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18o3.
Novemb.
R E I S E
Sonne nicht sahen, und die Kleidungen und Betten der Matrosen
nicht getrocknet werden konnten. Das Thermometer .stand gewöhnlich
zwischen 21 und 23 Grad. Die Luft war feucht und
schwül. Ich hatte wohl Ursache, für die Gesundheit meiner
Lei ite besorgt zu seyn, war aber so glücklich, auch nicht einen
Kranken diese Zeit über zu haben. ' Allein es wurde auch jede
Vorsicht angewandt, ihre Gesundheit zu erhalten. Ich liefs drey
bis viermal in der Woche Feuer im Schiffsraum machen, welches
mehrere Stunden brannte, und unstreitig ein vorzügliches Mittel
ist, die Luft trocken und rein zu erhalten. In Teneriffa hatte
ich mich mit Citronen, Kartoffeln und Kürbifsen (Pumpkins) so
gut versorgt, dafs bey unserer Ankunft in St. Catharina unser
Vorrath noch nicht erschöpft war. Statt Brandtwein bekam jeder
Mann eine halbe Bouteille von dem besten Teneriffa Wein, und
des Morgens und Nachmittags liefs ich einen schwachen Punsch
geben, der aber sehr süfs und mit vielem Citronensaft vermischt
war. Jeder Augenblick des Sonnenscheins wurde benutzt, . ihre
Kleidung und ihre Betten zu trocknen und zu lüften. Der häufige
Regen, während welchem wir wenigstens auf 14 Tage Wasser
sammelten, gab unsern Leuten eine gute Gelegenheit, ihre
Wäsche zu waschen, wozu ich ihnen ein grofses Zelt zwischen
dem mittlern und vordem Mast ausbreiten, und ganz
einräumen liefs. Es war in der That ein belustigender Anblick,
einige zwanzig Menschen zugleich unter diesem ausgebreiteten
Zelte, welches einem kleinen See ähnlich war, zu sehen,
die, nachdem sie ihre Kleider und Wäsche gewaschen hatten,
sich einander selbst wuschen. Die Hitze schien ihnen übrigens
nicht so sehr beschwerlich zu fallen, als ich erwartet hatte. Das
Thermometer stand nie viel unter 23 Grad, demungeachtet fragten
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doch mehrere Matrosen, wann es denn endlich heifs werden
würde, so viel hatte man ihnen von der grofsen Hitze erzählt.
Es scheint also, dafs unsern Rufsen kein Extrem unerträglich ist,
und dafs sie eine Kälte von 23 Grad eben so leicht ertragen,
als eine Hitze von 23 Grad.
Die beschwerliche und unangenehme Witterung hielt 10 Tage
an, und wir waren in dieser Zeit nur um 2 Grad südlicher fortgerückt.
Dabey hatten wir gegen einen starken Strom zu kämpfen,
der uns täglich iS bis 18 Meilen nach Norden zurücktrieb.
Nach Verlauf von 10 Tagen bekamen wir endlich einen frischen
Nordwind, der beynahe 24 Stünden dauerte, nach SO herumging,
und sich dort als der wahre Passat festsetzte; wir befanden uns
nun im 2ten Grade nördlicher Breite und im 23slen Grade westlicher
Länge.
Den 22sten November sahen wir ein Schiff, welches beym
Winde nach Osten zu steuerte. Ich vermuthete, dals es nach
Europa ging, und wollte daher diese Gelegenheit benutzen, nach
Rufsland zu' schreiben. Ich schickte einen Offizier mit meinen
Briefen an Bord. Es hatte unterdessen die amerikanische Flagge
aufgezogen, und ich erfuhr, dafs das Schiff nach Batavia bestimmt
sey. Ungeachtet seiner Reise nach der südlichen Hemisphäre
behielt der Capitain meine Briefe mit dem Versprechen, sie vom
Vorgebirge der guten Hofnung aus, wo er einlaufen würde, nach
Europa zu befördern *). Seine Länge war von der unsrigen sehr
verschieden, sie war nämlich mehr als 3 Grad zu westlich, diefs
hatte ihn bewogen, sich nach Osten zu halten. Ich schickte
*) Diese Briefe erreichten richtig im Monate May 1804 den Ort ihrer
Bestimmung.