V i e r t e s K a p i t e l .
V o n d e n e i g e n t h ü m l i c h e n G e f ü f s e n .
§. 35.
Zunächst den im 8ten Paragraph beschriebenen fibrösen Röhren,
zeichnet sich in den Gefäfsbiindeln des Mays eine genau begränzte
Substanz aus, x) die sich selbst in dickern weniger deutlichen Querschnitten
durch eine gröfsere Zartheit und einen trüben ausfliefsen-
den Saft unterscheidet, welcher ihr eine weifsliche Farbe giebt, und
oft ihre Fläche so sehr überzieht, dafs man nur die äufsern Umrisse
derselben bestimmt unterscheidet.
Diese Substanz erfordert um so mehr unsere Aufmerksamkeit,
da sie von verschiedenen Beobachtern nicht nur mit den fibrösen
Röhren verwechselt, sondern selbst für ein einzelnes Gefäfs angesehen
worden ist, und unsere fernere Untersuchungen eine genaue Bestimmung
der verschiedenen Grundtheile des Gefäfsbündels nothwen-
dig voraussetzen.
M a lp ig h i, welcher zuerst den Bau der Gefafsbiindel des Mays
genauer zu bestimmen bemüht war, sah an der Stelle, welche ich so
eben bezeichnet habe, einen eigentümlichen Saft ausfliefsen. 2) Mit
1 ) Tab.I. fig. i .b .
2) Anatom, plant. Lon$. 1675, fol* pag. 7.
dieser Bemerkung hatte es allerdings seine völlige Richtigkeit; aber
der sonst sehr sorgfältige und unbefangene Beobachter gerieth hier
unglücklicher weise a u f eine Behandlungsart, die bey mikroskopischen
Untersuchungen, wo es auf möglichst vollständige Durchsichtigkeit
der Theile ankommt, sehr übel angebracht ist, und schon so
manchen Pflanzenanatomen irre leitete. Er betrachtete in der heygefügten
Figur (Tab. IIII. fig. iS. C. E.) ein einzelnes ausgelöstes Ge-
fäfsbündel zugleich im Länge- und Quer-Schnitt, und konnte mithin,
in dem nothwendig sehr verdunkelten Object, die zarten und
äufserst feinen Grundtheile der angeführten Substanz um so weniger
unterscheiden, da sie mit dem ausgeflossenen eigenthümlichen Saft
bedeckt war; er gerieth also in einen Irrthum, in den er auch bey
andern Gelegenheiten durch eine ähnliche Täuschung verfallen ist,
und hielt diese ganze Substanz für ein einziges Gefäfs, welches so
wie diejenigen, welche er im Mark des Zwerghollunders bemerkt
hatte, 3) einen eigenthümlichen Saft enthalte. Er hat es in der angezogenen
Figur, Tab. IIII. fig. i 5, mit F. bezeichnet, und es hat
genau die Lage unserer Substanz. Die scheinbare Aehnhchkeit, welche
die mit eigenthümlichem Saft umflossene zarte Masse mit den von
ihm so genannten eigenthümlichen Gefäfsen hatte, verführte ihn so
sehr, dafs er die Vorsicht vernachlässigte, durch Zerlegung des Gefäfsbündels
in seine einzelnen Theile die Vermuthung zu prüfen, welche
der zu dicke Querschnitt erregt hatte.
In einen ähnlichen Fehler verfiel Herr M irb e l beym Zuckerrohr,
wo diese Substanz genau denselben Bau hat. Er lüelt sie gleichfalls
für ein einzelnes Gefäfs und sogar für eine falsche Trachee. 4)
3) pag. 16. am Ende.
4) Journ. de pliys. Tom. LIII. pag. 72. PI. II. fig. 7. | im Querschnitt, nicht
im Längeschnitt; denn das Gefäfs j. im Längeschnitt ist eins der in unse