
Die Häufigkeit der Brände, namentlich im Winter, erhält
die Mannschaft in beständiger Uebung; Feuerlöschen ist eine Leidenschaft
des thatenlustigen Volkes geworden, das in den beiden
Jahrhunderten des Friedens kaum andere Gelegenheit fand Muth
und Geistesgegenwart zu brauchen. Im Winter hörten wir die
Feuerglocke fast jede Nacht, oft drei- bis viermal1). Die Zimmer
- H Doeff beschreibt eine Feuersbrunst in Y ed d o , deren Zeuge er bei seinem
dortigen Aufenthalt im Jahre 1806 wurde, mit folgenden Worten: »Am 22 April
Morgens gegen zehn Uhr hörten wir, dass in der Stadt, etwa zwei Stunden von unserer
Herberge entfernt, Feuer ausgekommen sei. .W ir achteten kaum darauf, da man in
Y eddo an Feuersbrünste gewöhnt ist; bei gutem Wetter brennt es wohl jede Nacht,
und da es bei Regenwetter seltener vorkommt, so wünschen die-Bewohner einander
Glück, wenn es Abends regnet. Aber der Brand nahte uns mehr und mehr, und
gegen drei Uhr Nachmittags loderten plötzlich, durch Funken, welche der heftige W ind
auf uns zutrieb, entzündet, die Flammen an vier verschiedenen Orten rund um uns
her auf. /Wir hatten indessen aus Vorsicht schon um ein Uhr angefangen zu packen,
so dass wir je tz t bei der nahen Gefahr die Flucht ergreifen konnten. Auf die Strasse
kommend sahen wir Alles in Brand stehen; vor dem Winde her aus den Flammen
zu laufen kam uns gefährlich vor, wir rannten deshalb gegen den Wind durch eine
schon brennende- Strasse und kamen so hinter die Flammen auf einen freien Platz,
»Ha h a » genannt. Dieser war dicht bedeckt mit den Flaggen von Fürsten, deren
Paläste verbrannt und deren Frauen und 'Kinder hierher geflüchtet waren. Wir
folgten ihrem Beispiel und steckten gleichfalls einen. Platz ab mit den holländischen
Flaggen, die wir beim Uebergang der Flüsse auf der Reise gebrauchten. So'hatten
wir eine freie Aussicht auf den Brand, aber ich habe so Schreckliches uiem.l. gesehen!
Das Grauen des Feuermeers ward noch erhöht durch das herzzeireissende Geschrei
der fluchtenden Frauen und Kinder. ■*- Wir waren nun wohl für den Augenblick
sicher, hatten aber kein Obdach. Der Gouverneur von N angasaki , der sich zu Y eddo
auf hielt, war eben entlassen, das Haus seines Nachfolgers, der an demselben Tage
ernannt worden war, in Asche gelegt. Wir wurden deshalb im Hause des gerade
in N ang asa ki fimgirenden Statthalters einquartiert, das ganz am ändern Ende von
Y eddD lag; wir kamen Abends gegen halb elf dort an und wurden vom Sohne des
Statthalters sehr freundlich aufgenommen und mit Allem versehen. — Am folgenden
Tage gegen Mittag löschte starker Regen den Brand. Wir hörten von unserem
Hauswirth, der uns besuchte, dass nicht fünf Minuten nach unserem Abzug die
Flamme sein Haus erreicht und Alles verzehrt hatte, ohne dass er etwas retten
konnte. Um ihm zu Hülfe zu kommen hat ihm unsere Regierung drei Jahre hintereinander
zwanzig Körbe Zucker geschenkt. E r erzählte dass siebenundfunfzig D a Imio-
Palaste vernichtet und zwölfhundert Menschen, darunter ein Töchterchen des Fürsten
von A v a , verbrannt und eitrunken seien, indem die Brücke N ip p o n - b a s i unter dem
Gewicht der flüchtenden Menge zusammenbrach, und in der dahin führenden Strasse
die Hintersten, davon nichts wissend, in ihrer Hast dem Feuer zu entrinnen, die
Vordersten in das Wasser drängten«.
werden in den kalten Monaten durch offene Kohlenbecken erwärmt,
mit denen man sehr unvorsichtig umgeht; die Holzkohlen springen
und spritzen, und die feinen Binsenmatten brennen im Umsehn; die
Papierfenster und Tapetenwände pflanzen den Brand mit reissender
Schnelligkeit fort und erzeugen rasch auflodemd unglaubliche Hitze;
und wenn auch die massiven Ziegeldächer der besseren Häuser dem
Flugfeuer widerstehen, so gerathen doch auch diese leicht von
unten in Brand, da sich ihre Papierfenster wie Zunder schon an
dem glühenden Hauch aus der Ferne entzünden. Selten brennt ein
einzelnes Haus ah; ehe Hülfe erscheint steht eine ganze Strasse in
Flammen. Am grössten ist die Noth bei heftigen Erdbeben im
Winter: die umgestürzten Häuser entzünden sich dann unfehlbar
von innen; Hülfe ist unmöglich, die Flammen brechen plötzlich aller
Orten hervor. Bei dem letzten grossen Erdbeben, im December
1854, sollen in Y e d d o gegen 200,000Menschen verunglückt sein, und
zwar grossen Theils in den Flammen.
Am 1 2 . besuchten Einige von uns den Lackfabrikanten S e b i 12. octbr.
und liessen ihre Pferde vor der Thür. Wie gewöhnlich versammelte
sich eine grosse Menschenmenge vor dem Hause; die Hintersten
drängten nach vorn, eines der Pferde wurde unruhig, warf rückwärts
schreitend einen Knaben zu Boden und trat ihm so unglücklich auf
das Bein, dass der Knochen brach. Dr. Lucius, der bei der Gesellschaftwar,
legte sogleich einen provisorischenVerband um; — bald
darauf kam ein japanischer Arzt herbei, der sich überzeugte ob der
Knochen richtig zusammengefügt wäre und dann die Bandagen
kunstgerecht wieder ordnete. Die Menge benahm sich bei dem
ganzen Vorgänge verständig und theilnehmend, alle »Umstehenden
waren sichtlich erfreut über die hülfreiche Sorgfalt unseres Freundes,
welcher nachher den Patienten bis zu seiner Genesung täglich besuchte.
Er traf dort häufig mit japanischen Aerzten zusammen und
fand sie zu seinem Erstaunen mit den neuesten europäischen Heilmethoden
vertraut.
Am 1 5 . October feierten wir still den letzten Geburtstag Seiner 15. Octbr.
hochseligen Majestät König Friedrich Wilhelm IV. Zum Diner waren
die in A k a b a n e wohnenden Preussen bei dem Gesandten versammelt,
welcher in ernsten Worten die Bedeutung des Tages besprach und
mit seinen Gästen ein stilles Glas auf das Wohl des erhabenen
Kranken leerte. An Bord der Arkona, welche vor Y o k o h a m a lag,
wurde Gottesdienst gehalten und die Mannschaft festlich bewirthet.