr als hundert vom weiblichen Geschlecbte blieben
aber noch in der Nähe des Schiffs., um welches sie schon seit
fünf Stunden herumschwammen. Während dieser Zeit hatten
sie alle Künste, deren sie Meister waren, aufgeboten, den Zweck
ihres Besuchs anzudenten. Sie konnten wohl , selbst nicht länger
zweifeln, dafs ihre Wünsche errathen. waren; denn sowohl ihre
Pantomimen als Attitüden konnten nicht mifsverstanden werden.
Die Arbeiten auf dem Schiffe, welche nicht unterbrochen werden
durften, waren indefs Ursache, dafs man sie keiner besondern
Aufmerksamkeit würdigte, und ich hatte den Befehl gegeben,
dafs ohne meine besondere Erlaubnifs keiner, weder von dem
einen noch von dem andern Gesehlechte, die königliche Familie
allein ausgenommen, an Bord kommen sollte- Kaum aber firig
es an dunkel zu werden, so baten diese armen Geschöpfe in
einem so jämmerlichen Tone, ins Schiff kommen zu dürfen,
dafs ich endlich, die Erlaubnifs dazu gab. Ich konnte auch um
desto eher in diesen Stüeken nachsichtig seyn, da ich auf dem
Schiffe nicht einen einzigen venerischen.Kranken hatte, und Roberts
mir die Versicherung gab, dafs diese Krankheit bis dahin
auf dieser Insel nicht bekannt geworden wäre. Indefs setzte
ich dieser Gefälligkeit ihre Gränzen, und nach zwey Tagen ward
niemand vom weiblichen Gesehlechte während nnsers ganzen Aufenthalts
mehr an Bord gelafsen, obgleich selten weniger als 5o
jeden Abend um das Schiff herumschwammen, und es nicht
eher verliefsen, als bis man einige Flinten über ihre Köpfe abgefeuert
hatte. Ich glaube mich nicht zu irren, dafs diese allgemeine
Herabwürdigung des weiblichen Geschlechts nicht so
sehr in Leichtsinn oder zügelloser Sinnlichkeit ihren Grund hat,
als in dem Gehorsam gegen die unnatürlichen und tyrannischen 1804
Befehle der Männer und Väter, welche ihre Weiber und Töchter
abschicken, um Eisen und andere Kleinigkeiten zu erlangen;
denn des Morgens sah man sie ihnen entgegen schwimmen, um
die erworbenen Schätze in Empfang zu nehmen. Ich habe selbst
einen Mann mit einem Mädchen von ro bis 12 Jahren, wahrscheinlich
seiner Tochter, um das Schiff herumschwimmen, und
sie feil' bieten sehen. Was nicht weniger mein Erstaunen in
physischer als meinen Abscheu in moralischer Rücksicht erregte,
war ein Kind, das höchstens acht Jahr alt seyn konnte, welches
sich in der Verschwendung seiner Gunstbezeugungen eben so
wenig zurückhaltend, und nicht minder freygebig als seine Geschwister
von 18 oder 20 Jahren bezeigte. Mit einem Gemisch
von Mitleid und Entsetzen habe ich dieses unglückliche Geschöpf
eine Weile angesehen. Es war in jedem Betracht ganz Kind,
und mit den Gefühlen, die einem Kinde natürlich sind, lachte
und scherzte es, ohne das geringste Bewustseyn seiner unglücklichen
Lage.
Am folgenden Morgen um 6 Uhr war das Schiff von meh- 8.
rern hundert Insulanern umringt, welche alle Cocosnüfse, Bananen
und Brodfrüchte zum Verkauf brachten. Auch die ganze königliche
Familie unterliefs nicht, schon um 7 Uhr am Bord zu
seyn; ich führte alle, die zu ihr gehörten, in meine Cajüte, um
jedem ein Geschenk zu machen. Das in Oelfarbe gemalte Portrait
meiner Frau, fiel ihnen besonders auf. Eine lange Weile
standen sie vor demselben, und bewunderten es mit allen Kennzeichen
von Wohlgefallen und Erstaunen. Auf das gekräuselte
Haar, welches sie für eine grofse Schönheit halten sollen, machte
einer den andern aufmerksam. Der Spiegel war nicht weniger
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