
denn endlich das Ziel der Reise vor uns, eine herrliche Küste von
bewegten Umrissen, mit tiefen Einschnitten und vielen Felseninseln.
Die Sonne schien köstlich, und segelnde Wolkenmassen schleppten
ihre breiten tiefen Streifschatten über Meer, Gebirge und Inseln.
Es war der achtzehnte Tag seit der Abreise von Y o k o h a m a und
wir waren Alle herzlich froh. Die ersten Tage waren die schlimmsten
gewesen, aber wir wurden hei dem ewig wechselnden Wetter auch
nachher selten nur auf einige Stunden des Lebens froh. Kaum
waren die Luken geöffnet, so mussten sie schon wieder zugeschraubt
werdenj -Wollten die Musiker spielen, was sie sich ungern nehmen
liessen, so löste der schönste Marsch, nach einigen verdächtigen
Ausweichungen beim Wachsen des Sturmwindes, sich mit stärkerem
Ueberholen des Schiffes oft plötzlich in einen schmerzlichen Jammer-
* schrei aller Instrumente auf und starb kläglich ächzend dahin. —
Es scheint ruhig zu werden und man setzt sich zu Tische; aber
die' heisse Suppe läuft dem hungrigen Gast gleich über die Beine,
| er greift wirren Blickes krampfhaft nach Tellern, Gläsern, Messern
und Gabeln, welche die grösste Neigung ihn zu verlassen zeigen,
und taumelt schliesslich gegen den bedrängten Nachbar. Wenn man
den ganzen Tag Licht brennen und in Wasserstiefeln gehen muss,
ohne irgend einen ruhigen Sitz zu finden, wenn es draussen schneit
und regnet und kalte Brausewellen über das Verdeck spülen, wenn
die Balken garnicht aufhören mit Krachen und Knarren und man
in der Koje hin und her wackelt wie ein Glockenklöpfel, so ist
eine Wasserfahrt wenigstens für den Landmann ein sehr zweifelhaftes
Vergnügen. Es gab auch schöne und unvergessliche Momente
auf dieser Reise, die in der Er i n n e r u n g alle Unbequemlichkeiten
aufwiegen so der Eindruck des Felsenriffes im Stillen Ocean,
der Abend und Morgen in der Vandiemens-Strasse, der Anblick
der Küste von N a n g a s a k i ; ■ aber in der Geg e nwa r t schienen
uns diese Genüsse etwas theuer erkauft.
* Thetis war der Arkona in der Nacht ein beträchtliches Stück
vorausgekommen, konnte aber am Morgen nicht weiter, weil der
Wind vom Lande her blies. Capitän Sundewall liess deshalb heizen,
dampfte zu ihr hin und nahm sie in das Schlepptau.
Die Bai von N a n g a s a k i schneidet tief in das Land hinein:
innen öffnen sich zwischen malerischen Vorgebirgen viele engere
Nebenbuchten mit heimlichen Fischerdörfchen; die Höhen tragen
immergrüne Wälder; wo Ackerbau möglich ist, n steigen Terrassen
auf Terrassen bis zum Gipfel der Berge. Die Felder prangten
jetzt im schönsten Frühlingsgrün.. Im Eingänge der Bucht liegt
Papeneiland, ein steiles oben mit Föhren bestandenes Inselchen,
der Richtplatz vieler christlichen Märtyrer und der spanischen Gesandtschaft
von 1640.' Klippen und Untiefen umgeben die Einfahrt
und durchsetzen deren breiteren zwischen Papenberg und dem
nördlichen Vorgebirge sich öffnenden Arm, während der schmalere
tiefes Fahrwasser bietet. Wir steuerten im Bogen um die. Insel,
zwischen Batterieen schweren Kalibers hindurch in das stille geschlossene
Becken, in dessen fernstem Winkel die Stadt sichtbar
wird. Unsere lange entwöhnten Blicke ergingen sich mit Entzücken
in der lieblichen Uferlandschaft, an der die Schiffe vorbeiglitten,
bis die Stadt selbst alle Aufmerksamkeit .absorbirte. Vornan hegt
D e s i m a , vom Wasser aus nicht als Insel kenntlich; an der Südseite,
nahe dabei, die neue Niederlassung der Fremden, gegenüber nördlich
das russische Etablissement und die Dampfmaschinenfabrik des
Fürsten von F i d s e n . Ringsum bilden die Höhen ein herrliches.'
Amphitheater, die Abhänge sind dicht bedeckt mit stattlichen’;
Tempeln und. terrassenförmig aufsteigenden Friedhöfen, beschattet"
von herrlichem Baumwuchs. Hunderte von Booten durchfurchen
das spiegelnde Becken, überall herrscht Leben und Bewegung.
Nah dem Ufer lag eine ganze Flotte japanischer Dschunken, weiter
hinaus holländische und amerikanische Kauffahrer, der englische
Kriegsdampfer Vulcan und ein russisches, Kriegsgeschwader von
vier Schiffen.
Wir warfen gegen Mittag Anker unter dem Salut des russischen
Flaggschiffes Svetlana, dessen Commandant, Gapitän Boutakoff,
sogleich an Bord der Arkona kam. Graf Eulenburg freute sich in
ihm einen Reisegefährten wiederzusehen, mit dem er die Ueberfahrt
von Suez nach Ceylon gemacht hatte. Gleich darauf erschienen auch
der holländische Consul Herr Metmann und der Regierungsrath
Wichura, der, schon seit mehreren Wochen in N a n g a s a k i , jetzt
ein willkommener Führer wurde. — Wir betraten mit Wonne wieder
festen Boden.
Der Landungsplatz der Fremden liegt an der schmalen Nordseite
von D e s im a , eine breite steinerne Treppg führt zum Ufer
hinan. Das Thor, welches hier früher die Insel nach der Seeseite
sperrte und nur während der Anwesenheit der holländischen Schiffe
unter strenger .Controle geöffnet wurde, ist weggeräumt, ebenso