D R I T T E S C A P I T E L.
B'ahrt nach den C a n a r is ch en In s e ln und B ra s ilien .
Die Scliiffe verlassen Falmoiith — Beobachtung einer ausserordentlichen
Sternschnuppe — Ankunft auf Teneriffa — Dortiger Aufenthalt — Bemerkungen
über Santa Cruz — Inquisition — Unumschränkte Gewalt
des General-Gouverneurs der C anarischen Inseln — Astionomis che
und nautische Beobachtungen in Santa Cruz — Die N a d e s h d a und
N e w a segeln nach .Brasilien — Die Insel St. Antonio —|fj Bemerkungen
über die Fahrt nach dem Aequator zu — Vergebliches Suchen
der Insel A s c e n s a o — Meinungen'über das Daseyn dieser Insel — Erblickung
des Caps Frio — Ueber die Lage dieses Vorgebirges —
Sturm in der Nähe von St. Catharina — Ankern zwischen der Insel
St. Catharina und der Äüste von Brasilien.
,ßo3. D a der Wind günstig war, so wartete ich mit ziemlicher
Oktober Ungeduld auf den Herrn von Resanoff; welcher endlich am
5. fünften des Morgens früh in Falmouth eintraf. Den nämlichen
--- Tag, sobald sich nur die Fluth eingestellt hatte, segelten wir
von der Carreger Rhede mit einem frischen Nordwinde ab, der
sich in einigen Stunden nach Osten zu drehte. Um acht Uhr
Abends lag uns der Leuchtthurm Lizard NW 38° in einer Entfernung
von zwölf Meilen. Um neun Uhr verloren wir ihn aus
dem Gesichte, und um zehn Uhr änderte ich meinen Curs von
SSW zu WSW. Der Wind wehte frisch, ohne das Schiff ■ stark
zu bewegen. Die Nacht war so schön wie sie nur seyn konnte,
hell und wolkenfrey. Alle Offiziere blieben bis nach zwölf Uhr
auf dern Verdeck. Diese heitere Nacht beyxn Eintritt in den
Ozean schien jedem ein gutes Vorzeichen für unsere lange Reise 1803.
zu seyn. Wem konnte dieser Gedanke, dieser Wunsch, welcher oktober.
nicht aus Besorgnifs für persönliche Sicherheit entstand, wichtiger
seyn als mir!. Es war mir, als wenn der cultivirtere
Theil von Europa seine Blicke auf uns gerichtet hätte. Der
glückliche oder unglückliche Ausgang meine? Unternehmens
mufste über meinen Ruf entscheiden, und das Fehlschlagen
desselben konnte auf meinen Namen einen Schatten werfen,- der
auch einigermafsen mein Vaterland selbst treffen mufste. Die
Tadler und Verkleineret Rufslands würden über ein unglückliches
Ereignifs triumphirt haben, und der- erste Versuch, wenn er
mislang, konnte für längere Zeit von ähnlichen Unternehmungen
abschrecken. Die Schwierigkeit des begonnenen Werkes schwebte
inir lebhafter als je vor Augen, und ich fand zuletzt meine Beruhigung
blos in den Gründen, welche meinen Entschlufs zu
dieser Reise bestimmt hatten: in der Pflicht, mich einem Unternehmen
nicht zu entziehen, von welchem man mir (wie ich
hier öffentlich wiederholen darf) gesagt hatte, dafs es ganz unterbleiben
würde, wenn ich die Ausführung desselben nicht
übernähme; aus diesem Grunde war es also Pflicht für mich, zu
gehorchen. In dem Augenblick, als ich das' Feuer von Cap
Lizard verschwinden sah, bemächtigten sich meiner Empfindungen,
welche die ganze Stärke meines Muths erheischten. Ich
konnte nicht ohne die innigste Wehmuth an meine geliebte Frau _
zurückdenken, deren zärtliche Liebe zu mir, jetzt die Quelle so
grofsen Kummers für sie war. Doch diese Empfindungen des
Schmerzes wurden bald wieder durch die frohe Hoffnung verdrängt,
dafs diese Reise gewifs glücklich beendigt werden würde.
Der Gedanke, den Ruhm meines Vaterlandes vergröfsert zu haben;
E R S T E R T H E I L . 6