
Herr Alcoek war unter der Einwirkung des Augenblicks
geneigt, einem damals verbreiteten Gerüchte über die Veranlassung
des Attentates Glauben zu schenken. Kurz vor seiner Ankunft in
N a n g a s a k i warf bei der Insel T s ü s - s im a eine russische Corvette
A n k e r , deren Befehlshaber sich mit einem Theil der Mannschaft
ohne viel Umstände am Lande niederliess: der dort regierende Fürst
hätte diese Kränkung, da ihm die Russen zu stark waren, an dem
ersten besten Ausländer rächen wollen und auf die Nachricht von
Herrn Alcock’s Reise durch das Land diesem seine Mörder nachgesandt,
welche ihn zwar in O s a k a eingeholt, die That aber unterwegs
nicht hätten vollbringen können, ohne den D a im i o , in dessen
Gebiet das geschah, in Schwierigkeiten zu verwickeln. Eine andere
Version lautete, dass ein nachgeschickter Trabant die Mörder erst
in Y e d d o gedungen hätte. Wenn nun auch das Treiben der L o n ik c
im Allgemeinen von den regierungsfeindlichen D a im i o ’s begünstigt
wurde, so scheinen doch die einzelnen Angriffe fast überall direct
aus dem fanatischen Patriotismus der Thäter entsprungen zu sein
und die abweichende Uebersetzung jener dunkelen Urkunde, welche
auf einen Befehl zu deuten scheint, gibt bei der Uebereinstimmung
der drei anderen keine. Veranlassung an besondere Anstiftung zu
glauben. - Die Russen blieben übrigens zum Verdruss der japanischen
Regierung noch eine Zeit lang auf T s u s - s im a . Herr Alcock
wurde von den Ministem in Y e d d o ersucht, sich in das Mittel zu
legen, und schickte den Legations - Secretär Oliphant nach dessen
Genesung mit, einem Kriegsschiff dahin ab, um sich nach den Absichten
des CorvettenrCapitäns und der vermuthlichen JDauer seines
Aufenthaltes zu erkundigen. Capitän Biriliff antwortete höflich,
dass er auf Befehl seiner Vorgesetzten handle und in T s u s - s im a
bleiben müsse, bis er abberufen werde, dass er übrigens mit dem
Fürsten und dessen Unterthanen in bester Eintracht lebe. Damit
endete die Einmischung. Die Russen erhielten aber bald darauf
Segel - Ordre h, und befreiten die geängsteten Beamten von ihrer
Gegenwart. Man erzählt, dass ein B u n y o , den die Regierung nach
T s u s - s im a geschickt hatte um Jene zum Abzug zu bewegen, sich
nach dem Misslingen seiner Aufgabe auf der Rückreise den Leib
aufsehlitzte.
Am Morgen nach dem Attentat lies Herr Alcock das Kanonenboot
Ringdove von Y o k u h a m a herüberkommen, dessen Capitän
ausser fünfundzwanzig Seesoldaten auch Herrn von Bellecourt
landete; dieser wollte die Gefahren seines Amtsgenossen theilen
und brachte eine Wache französischer Marine-Füsiliere ) von dem
Transportschiff Dordogne mit. Später Hess sich der englische Gesandte
noch eine Abtheilung berittener Sikhs von dem damals in
T i e n t s i n stationirten Regimente »Fane’s horse« kommen. Der Befehlshaber
des mit Küstenaufnahmen bei N a n g a s a k i beschäftigten Geschwaders
begab sich mit dem Actaeon und drei Kanonenbooten
auf die Nachricht des Geschehenen auch sogleich nach Y e d d o ;
nicht lange nachher kam Admiral Sir James Hope mit seinen Schiffen
herbei; — die Japaner müssen erstaunt gewesen sein über die
ansehnlichen Streitkräfte, welche der Vertreter Grossbritanniens
in so kurzen V/hohen heraufbeschwören konnte. Die Minister versprachen
ihr Möglichstes zu seinem Schutze zu thun, erklärten sich
aber nachdrücklich gegen jede Besetzung der Gesandtschaft durch
fremde Soldaten, welche zumal bei n ä c h tlic h em Kampfe den
Freund vom Feinde nicht unterscheiden und mit ihren Schusswaffen
die Action der Japaner nur lähmen würden. Sie beschworen
den Gesandten wieder eine Abtheilung ih r e r Soldaten in das
Wohnhaus aufzunehmen, was dieser um so mehr ablehnen zu
müssen glaubte, als sie a u c h so keine Bürgschaft für seine Sicherheit
leisten wollten. Sie erklärten wie gewöhnlich, das Volk sei
theils durch die Vertheuerung aller Bedürfnisse, theils aus Nationalstolz
und Anhänglichkeit an die alten üeberlieferungen gegen die
Verträge erbittert; die Theuerung und daraus fliessende Verarmung
mehre täglich die Anzahl der LoniNe, welche in zahlreichen
Banden die Hauptstadt umschwärmten und nicht nur die Fremden,
sondern sie selbst, die Minister bedrohten; die Wachen hätten sich
tapfer geschlagen, und doch wäre der Anschlag bei einem Haare
gelungen; es stehe nicht in ihrer Macht die Sicherheit der Fremden
zu verbürgen, und sie könnten, dafür keine anderen Maassregeln
treffen als für ihre eigene. Sie versprachen die Banditen zu verfolgen,
inachten aber zugleich den Gesandten darauf aufmerksam, dass von
den Mördern des Regenten, die man sämmtlich kenne, bis dahin, also
nach Jahresfrist erst ein einziger ergriffen worden sei. Die Regierung
liess jetzt das Grundstück von T o - d z e n - d z i mit festen
9) »Füsiliers marins.« Die französische Marine hat keine eigentlichen Seesoldaten,
wie die preussische und die englische. Die militärisch ausgebildeten Matrosen-
Abtheilungen heissen Füsiliers marins, sobald sie mit Gewehr bewaffnet sind; diese
Truppe ist zum Landdienst förmlich organisirt.