
zusetzen. Die starke Ausfuhr von Landeserzeugnissen steigerte
erheblich die Preise aller Lebensbedürfnisse, und die Obrigkeit
konnte der Versuchung nicht widerstehen, allen Nutzen für sich zu
nehmen. Sie glaubte mit dem ihr daraus erwachsenden Reichthum
den D a im i o ’s - neue Fesseln schmieden zu können, gab ihnen aber
eine gefährliche Waffe in die Hand. Einige Fürsten sollen ihr das
begangene Unrecht in aufrührerischen Schriften vorgehalten und
sie ohne Umschweif beschuldigt haben, dass sie jedes Geschäft mit
den Fremden schwer besteuere und die Preise lediglich zu ihrem
eigenen Vortheil in die. Höhe treibe, dass sie Theuerung und Verderben
über das Land bringe. Die Hauptproducenten, die D a im io ’s ,
waren von allem Verkehr ausgeschlossen; sie m u s s te n d ie s e n
Verträgen feind sein und eine ganz neue Ordnung der Dinge, vor
Allem den Sturz der Centralgewalt wünschen. Die Verfeindung
der Linien Ivii und M i t o und die Unmündigkeit des S i o g u n begünstigten
ihrp Anschläge; sie schürten die Zwietracht im Herrscherhause,
weckten den alten Ehrgeiz des M i k a d o -Thrones durch Anrufung
seiner Suprematie über den S i o g u n , Hessen die Erblande
des letzteren durch fanatische Banden beunruhigen, welche, ihre
Drohungen bis in die Hauptstadt tragend, das Ansehn der schwäch-
Hchen Regierung untergraben und sie durch Ermordung von Fremden
in Confhct mit dem Auslande bringen sollten. Wäre Einheit im
Regiment, das alte System noch in voller Kraft gewesen, so konnte
solche Bewegung nicht aufkommen. Aber die Spaltung im Herrscherhause
wuchs; die Parthei des . Prinzen von M i t o , . - ■dessen
Sohn seine ehrgeizigen Ansprüche geerbt hatte, ^ conspirirte, wie
es scheint, mit den rebellischen Fürsten und lähmte alle Schritte
der Regierung. Die meisten D a im io ’s wollten wohl nur Unabhängig:- j 1k e*i t, ei• ni• ge mäc1htigere und der Fürst von M i t o die SiOGUN-Würde
für sich selbst;- alle aber waren einig in dem Streben, die Macht
der Centralgewalt zu brechen. Sie benutzten dazu die Verträge,
nicht in der Absicht die Fremden, sondern den T a ik ü n z u vertreiben.
Ein bestimmter gemeinsamer Plan und ein klarer Gedanke von dem,
was nachher werden soll, ist in der Bewegung nicht zu erkennen,
und das schliessKche Resultat lässt sich auch jetzt noch nicht ab-
sehen; man geht unter Benutzung aller Hülfsmittel einfach auf den
Sturz der alten Ordnung los. Die regierungsfeindHchen Fürsten
rufen den M i k a d o an, die ohne seine Sanction geschlossenen Verträge
für ungültig zu erklären und den Befehl zur Vertreibung der Fremden
zu geben, - deren Verkehr sie im Grunde wünschen, — nur um
den T a i k ü n in Krieg mit ihnen zu verwickeln und seinen Thron um
so leichter zu stürzen. Sie benutzen die durch Vertheuerung der
Lebensmittel hervorgerufene Unzufriedenheit, um die .öffentliche
Meinung zu erregen und durch Confhcte mit den Fremden einen
ernsten Zusammenstoss herbeizuführen. Die am meisten unter der
Theuerung leidenden Classen sind die Soldaten und niederen Beamten
, welche bei Ansprüchen äusseren Anstandes nur knapp zu
leben haben. Diese zahlreiche vom alten japanischen Nationalstolz
durchdrungene Classe wird fanatisirt zum äussersten Hass gegen
die Fremden und gegen die Regierung, welche sie duldet. Es ist
sehr unwahrscheinhch, dass irgend ein Angriff auf Ausländer oder
fremdenfreundHche Japaner auf unmittelbare Anstiftung eines bestimmten
D a im io erfolgte, aber es war genug die heissblütigen
S a m r a i zum Fremdenhass aufzustacheln und sie gewähren zu lassen.
Dieser Schlag bildete wohl den Kern der L o n i n - Banden7), welche
sich dann durch Zuzug von gesetzlosem Gesindel verstärkten. -
Die schwächhche Regierung wusste sich nicht zu helfen. Der Krieg
mit dem Auslande brachte ihr sicheren Untergang; ein enges
Bündniss mit demselben mehrte den Anhang ihrer Gegner. Daher
die beständigen Schwankungen, das Laviren nach beiden Seiten.
Sie suchte die Ausfuhr zu beschränken, welche Theuerung hervorrief,
und sich den M i k a d o z u verbinden, dessen Autorität die
S io g u n - Herrschaft in ihrer Blüthezeit niemals angerufen hat.
Der Erbkaiser sollte durch Vermälung seiner Schwester mit dem
T a i k ü n dessen Pohtik und die Verträge mit den Fremden stillschweigend
sanctioniren.
Herr Alcock traf nach kurzem Verweilen in K a n a g a v a am
4. Juli wieder in Y e d d o ein. In der Nacht vom 5. zum 6. erfolgte
der im X. Abschnitt des Reiseberichtes erwähnte Angriff auf die
Gesandtschaft.
Das Grundstück von T o - d z e n - d z i gränzt östhch an den
T o k a i d o , von wo' ein dreihundert Schritt langer, breiter und ebener
Weg nach dem Tempel führt; hinter diesem Hegt die Gräberstätte
7) L o n in im eigentlichen Sinne ist jeder S a m r a i der keinen Herrn hat. Es
gibt darunter viele rechtschaffene Leute, die Vermögen besitzen und auf eigene
Hand leben. Wer dem Gesetze trotz bietet, sagt sich auch von seinem Herrn los;
wegen schlechter Führung, aus dem Dienst entlassene S a m r a i werden gewöhnlich
Banditen, deshalb braucht man auch für letztere im Allgemeinen den Ausdruck
LoNiNe.