Z w e y t e s K a p i t e l .
V o n d e r z e l l i c h t e n S u b s t a n z .
§. 18.
A u f die im yorigen Kapitel beschriebenen fibrösen Rohren der
Mayspflanze folgt eine zellenförmige Masse, (Tab. I. fig. 1. b. e. e. £ f.)
welche zum Theil aus eigentlichen Zellen besteht. Wir müssen daher
den allgemeinen Charakter der zellichten Substanz der Pflanzen
und ihre zufälligen Abänderungen in so weit näher bestimmen, als
es unser Hauptgegenstand erfordert. Indem wir die fibrösen Röhren
yon der zellichten Substanz im Allgemeinen unterschieden, haben
wir bereits bemerkt, dafs dieselbe im Holze sowohl als in der
Rinde aus einzelnen sphärischen, eyformigen, oder kurzen cylindri-
schen Bläschen bestände, Welche in fortgehende Schlauchreihen dergestalt
geordnet' sind, dafs jeder Schlauch, da wo er den obern oder
untern berührt, vollkommen abgeplattet ist und auf der eben so abgestumpften
Fläche des untern ruht. Diese abgestumpften Flächen
sind bald genau wagerecht, bald mehr oder weniger schief. Bisweilen
findet in einer bestimmten zellichten Substanz nur eine dieser
Modificationen Statt, dafs nämlich alle jene Flächen genau wagerecht,
oder alle schief und auf eine bestimmte Art schief sind. Doch
treffen wir oft in einer und derselben Schlauchreihe die mannigfaltigsten
Modificationen der Richtungen an, 1 ) dafs wir also nichts
besonderes, hierin finden können. Wo aber eine Sclilauchreilie auf-
liört und zwischen zwey andern Schlauchreihen eingefügt ist, endigt
sich der letzte Schlauch mit seinem freyen Ende mehr oder weniger
konisch. 2) Nun kann man freylich hierin keine Aehnlichkeit mit
dem Bau der fibrösen Röhren finden. Ein an dem einen Ende abgeplatteter,
auf einem eben so geformten Bläschen ruhender, und an
dem andern Ende, unter gewissen Umständen, konisch zulaufender
Schlauch, entweder von gleichem Durchmesser, oder weniger länger
als breit, kann keinesweges mit der Form und der, nie in fortlaufende
Schlauchreihen, sondern immer neben einander geordneten, Lage
verwechselt werden, welche wir beständig bey den fibrösen Röhren
finden. Aber man könnte vielleicht in der konischen Form, welche
die Schläuche der zellichten Substanz anzunehmen scheinen, wenn
sie nicht durch einen äufsern Widerstand, in ihrer Büdung beschränkt
werden, den Schlufs ziehen wollen, dafs die fibrösen Röhren sich
in ihrer ursprünglichen Form von jenen Schläuchen nicht unterschieden,
ob sie uns gleich die Beobachtung immer in ihrer eigenthümli-
chen Bildung darstellt. Indessen läfst sich hier kein Grund angeben,
warum die so feste Substanz der fibrösen Röhren oft in so äufserst
lange Cylinder ausgedehnt und die dicht an sie gränzenden Schläuche
der zellichten Substanz allein ihre ursprüngliche Form behauptet
hätten. Der Wachsthum des zärteren Pflanzentlieils in die Länge
würde auf alle Elemente desselben den nämlichen Einflufs haben;
wenigstens könnten durch alle Spannungen, welche man sich auch
immer hierbey denken mag, die festem Tlieile nicht stärker ausge-
1 ) Man vergl. Tab. V . fig. i 5..
2 ) Man sehe Tab. V . fig. 16. und fig. i 5. a. — Fig. 14.. ist dieselbe Sclilaucli-
reihe, welche man fig. i 5. a. zwischen zwey andern ein gefügt sieht, durch
Maceration getrennt und einzeln darges teilt. Alle sind aus der Rinde des
gemeinen Hollunders.