
Civilisation auf gleicher Höhe mit der des Westens stehe; die Japaner
sind aber kein halbcivilirtes Volk, der Zustand der Dinge
in diesem Lande entspricht dem von Europa während des Mittelalters.
Von der hiesigen Regierung also die Beobachtung der nämlichen
Formen, dieselbe schnelle Ausübung des Rechtes zu verlangen,
die man in civilisirten Ländern findet, heisst Unmögliches fordern;
die Behörden aber für vereinzelte Handlungen von Privatleuten
verantwortlich zu machen, scheint mir durch keine Lehre des Völkerrechtes
gerechtfertigt. In der westlichen Welt handelt man nach
diesen Grundsätzen nicht: vor kurzer Zeit sprach ein londoner Ge-
schwornengericht triumphirend einen Menschen frei, der Anschläge
gegen das Lehen des französischen Kaisers schmiedete; ich hörte
nicht, dass die französische Gesandtschaft in London sich in Folge
dieser Rechtsverkürzung nach Dover zurückgezogen hätte. Ferner:
in einer der belebtesten Strassen Neapels wurde bei hellem Tage
ein roher Angriff auf die Person des französischen Gesandten verübt;
die Mörder entkamen in Gegenwart von hundert Zuschauern und
sind bis heute nicht ergriffen worden. Zog sich der französische
Gesandte deshalb aus Neapel zurück? Im März wurde der Regent
von Japan ermordet; nur ein Theil der Mörder ist verhaftet und
keiner bis jetzt bestraft worden. Dieser Verzug in Bestrafung von
Mördern einer so hochgestellten Person beweist, dass das japanische
Gerichtsverfahren von dem der westlichen Erdhälfte verschieden
ist. - Ich wünsche meinen Glauben hier öffentlich zu bekunden,
dass mein Leben in diesem Lande vollkommen sicher ist, so lange
ich die von der japanischen Regierung empfohlenen und von den
Japanern selbst angewandten Vorsichtsmaassregeln beobachte.. Der
Rückzug nach Y o k u h a m a z u dem Zwecke, auf die japanische Regierung
Eindruck zu machen, ist nach meiner Ansicht ein verfehlter
Schritt. Es war kein einziger Artikel im amerikanischen Vertrage
so schwer durchzusetzen, als das Recht der Gesandtschaft in Yedbo
zu residiren. Die japanischen Minister warnten mich bei jeder Gelegenheit
vor den grossen Schwierigkeiten, welche der Aufenthalt
in der Hauptstadt nothwendig erzeugen müsse, und strebten aus
allen Kräften danach, dass ich meinen dauernden Wohnsitz in
K a k a g a v a oder K a v a s a k i nähme, mit dem Rechte nach Y e d d o z u
gehen, so oft die Geschäfte erforderten. Der Rückzug der Gesandten
nach Y o k u h a m a ist genau was die Regierung wünscht, da er sie «
von grösser Besorgniss, Verantwortlichkeit und Geldausgaben befreit,
und da sie immer behauptet hat, die Fremden in Y o k u h a m a besser
schützen zu können als in Y e d d o . Statt ihr daher einen Stoss zu
o-eben, wird diese Uebersiedelung als ein grösser Erfolg betrachtet
werden und meiner Ansicht nach die Japaner veranlassen, den
fremden Diplomaten mit dem fremden Kaufmann zu verwechseln,
was sowohl seinem Prestige als seinem Einfluss Nachtheil bnngen
muss. Aus den hier angegebenen Gründen verwahre ich mich
gegen das Verfahren meiner Collegen, das nach meiner Ansicht
keine wohlthätige Wirkung haben wird und ein bedeutender Schritt
zum Krieg mit diesem Lande ist. Das Volk von Japan kann mcht
durch einen diplomatischen Federzug zu unserer Höhe der Civili-
sation '‘emporgehoben werden, auch nicht wenn es den Anführer
von fünfzigtausend Soldaten zum Lehrmeister hat. Nur Zeit, Geduld
und Nachsicht können diesen wünschenswerthen Erfolg herbeiführen.
Ich hatte gehofft, dass die Blätter zukünftiger Geschichte
die grosse Thatsache berichten sollten, dass auf einem Flecke der
östlichen Erdhälfte die Aükunft christlicher Civilisation ihr gewöhnliches
Gefolge von Krieg und Blutvergiessen nicht mit sich brachte;
diese fromme Hoffnung soll, fürchte ich, getäuscht werden. Ich
würde lieber alle Verträge mit diesem Lande zerreissen und Japan
zu seinem Zustande der Isolirung zurückkehren sehen, als dazu
mitwirken, dass die Schrecken des Krieges auf dieses friedliche und
glückliche Volk fielen.« '
Graf Eulenburg richtete unter dem 26. Januar eine Note an
die' japanischen Minister, in welcher er unter Recapitulation der
seit Eröffnung der Häfen verübten Verbrechen und Insulten der
Regierung ihre Lässigkeit in Verfolgung und Bestrafung der Ver-
brecher und in Anwendung wirksamer Schutzmittel für die Fremden,
welche sich auch bei Heuskens Begräbniss in so auffallender Weise,
manifestirt hatte, mit eindringlichen Worten vorluelt. Er glaube
an den guten Willen der Regierung, die Verträge zu halten und
Gerechtigkeit zu üben, und müsse deshalb bedauern, dass sie den
aussergewöhnlichen Zuständen gegenüber nicht auch ausserordentliche
Maassregeln treffe, um die Ausländer gegen die fremden-
feindliehe Parthei mit Nachdruck zu schützen und die Verbrecher
zu strafen; unter den jetzigen Umständen »halte er das Leben der
Gesandten in Y e d d o für gefährdet und würde ihrem Beispiel folgen,
wenn er nicht in der Lage wäre sich durch eine starke Wache
selbst zu schützen. Die zeitweilige Uebersiedelung derselben nach