
oder zudringlich, gingen oft, dienstfertig und bescheiden, weite
Strecken mit um den Weg zu zeigen, oder beauftragten damit ihre
Kinder. Kleine Knaben und Mädchen liefen, wo ein Fremder sie
zufällig in Busch oder Feld allein überraschte, wohl schreiend davon,
wurden aber bei näherer Bekanntschaft leicht freundlich und vertraulich;
sie waTen in Schwärmen höchstens durch unaufhörliches
Zurufen des Grusses »Ana t a o h e io « , durch neugieriges Andrängen
und starres Begaffen, niemals aber durch absichtliche Unarten und
Possen lästig, wie in anderen Ländern nur zu häufig Die Naturforscher
fanden in dem Verkehr mit dem einfachen unbefangenen
Landvolk geradezu eine Lebensannehmlichkeit, und besuchten manches
stille Thal, wohin niemals Fremde gedrungen waren. Dann
war ihre Tuchkleidung immer Gegenstand der grössten Bewunderung
und wurde unter vielen I ragen von allen Seiten betastet. Dass man
sie weder verstand noch antworten konnte begriffen die Meisten gar
nicht; man schien das Japanische für die natürliche Sprache des
Menschengeschlechtes zu halten, und nicht zu ahnen dass es noch
andere gäbe. — Sowohl der Botaniker als der Zoologe liessen sich
auf diesen Wanderungen häufig durch ihre japanischen Diener begleiten,
deren Treue und Anhänglichkeit sie nicht genug zu rühmen
wussten; beide lernten ihren Herren bald ab worauf es ankam, und
bewiesen, durchdrungen von der Wichtigkeit ihres Amtes, den
grössten Eifer in Herbeischaflfung und Präparirung der Naturalien.
Die sumpfige Niederung von Y o k u h am a ist von Hügelland
umgeben, das sich an der Südseite des Städtchens in steilen Thonmergelwänden
in das Meer hinausschiebt; - die Fremden nennen
das Vorgebirge »Mandarin-Bluff«. Hier liegt in einer nach Norden
sich öffnenden Schlucht das Denkmal der ermordeten Russen. Viele
Thäler und Thälchen, deren flacher Boden,‘wie bei Y e d d o , mit
Reis bebaut und künstlich bewässert ist, durchfurchen die niedrigen,
meist mit Pinus Massoniana bestandenen Höhen. Am oberen Ende
der Senkung liegt gewöhnlich im Waldesdickicht ein Teich, zahlreich
bewohnt von Fischen, Wassersalamandem und Libellen, wo die
von den Hängen abfliessenden Gewässer sich sammeln, um nach
Bedürfhiss auf die Felder abgelassen zu werden. Hier und da sind
kleine Hochebenen mit Rüben und Gerste, Weizen, Bohnen, Buchweizen,
Bataten, Hibiscus, mit Moorhirse und Baumwolle bestellt.
Bauernhütten trifft man überall, und mitten im Walde, stattliche
Tempel, deren Priester dem Wanderer oft nicht ganz uneigennützig
eine Schale abscheulichen S a k i anbieten. Einen ähnlichen Charakter
hat die Landschaft um K a n a g a v a sowohl als die Küste nordöstlich
von Y o k u h a m a .
Die Südosthälfte des Städtchens hatten damals die Ausländer,
den nordwestlichen Theü die Japaner inne. Das den Fremden zu-
o-estandene Terrain reichte bald nicht mehr aus; die Repräsentanten
der Vertragsmächte bemühten sich deshalb beständig um die weitere
Abtretung von Grundstücken, und die Japaner wurden immer mehr
aus Y o k u h am a ’verdrängt. Man arbeitete fleissig an dem breiten
Canale, welcher die Niederlassung nach Axt von D e s im a zur Insel
machen sollte; jetzt umschliesst er das Städtchen vollständig, so
dass aller Verkehr von den japanischen Behörden eontrolirt werden
kann. Der Weg nach K a n a g a v a führt zunächst auf einem künstlich
aufgeschütteten Damm zwischen Sumpf und See hin, und auf zwei
gut gebauten Brücken über Einschnitte des Meeres. Hier und an
anderen Stellen der Strasse hat die japanische Regierung Wachthäuser
und Thore angelegt, die bei eintretender Dunkelheit geschlossen und
den Europäern oft erst nach langem Parlamentiren geöffnet werden.
Es ist fast wie auf D e s im a , denn natürlich steht auch der Verkehr
der Japaner mit Y o k u h am a unter Aufsicht der Polizei, welche oft
Menschen und Waaren, ja Lebensmittel ganz nach ihrem Belieben
ausschliesst. Die in den Verträgen stipulirte Freiheit des Handelsverkehres
besteht also in Wahrheit nicht und wird sich auch schwer
durchsetzen lassen, denn die Autorität der Regierung über ihre
Unterthanen ist unbegränzt, und die Behörden üben die strengste
Aufsicht über den Grosshandel. Die Anfuhr der Waaren in Y o k u h am a
richtet sich ganz nach den Fluctuationen der politischen Lage. Jetzt,
nachdem einige Jahre vergangen, lässt sich die Situation viel deut-
liclier übersehen als zur Zeit unserer Anwesenheit. Die im einleitenden
Abschnitt ausgesprochene Ansicht, dass in den letzten Jahrzehnten
die Regierung der T a ik ü n die Zügel schiessen lassen und an Macht
und Ansehn .verloren habe, dass einzelne D a im io ’s selbständiger
geworden seien und sich leicht einmal wieder um den alten Thron
des M ik a d o schaaren könnten um das Haus M in a m o t o z u stürzen,
hat sich bestätigt. Die höchste W ü rd e des M ik a d o scheint heute
eben so anerkannt zu sein als vor tausend Jahren. Eine mächtige
Adelsparthei hat, die mit den westlichen Nationen vom T a ik ü n eigenmächtig
geschlossenen Verträge zum Vorwand nehmend, die Autorität
des Erbkaisers angerufen und, ganz wie vor dreihundert, vierhundert,