
erwiesen ist, dass der Y a m a - m a y u die Blätter aller bei uns wachsenden
Eichenarten annimmt und sich gesund dabei entwickelt, so ist
die Zucht nur Aufgabe der Acclimatisation. Eine Eigentümlichkeit der
Species besteht darin, dass sie im Ei, nicht wie andere Arten derselben
Gattung, im Cocon überwintert. Da nun in Japan der Winter
nur kurz ist, so findet der Wurm bei seinem Auskriechen die Nahrung
dort fertig bereitet, während man sie bei uns für die ersten
Wochen in Treibhäusern künstlich erzeugen muss. Eine andere
Schwierigkeit für die in Japan übliche Zucht im Freien ist der Schutz
der Raupen gegen Vögel und Insecten. Glückt die Acclimatisation,
so könnte nach angestellten Berechnungen eine kräftige Eiche jährlich
vier bis fünf Pfund Rohseide liefern.
Fortune berichtet noch von einem anderen japanischen Seidenwurm,
welcher von den Blättern der Castanea japónica lebt. Die
Raupe war über vier Zoll lang, lebhaft grün, unten weiss gefärbt
und dicht mit weissen Haaren besetzt. Man lässt sie nicht zum
Einspinnen kommen, sondern schlitzt sie lebendig auf und zieht zwei
Bündelchen heraus, die nachdem sie in eine sauere Lösung getaucht
und dadurch von dem umgebenden Schleim befreit sind, jedes einen
Faden von fünfzig Fuss Länge liefern. Fortune glaubte, dass sie
vorzüglich zu Angelschnüren und dergleichen benutzt werden, erfuhr
aber von den Eingeborenen, dass man auch Kleiderstoffe daraus
webt. Näheres ist darüber nicht bekannt geworden.
Von den Verhältnissen des ländlichen Grundbesitzes ist im
einleitenden Abschnitt schon vorübergehend die Rede gewesen;
Genaues weiss man darüber nur wenig. Wie die übrige Gesetzgebung,
so scheint sich auch das Eigenthumsrecht in den einzelnen
Landschaften verschieden entwickelt zu haben; so soll es in einigen
Gegenden Grundbesitzer geben die nicht zur Adelseiasse gehören,
in den meisten aber ist der Boden wohl Eigenthum der D a im io ’s
oder des T a ik ü n . Nach historischem Recht kann der M ik a d o als
Eieenthümer des ganzen Reiches gelten; die o o O 7 Fürsten halten ihren
Besitz von seinem Stellvertreter, dem T a ik ü n , erblich zu Lehen,
ihre Streitkräfte werden als Contingente der kaiserlichen Armee
angesehen. In ähnlicher Weise mögen die Vasallen der D a im io ’s
Theile von deren Territorien erblich zu Lehen besitzen, und der
Hofadel Länderein in den Provinzen des T a ik u n . Der Landmann
ist wieder gewissermaassen erblicher Pächter; er muss jährlich einen
bestimmten Antheil der Aernte an seinen Grundherrn ahgeben.
Dieser hat das Re cht , jeden Augenblick frei über sein Grundstück
zu verfügen und den Pächter nach Beheben zu verjagen; es ist
aber feststehender Gebrauch, eine Familie so lange in ruhigem Besitze
zu lassen, als sie die ihr anvertrauten Aecker fleissig bebaut. So
vererbt sich der Besitz auch -bei den Landleuten von Geschlecht zu
Geschlecht, und doch ist diese Erbpacht kein eigentliches Recht; der
Gebrauch besteht überall nur so lange, als kein Grund da ist ibn zu
stören. Wie der T a ik ü n «i- immer im Namen des M ik a d o J g das
Recht übt, in gewissen Fällen einen D a im io , ja dessen ganze Familie
zu ächten und ihres Lehens zu berauben, so hat der Grundbesitzer
sogar die Pflicht jeden Pächter auszuweisen, der ein Jahr lang seine
Felder nicht bestellt, und unter Umständen auch dessen Erben.
Der Antheil des Grundherrn an der Aernte ist nach dem
Gebrauche der einzelnen Landschaften und der Güte des Bodens
verschieden, in den meisten Gegenden aber gewiss sehr bedeutend12).
Sein Verhältniss zum Ertrage pflegt festzustehen; der Rentmeister
des -Gutsherrn reist jährlich auf dessen Besitzungen herum, misst
die Aernte einzelner Aecker aus und taxirt danach den wirklichen
Ertrag des Jahres, nach dem sich die Abgabe richtet. — Das bewegliche
Inventar und sämmtliche Gebäude sind Eigenthum des
Pächters, der sie bei seinem Abzüge niederreissen, mitnehmen oder
seinem Nachfolger verkaufen kann. Aehnlich scheint es in den
Städten zu sein, wo zwar die Häuser den Bürgern gehören, für
den Grund und Boden aber dem Herrn des Territoriums ein jährlicher
Zins gezahlt wird. Auch Fremde können nicht Grundeigent
h u m erwerben; sie miethen die Bauplätze von der Regierung und
12) u ach den Angaben der Japaner betrüge der vom Landmann an den Grundherrn
zu entrichtende Zehnte gewöhnlich ein Fünftel der Aernte. Nach Herrn
Alcocks Beschreibung der auf der Reise von N ang asa ki nach Y eddo gesehenen
Strecken von N ippo n und K iusiü wäre aber das Aussehen der Landleute fast überall
sehr elend und dürftig. Sie sollen kaum mehr als das nackte Leben haben, mit
Lumpen bekleidet sein und in engen, düsteren Hütten ohne jede Bequemlichkeit
wohnen. Nur in der Nähe der Städte wäre es besser. Danach müsste man auf
einen höheren Grundzins schliessen, der in der That auch durch die Erwägung wahrscheinlich
wird, dass so viele privilegirte Nichtsthuer — die ungeheuere Anzahl der
zweisehwertigen SAMEA^Hvom Schweisse des Landmannes leben. Alle Einkünfte
der D aimio’s bestehen in den Naturalabgaben ihrer Pächter; jene sind die eigentlichen
Grosshändler des Landes und lassen ihren Bauern wahrscheinlich nur grade so vieb
als diese zu ihrer Existenz brauchen, oder nur geringen TJeberschuss. Die bessere
Lage der Landleute, in der Nähe der Städte erklärt sich bei der Unvollkommenheit
der Transportmittel durch die leichtere und somit höhere Verwerthung ihrer Boden-
erzeugnisse.