
aber der dolmetschende M o r iy a m a mag selbst wenig von seinen
Auseinandersetzungen verstanden haben, und *man muss gestehen,
dass es auch für den gebildeten Japaner eine starke Zumuthung
ist, die complicirten Verhältnisse des deutschen Bundes und des
Zollvereins, die Stellung der kleineren Staaten, die Verschiedenartigkeit
der politischen und commerciellen Beziehungen fassen zu
sollen, die uns selbst so viel Kopfbrechens zu macliSn pflegen.
Die einfache Definition des Begriffes »Zoll- und Handelsverein«
genügte keineswegs, da die Kreuz- und Querfragen der Japaner
den Gesandten immer wieder auf das weite Feld verschlugen.
»Gehört Oestreich zum Zollverein?« »Haben alle Zollvereins-Staaten
gleiche Regierungsform?« »War Preussen nicht einst wie Amerika
eine Republik aus verschiedenen Staaten unter einem Präsidenten?«
»Haben die zerstreut hegenden Landestheile immer zu Preussen
gehört oder sind sie alhnälich erworben worden?« »Hat sich der
Zollverein schon vor langer Zeit gebildet und auf welche Weise?«
»Wfl.nim sind die mecklenburgischen Herzogthümer und die Hansestädte
ausgeschlossen, warum Oestreich?« »In welchem Verhältniss
stehen die Zollvereins - Staaten zu einander und nach welchem
Maasstabe werden die Zölle vertfteilt?« »Treibt Preussen mehr
Handel als die anderen .Staaten? weshalb will es einen Vertrag
für alle machen? warum beanspruchen die Hansestädte trotzdem
eine abgesonderte Vertretung?« — Wer einmal die Fragen eines
neugierigen Kindes nach Gegenständen die über seine Fassungskraft
gehen, oder nach Dingen deren ¿vernünftigen Zusammenhang
kein Menschenverstand zu ergründen .vermag, auszudulden gehabt
hat, kann sich einen Begriff machen von des Gesandten Ge-
müthsverfassung bei diesem Verhör. Es war als wollte M u r a g a k i
alle verfänglichen Fragen rächen, mit denen er seine Vorgänger,
jemals gepeinigt hatte. Graf Eulenburg antwortete auf Alles
sehr . ausführlich und mit exemplarischer Geduld; er suchte unter
Vorlegung der Zollvereins - Verträge mit England, Sardinien,
Persieh und anderen Staaten den Japanern begreiflich zu machen,
wie Preussen durch seine politische Stellung der natürliche Vertreter
von Norddeutschland gegenüber dem Auslande und als
sqlcher allgemein anerkannt sei, aber ihre Gesichter wurden immer
länger: »Man habe geglaubt, es handele sich um einen Vertrag
mit einem Reiche, mit-Preussen, und nun solle man mit einigen
(lreissig abschliessen: Japan könne unmöglich so viele Völker
zugleich, zulassen, das Nationalgefühl werde sich dagegen empören,
es sei ganz und gar unmöglich. « Umsonst versicherte Graf Eulenburg,
dass die dreissig Staaten nur ein Volk seien, umsonst, dass
n u r f ü n f verschiedene Flaggen in den japanischen Häfen erscheinen
würden, da nur so viele norddeutsche Staaten Schiffahrt trieben;
er erinnerte sie vergebens daran, dass er gleich bei seiner Ankunft
schriftlich §lie Absicht ausgesprochen habe; einen Vertrag für N o rd d
e u ts c h la n d zu machen, dass durch den überreichten Entwurf
nur ein diplomatischer Agent für alle contrahirenden Staaten und
nur ein Consul in jedem Hafen verlangt werde,, dass das Recht
der Hansestädte, besondere Consuln anzustellen, in einem Separat-
Artikel stipulirt sei, der erst später Gegenstand der Debatte werden
solle, und dass es rathsamer für Japan sei, jetzt mit Preussen zugleich
für alle übrigen Staaten*einen Vertrag zu schliessen als später
von jedem derselben einzeln um einen solchen angegangen zu werden.
Dieses nicht ganz stichhaltige Argument glaubte der Gesandte auch
im weiteren Verfolge der Verhandlungen zur Erreichung seiner
Zwecke besonders, betonen zu müssen, weil es fast die einzige
verwundbare Stelle der japanischen Regierung war, und die Aussicht,
sich, in den nächsten Jahren yon.mehreren Gesandtschaften belagert
zu sehen, sie schon damals beunruhigte: Wenn irgend etwas sie
zu dem erweiterten Vertrage bewegen konnte, so war es allein
die Sicherheit, auf'einige Zeit Ruhe zu haben.
Der Gesandte übergab den B ü n y o ’s beim Abschied eine holländische
Uebersetzung des dem Vertrage anzufügenden Handelsreglements
und bat sie, die Karte von Norddeutschland, auf welcher der
ganze Zollverein mit einer alle anderen Länderabtheilungen verdunkelnden
scharlachrothen Linie umzogen war, dem Minister des Auswärtigen
als Geschenk zu überreichen. Er hatte mit demselben
zwei Tage darauf eine mehrstündige Conferenz, welcher der Lega-
tionssecretär Pieschel und der Attaché von Brandt beiwolmten.
A M>o T s ü s - s im a - n o - k a m i entschuldigte sich beim Empfanget
dass er den Gesandten so lange nicht zu sich eingeladen habe und
führte als Grund den Umzug des T a ik ü n in dessen neu erbautes
Schloss an, mit welchem er ganz beschäftigt gewesen sei. Der Minister
des Auswärtigen scheint also auch als Hofmärschall zu fungiren.
Er eröflhete das politische Gespräch mit der Bemerkung, dass die
Regierung sich t r o tz der öffentlichen Meinung und nur deshalb.zu
einem Vertrage mit Preussen entschlösse, weil der Gesandte so lange