
anmerken. Graf Eulenburg glaubte damals nicht an ernstliche Gefahr
für die Fremden, wohl aber an innere politische Wirren, deren
Wichtigkeit die Regierung zur Förderung ihres Zweckes, der weiteren
Beschränkung der Fremden übertriebe. Genaues konnte man
durchaus nicht erfahren, denn die B u n y o ’s hüllten sich netren ein- ö D
gehende Fragen in tiefes Schweigen und im Volke liefen nur ausschweifende
und widersprechende Gerüchte um: die sechshundert
LoNme sollten zu Hause erst ihre sämmtlichen Weiber und Kinder
umgebracht haben, um sich der Verzweiflung preiszugeben und zur
Mordlust zu entflammen. Dann hiess es wieder, nur die Kaufleute
in Y o k o h a m a sollten niedergemetzelt, alle Diplomaten aber lebend
entführt werden, u. s. w. Waren diese Gerüchte auch falsch, so
sprachen doch genug deutliche Anzeichen für die Ernsthaftigkeit
der Lage: allePolizeistationen in Y e d d o erhielten starke m ilitä ris c h e
Besatzung, die zur strengsten Handhabung der Ordnung angewiesen
war; auf der Landstrasse nach K a n a g a v a begegnete man zahlreichen
Detachements, die von berittenen D a im i o ’s inspicirt wurden. Ein
B u n y o des auswärtigen Ministeriums erzählte auf der amerikanischen
Gesandtschaft, die Regierung habe bis dahin nur vier oder fünf
Verschworene verhaften, nach einer ernsten Verwarnung aber wieder
freigeben lassen; sie hätte schon eben so viele hunderte aufzuheben
vermocht, vermeide das jedoch wegen der aufgeregten Volksstimmung,
und begnüge sich zu zeigen, dass sie ihre Absichten
kenne. Wir ahnten damals die tiefe Zerrüttung der inneren Verhältnisse
noch nicht, welche in den nächsten Jahren zu Tage
kam; doch hatte es wohl den Anschein, als oh mächtige Personen,
die man nicht zu verletzen wagte, im Hintergründe der Bewegung
ständen. Man brachte sie mit der Ermordung des Regenten und
dem Tode des Fürsten von M i t o in Zusammenhang. Letzterer
sollte nach den neuesten Nachrichten weder eines natürlichen Todes
noch durch befohlenes H a r a k i k t j gestorben sein, sondern durch
Mörderhand: ein Trabant des Regenten hätte sich, als Zimmermann
verkleidet, im Palaste des Fürsten Arbeit zu verschaffen gewusst
und ihn mit der Axt erschlagen. Seinen Tod zu rächen, wollten
die sechshundert LoNise durch Ermordung der Fremden die Regierung
in Confliete mit den westlichen Mächten bringen.
Der engliche Gesandte war, wie gesagt, nicht ohne Besorgniss
und hielt den Rear-Admiral Jones einige Tage in Japan zurück.
Da sich aber nichts ereignete, so segelte dieser am 8. Januar mit
der Impérieuse nach H o n g k o n g ab und liess nur den Encounter
vor Y o k u h a m a , während vor Y e d d o Arkona und Thetis zur Aufnahme
sämmtlicher Gesandtschaften bereit lagen; auf ein Raketensignal
von einer derselben sollten die armirten Boote landen.
Die Vertrags-Arbeiten gingen ihren Gang. Schon am 3. Januar
erschienen die Bevollmächtigten zur Berathung des Handelsregulativs,
bei welchem es nur formelle Schwierigkeiten gab. Dann kamen sie,
wie zu erwarten war, auf den Ratifications - Termin zurück: sie
hatten sich die Tragweite ihrer Concession jetzt klar gemacht und
verlangten wieder die früher beantragte Fassung der Ratification
n a c h dreissig Monaten. Graf Eulenburg stellte ihnen vor, dass
sie, nachdem er ihren Wünschen nachgegeben, als B e v o llm
ä c h tig te auf einmal festgestellte Puncte nicht zurückkommen
und deren nochmalige Aenderung verlangen dürften; er habe
mit Rücksicht auf die schwierige Lage der japanischen Regierung
anfangs eingewilligt, dass gar kein Ratifications-Termin genannt
werde, wolle auch jetzt noch diese Fassung billigen und unter
der bekannten Bedingung die hinausgeschobene Auswechselung
bei seiner Regierung nach Kräften befürworten; die B u n y o ’s behaupteten
aber, dass die öffentliche Stimmung jetzt mehr als jemals
die Angabe eines bestimmten Datums verlange, worauf Graf Eulenburg
als letztes Wort den Vorschlag machte, den Vertrag von einem
bestimmten Zeitpunct, etwa dem 1. Januar 1863 an, auf alle Fälle
in Kraft treten zu lassen, und für die Auswechselung der Ratificationen
keinen Termin zu nennen. Dazu entschlossen sich die Japaner
nach starkem Widerstreben; Graf Eulenburg aber hatte durch sein
formelles Zugeständniss der S a c h e nichts vergeben, denn die Auswechselung
der Ratifications-Urkunden konnte kaum in einer kürzeren
Frist erfolgen. — Damit waren die Verhandlungen im Wesentlichen
beendet. Die B u n y o ’s versprachen ihren holländischen Text mit
dem unseren genau vergleichen zu lassen, und, wenn sich keine
Unterschiede fänden, vier japanische und zwei holländische Abschriften
zu besorgen, wogegen der Gesandte zwei holländische und
vier deutsche übernahm. Man hoffte von japanischer Seite in zehn
Tagen fertig zu sein und der Gesandte sprach die Erwartung aus,
die ganze Angelegenheit bis zum 15. Januar abgethan zu sehen.
Schon am 5 . kam M o r iy a m a mit der Bitte um einige kleine
Aenderungen: so erregte der Ausdruck »im Jahre der c h r is t lic h e n
Zeitrechnung« Anstoss. Offenbar will die Obrigkeit den zwei Jahr